Wasserversorgung: Der Preis des Marktes

Die Wasserversorgung ist eine Herausforderung für Luxemburg. Vor 20 Jahren wurde beschlossen, auf Marktmechanismen zu setzen – gegen jede Vernunft. Ein Rückblick.

Tenside und Fischschuppen im Abwasser – warum es keine Preiswahrheit für Melusina gibt. (eau.gouvernement.lu/fr/services-aux-citoyens/Drenkwaassercampagne.html)

Eine „große Herausforderung“ stelle der Quellenschutz dar, so Carole Dieschbourg auf der Pressekonferenz zum internationalen Weltwassertag am 22. März. Die Umweltministerin informierte über die Probleme beim Grundwasser und der Versorgung mit Trinkwasser. Durch den Klimawandel fällt in Luxemburg im Durchschnitt weniger Regen und der Grundwasserspiegel sinkt – bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum. Außerdem führt die Belastung durch Nitrat- und Pestizidrückstände dazu, dass etwa 100 Quellfassungen derzeit nicht mehr genutzt werden. Zugutehalten kann sich Dieschbourg die Ausweisung von Schutzzonen, in denen die landwirtschaftlichen Aktivitäten strenger geregelt sind.

Doch auch wenn es so klingt, als würden sie gerade entdeckt, Herausforderungen im Bereich Trinkwasser sind nicht neu. Jahrzehntelang lagen die Pläne für die Ausweisung von Wasserschutzgebieten in den ministeriellen Schubladen. Klar war auch, dass eine ganzheitliche Wasserpolitik die beste Garantie für eine nachhaltige Versorgung mit Trinkwasser ist. Doch gehandelt wurde nicht, in erster Linie um politische Konflikte mit der Landwirtschaft zu vermeiden. Dann, vor 20 Jahren, zwang die Wasserrahmenrichtlinie (WRR) der EU mit ihren Vorgaben zu Wasserqualität und Kostenwahrheit die Politik dazu, sich mit den Problemen zu befassen.

Was folgte, war ein Trauerspiel. Große Teile der Umweltbewegung begeisterten sich für die in der WRR vorgesehene „Preiswahrheit“. Die lobenswerterweise von der EU vorgeschriebene Verbesserung der Wasserqualität war ein Randthema, die von der Wirtschaftslobby gewollte Verwandlung der Lebensgrundlage Wasser in eine Ware rief keinen Widerspruch hervor. Umweltschützer*innen begrüßten das Ende des billigen Wassers als eine Würdigung dieser natürlichen Ressource, nach dem Motto: Nur was kostet, wird auch wertgeschätzt. Darüber hinaus waren sie fasziniert von der Vorstellung, Marktmechanismen und Preissignale würden kurzfristig der Verschwendung und Verschmutzung ein Ende bereiten. Preiserhöhungen, so der Glaube, brächten die Bürger*innen dazu, ihren Verbrauch zu reduzieren. Besser noch: Gemeinden und Syndikate, durch die „Preiswahrheit“ daran gehindert, das Trinkwasser weiter zu subventionieren, gerieten unter den Druck der unzufriedenen Bevölkerung. Sie würden dann Kläranlagen bauen, Wasserschutzgebiete ausweisen und Quellfassungen wiederherstellen, um den Wasserpreis zu senken.

Das alles war, wie die heutige Situation zeigt, nur ein feuchter Traum. Die Anwendung der Marktlogik auf Bereiche der Daseinsvorsorge ist bereits an sich problematisch, doch im Falle Trinkwasser geht die Rechnung vorne und hinten nicht auf. Ginge es nämlich nach den verursachten Kosten, so müsste man statt des verbrauchten Trinkwassers das Abwasser taxieren, gestaffelt nach Verschmutzungsgrad. Weil die meisten Kosten beim Haushaltsverbrauch auf die Infrastrukturen entfallen, sind die Preissignale nur für die unterste Einkommenskategorie überhaupt spürbar. Die unter anderem in der woxx befürwortete Option einer progressiven Bepreisung hingegen gilt als WRR-inkompatibel.

Preiswahrheit beim Trinkwasser, diese Rechnung ging vorne und hinten nicht auf.

Im Rückblick haben „Preissignale“ nur bei der Modernisierung der Kläranlagen nach 2013 funktioniert. Allerdings handelt es sich dabei nicht um Marktpreise, sondern um von der EU verhängte Strafzahlungen in Millionenhöhe. Verwaltungen und Politik waren nämlich so mit der Diskussion um den einzig wahren Wasserpreis beschäftigt, dass sie es versäumten, überfällige Projekte bei Kläranlagen umzusetzen – ein Rückstand, der immer noch nicht aufgeholt ist. Auch andere Entscheidungen dürften von Preissignalen beeinflusst worden sein, doch nicht im Sinne einer ganzheitlichen Wasserpolitik. Denn offenbar ist es für Gemeinden und Syndikate teurer und komplizierter, Quellfassungen zu sanieren und Schutzgebiete auszuweisen, als einfach fuderweise Trinkwasser aus dem Stausee zu ordern.

Jammern über die Herausforderungen der Wasserversorgung ist fehl am Platz. Die Politik ist dabei, ihre an den Markt delegierte Verantwortung wieder zu übernehmen. Es gilt, die Lehren aus dem „Wasser als Ware“-Irrweg zu ziehen – auch für andere Bereiche, in denen es ums Allgemeinwohl geht.


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