Schon gestreamt? The Haunting of Hill House

Sowohl Familiendrama als auch Horrorserie, ist „The Hauting of Hill House“ nicht nur äußerst gruselig, sondern stellt auch auf berührende Weise dar, was es heißt, von seiner Vergangenheit verfolgt zu werden.

© Radio VL

Es gibt Serien, die umso beeindruckender sind, weil sie im Grunde recht unscheinbar daherkommen. Eine solche ist „The Haunting of Hill House“. Die Netflix-Serie, die Mitte Oktober erschienen ist, erzählt die Geschichte einer siebenköpfigen Familie, die einen Sommer in einem riesigen Anwesen namens Hill House verbrachte. Eines nachts setzte der Familienvater Hugh (Henry Thomas) seine fünf Kinder ins Auto und floh mit ihnen, ohne jemals wieder zum Hill House zurückzukehren. Wieso, weiß keiner so recht. Was mit der Mutter (Carla Gugino) passierte, genauso wenig.

Die Prämisse ist relativ simplel, vor allem die Struktur macht den Reiz von „Hill House“ aus. Für die Erzählweise, die zwischen Zeitebenen und Figurenperspektiven hin- und herwechselt, hat sich der Macher der Serie Mike Flanagan an „Lost“ inspiriert. „Hill House“ setzt an einem Zeitpunkt an, als die Kinder bereits erwachsen sind und versucht in langen Rückblenden der Vergangenheit auf den Grund zu gehen. Die Figuren sind an und für sich nicht sonderlich ungewöhnlich, doch der Drang, herauszufinden, was ihnen wiederfahren ist, lässt die Augen förmlich am Bildschirm kleben. Die Kinder scheinen unterschiedlich gut mit den Ereignissen aus der Vergangenheit zurechtzukommen. Bestsellerautor Steven (Michiel Huisman) und Bestatterin Shirley (Elizabeth Reaser) sind von allen Geschwistern noch am besten weggekommen. Die Jüngste, Nell (Victoria Pedretti), wirkt sets so, als stehe sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Auch die Kinderpsychiaterin Theodora (Kate Siegel) wird immer wieder von Erinnerungen überwältigt. Zum drogenabhängigen Luke (Oliver Jackson-Cohen), hält der Rest der Familie aus Selbstschutz Distanz.

Während es manchen der erwachsenen Figuren an der nötigen Tiefe mangelt, weiß die Serie bei der Darstellung der Kinder in allen Hinsichten zu überzeugen. Nicht nur, dass die jungen Schauspieler*innen sie hervorragend verkörpern: Sie werden als vollwertige, komplexe Menschen gezeigt, ohne dass ihnen, wie es in Filmen und Serien leider üblich ist, lediglich der Text von Erwachsenen zugedacht wurde. Gelungen ist auch die Darstellung der Eltern-Kind-Verhältnisse; hier wird sich offensichtlich auf Augenhöhe begegnet, was eine willkommene Abwechslung bietet.

Das Horrorgenre eignet sich gut, um das Grauen mancher Erlebnisse zu visualisieren, ohne dass die Figuren explizit aussprechen müssen, was sie heimsucht. Dem ist auch so in „ Hill House“. Die Figuren hören Geräusche und sehen Dinge, für die es keine natürliche Erklärung geben kann, und dies Jahre nachdem sie das spukende Anwesen verlassen haben. Sie werden im wortwörtlichen Sinne von Dämonen verfolgt. „The Haunting of Hill House“ integriert neben dem Horror aber noch weitere übernatürliche Elemente, die in real existierenden Phänomen wurzeln. Theodora nimmt Dinge wahr, die ihrem Umfeld meist gar nicht auffallen: Sie spürt wenn ihr Gegenüber Angst hat oder traurig ist, und merkt es sogar, wenn andere etwas vor ihr verbergen. Anders als es bei Hochsensibilität der Fall ist, erspürt Theodora darüber hinaus aber auch Geheimnisse, die bestimmten Orten und Objekten innewohnen.

Spannungsdramaturgie, Set- und Sounddesign machen diese Serie zu einem höchst empfehlenwerten Sehgenuss, für zarte Gemüter ist sie aber leider nichts. Abgesehen von der generell gruseligen Atmosphäre, lassen einen in jeder Folge gleich mehrere „jump scares“ hochschrecken. Das macht „Hill House“ aber umso beeindruckender: Die Serie funktioniert nicht nur hervorragend als Familiendrama, sondern auch als Horror-Serie. Ein eindeutiges Urteil darüber, wofür der Spuk von Hill House steht, bleibt dem Publikum letztlich selbst überlassen.


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