Jagdreform: Pflichten und Rechte

Wird der seit fast zehn Jahren diskutierte Gesetzentwurf zur Jagd auf der Zielgeraden noch aus der Bahn geworfen?

Wieviele Minister braucht man, um das Jagdgesetz zu reformieren? Derzeit sieht es so aus, als ob es dem dritten Mann auf dem Posten, dem delegierten Umweltminister Marco Schank, gelingen könnte, das Werk seiner beiden Vorgänger zu Ende zu bringen. Es liegt nun ein Gesetzentwurf vor, der für die meisten Interessierten einen akzeptablen Kompromiss darstellt. Außer für die Jägerföderation, die fordert, an entscheidenden Punkten nachzubessern.

Würde der jetzt vorliegende Text noch einmal grundsätzlich in Frage gestellt, dann würde die im Herbst anstehende, für neun Jahre gültige Revierverteilung nach der jetzigen Gesetzeslage vorgenommen. Jene Grundeigentümer, die die Jagd ablehnen, müssten den Ausschluss aus dem Jagdlos einzeln einklagen, obwohl schon 2007 vom Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte eine Grundsatzentscheidung in ihrem Sinne getroffen worden war. Außerdem wäre es gut möglich, dass der Gesetzentwurf, wie schon zuvor gegen Ende von Lux‘ Mandat, wieder in der Schublade verschwindet. Verständlich, dass die Grünen – die treibende Kraft während der parlamentarischen Prozedur – auf eine schnelle Annahme des Gesetzes, das ein Opt-out für Jagdgegner vorsieht, drängen. Dies, obwohl sie nicht in allen Punkten mit dem Text einverstanden sind. Ihr Dilemma drückte sich in der Ankündigung aus, man werde sich bei der Abstimmung enthalten.

Sieht man sich den im Tageblatt veröffentlichten Leserbrief der militanten Tierschützerin Yvette Wirth an, so versteht man die Schwierigkeiten der Öko-Partei. Das Gesetz respektiere das europäische Urteil nicht, so Wirth, weil weiterhin Hunde das Wild auf den Opt-out-Parzellen aufstöbern können, und weil die Möglichkeit vorgesehen ist, dass der Staat auf diesen Grundstücken eine „chasse administrative“ organisiert. Doch auch weniger radikale Tierschützer üben Kritik. In der Tat verbietet das Gesetz die Fütterung, erlaubt aber die „Lockfütterung“ von Wild – ob sich damit das viel kritisierte „Mästen“ der Bestände verhindern lässt, ist fraglich.

Doch dem Unmut bei den Jagdkritikern steht eine Art Weltuntergangsstimmung bei den Jägern gegenüber. „Die Jagd ist ein kultureller Wert, der Nachhaltigkeit schafft“, dichteten der Präsident der Jägerföderation Georges Jacobs und seine beiden Amtsvorgänger in einer ganzseitigen Anzeige im Luxemburger Wort vom vergangenen Samstag. Krankheiten, Wildschäden und „Verlust der Biodiversität“ werden vorausgesagt, wenn durch die Opt-outs von Jagdgegnern die „flächendeckende Bejagung“ verhindert würde. Das jüngste Urteil des Straßburger Gerichts – in erster Instanz zugunsten der deutschen Jägerschaft – nimmt die Föderation zum Anlass, eine grundlegende Änderung des Gesetzentwurfs zu fordern: die Aufgabe der „absurden Ausnahmeregelung zugunsten der ethischen Jagdgegnerschaft“.

In der Tat ? sollte dieses neue Urteil bestätigt werden, so könnte, anders als die Jagdkritiker behaupten, das Urteil von 2007 hinfällig werden. Dazu wäre allerdings das neue Gesetz so abzufassen, wie es die Föderation vorschlägt: Die Jagd müsste als Realisierung eines öffentlichen Interesses definiert werden. Das jüngste Urteil befand nämlich, dass in diesem Falle die Jagd auf den Parzellen von Jagdgegnern zumutbar sei.

Doch eine solche Änderung des luxemburgischen Gesetzes ist nicht zwingend. Im derzeit vorliegenden Entwurf heißt es, die Ausübung der Jagd müsse dem öffentlichen Interesse entsprechen, und nicht, sie realisiere das öffentlichen Interesse. Die Anliegen von Grundbesitzern, die die Jagd ablehnen, müssen nach dieser Fassung stärker berücksichtigt werden, was durch die im Gesetzentwurf enthaltene Möglichkeit des Opt-out umgesetzt wird. Der vorliegende Text ist also, anders als die Föderation behauptet, durchaus kohärent. Er stellt eine politische Entscheidung dar, die Jagd als – stark kontrollierte – Freizeitaktivität zu betrachten, und nicht als Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe. Eine Sichtweise, die vielen traditionellen Jägern nicht behagt, die aber auch manchen Jagdgegnern suspekt erscheinen wird.


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