Umgehungstraße Bascharage: Freie Fahrt

Weder sind die Luftverschmutzungswerte in den letzten Jahren überschritten worden, noch liegen die Ergebnisse zweier öffentlicher Befragungen vor: Die Regierung hat eine umstrittene Umgehungsstraße im Südwesten des Landes trotzdem genehmigt.

Entlang der vorhandenen Zugstrecke und durch den Wald: Unter anderem soll die neue Umgehungsstraße auch den Bobësch zerschneiden. (Bild: Ministerium für Mobilität und öffentliche Arbeiten, September 2023)

Die Umgehungsstraße zwischen Bascharage und Sanem hat grünes Licht erhalten. Zuletzt war im vergangenen September ein Alternativvorschlag für einen Tunnel, der den Wald weniger beeinträchtigen sollte, verworfen worden (woxx 1754). Am 15. März letzter Woche genehmigte der Umweltminister Serge Wilmes (CSV) nun die schlussendlich oberirdische und entlang der Zugstrecke führende Straße. Sollte die Straßenbauverwaltung die Genehmigung ihrerseits veröffentlichen, beginnt das Projekt. Drei Umweltorganisationen schlagen deswegen Alarm: In dem Fall könne der Bau nur noch durch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht verhindert werden.

Laut drei NGOs – der Biergerinitiativ Gemeng Suessem, der Regionale Süden des Mouvement écologique und der Sektion Sanem von Natur&Ëmwelt – liegen dabei noch zahlreiche Unregelmäßigkeiten vor. In einer Pressemitteilung vom 18. März kritisieren die NGOs den Entschluss der Regierung und warnen, sie würden juristische Wege beschreiten, um sich dem Projekt zu widersetzen. Dabei ist den Umwelt-NGOs nicht nur der Bau selbst ein Dorn im Auge.

Auch die von der Regierung vorgeschlagenen Kompensationsmaßnahmen sehen die NGOs kritisch. Demnach soll neben der Ersetzung eines Teils des Eichen-Hainbuchenwaldes, ein größerer Teil rückwirkend als Naturschutzgebiet klassiert werden – aber erst nach der Abholzung der vorhandenen Bäume. Insgesamt sollen für den Bau der Trasse etwa 9 Hektar des „Bobësch“ gefällt werden. Die Rodung betrüge dabei genauso viel wie bei der ursprünglichen Form des Projekts im Jahr 2016. Wie viele Hektar neuer Bäume gepflanzt werden sollen, wird in der Regierungsverordnung nicht präzisiert. Nach der Ausdehnung soll das Schutzgebiet laut Verordnung insgesamt bis zu 303 Hektar betragen.

Dies würde jedoch den Status des Waldes ändern und Bewertungen zu den negativen Auswirkungen der Trasse nichtig machen, so die NGOs. Denn: Vergangene Bewertungsstudien berücksichtigten die nun anerkannte „hohe Bedeutung“ des Waldes nicht, mit der jetzt eine Ausdehnung des Naturschutzgebiets begründet wird. Zunächst „einen Großteil des betroffenen Lebensraums zerstören, um in einer zweiten Phase den mageren Rest nachträglich als Natura2000-Gebiet zu deklarieren“ sei „in totalem Widerspruch“ mit der EU-Habitatrichtlinie zum Naturschutz, warnen die Organisationen deshalb am 22. Februar in einem Brief an die EU-Kommission. Ein Naturschutzgebiet, „das die ökologischen Kriterien der Richtlinie erfüllt, kann nicht im Hinblick auf ein Straßen-Projekt maßgeschneidert werden“, so die NGOs.

Ohne Rücksicht auf Bevölkerungsmeinung

Zudem hat die Regierung zwei öffentliche Befragungen zu diesen Kompensationsmaßnahmen begonnen. Interessierte können ihre Vorschläge zu den Abholzungen und der nachträglichen Ausdehnung des Naturschutzgebietes bis zum 17. April über das „Portal des enquêtes publiques“ einreichen. Dass das Umweltministerium das Projekt jedoch schon genehmigt hat, ohne auf das Ergebnis dieser beiden Befragungen zu warten, zeige, wie wenig die Regierung auf die Meinung der Bevölkerung setze, kommentieren die NGOs das Verfahren.

Sie fordern die Ausdehnung des Naturschutzgebiets schon vor den Bauarbeiten zu genehmigen und die Prozedur erneut zu beginnen. Die Regierung solle bis dahin ihre Genehmigung zurückziehen, zumal das Projekt unberechtigt sei. Die Notwendigkeit der neuen Straße zu rechtfertigen war schon für die vergangene Regierung schwierig (woxx 1383). Ursprünglich war das Argument für den Bau der Umgehungsstraße die hohen Stickstoffoxid-Werte in Bascharage, die im Jahre 2016, in dem das Projekt in die Wege geleitet wurde, über dem europäischen Grenzwert lagen. Seit 2019 liegen die Werte jedoch darunter. Und für eine Erleichterung des Verkehrs gibt es laut den NGOs mehrere Alternativen: Entweder über schon existierende Trassen oder mit bekannten Varianten des Projektes, die den Wald weniger beeinträchtigten – allen voran der umweltfreundlicheren Null-Plus-Variante (woxx 1726).

Keine von diesen Alternativen habe die Regierung bisher anständig in Betracht gezogen, kritisieren die Organisationen. Infolge der Genehmigung hat die Oppositions-Partei Déi Lénk in Sanem diese Woche eine Resolution eingereicht, um das Projekt auf die Tagesordnung einer Gemeinderatssitzung an diesem Freitag, dem 22. März, zu setzen. Mit der Genehmigung des Umweltministeriums könnte die Abholzung des Waldes im Oktober 2024 beginnen.

 


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