Labestreit in Luxemburg: Über ein Siegel, das nachhaltig erwirtschaftetes Holz auszeichnet, konnte sich die Regierung nicht einig werden. Nun wirbt Boden für das eine und Lux für das andere.
Es kommt schon einmal vor, dass Landwirtschaftsminister Fernand Boden und Umweltminister Lucien Lux unterschiedlicher Meinung sind. In diesem Fall machen sie daraus auch keinen Hehl. Im Gegenteil: Der Zwist ist sozusagen schwarz-rotes Koalitions-Programm. Im Oktober vergangenen Jahres beschloss die Regierung nämlich, den Luxemburger Staatswald doppelt zu zertifizieren und ihn mit den beiden Holzlabels FSC und PEFC zu versehen.
Hinter dem FSC (Forest Stewardship Council) steht das Umweltministerium, während das Landwirtschaftsministerium das PEFC (Pan-European Forest Certification) unterstützt. So kam es, dass Lucien Lux „seinen“ Favoriten am Dienstag vor einer Woche in Belvaux vorstellte. Fernand Boden hatte seinerseits die Nase vorn und bereits 14 Tage zuvor die Gemeinde Mersch auserwählt, um dort über die Waldzertifizierung nach PEFC zu informieren.
Es sei sinnvoller gewesen, „dat jidfereen säi Match mecht“, lautete in Belvaux Lucien Lux knappe Erklärung zur Lage. Hätte er seinen Kollegen Boden davon überzeugen wollen, dass einzig das FSC das richtige Label ist, hätte der Luxemburger Wald noch lange warten müssen, fügte Lux augenzwinkernd hinzu. Als Landwirtschaftsminister sei er für die wirtschaftlichen Aspekte der Forstwirtschaft und für den Privatwald zuständig, hatte hingegen Boden in Mersch erläutert, deshalb unterstütze er den PEFC.
Dennoch: Einen Religionskrieg wolle man aus der Sache nicht machen, bekräftigte der Umweltminister. Ein frommer Wunsch, denn auch er weiß um den seit Jahren tobenden Label-Streit im Ausland. Während Umweltverbände das FSC-Siegel Anfang der 90er Jahre im Anschluss an den Umweltgipfel in Rio ins Leben riefen, geht die PEFC-Gründung im Jahre 1999 auf die Initiative der WaldbesitzerInnen zurück. „Es war eine Reaktion auf den FSC“, bestätigt Michèle Thinnes, Forstexpertin bei der PEFC asbl. Die Vereinigung mit Sitz in der Stadt Luxemburg ist gleichzeitig auch der Sitz des internationalen PEFC-Labels. Flächenmäßig liegt dieses Siegel klar in Führung: Rund 122 Millionen Hektar Wald tragen derzeit ein PEFC-Zertifikat, der FSC kann für sich bislang 40 Millionen Hektar verbuchen.
Zahlreiche Gutachten und Studien zeugen indessen vom jahrelangen Streit, welches der beiden Label denn nun die nachhaltigere Forstwirtschaft vorschreibe. Ein Streit, der sich meist auf Experten-Ebene abspielt. In der Tat liegen – rein forstwirtschaftlich betrachtet – die Unterschiede zwischen beiden Zertifikaten im Detail. „Das FSC stellt höhere ökologische Ansprüche“, sagt Claude Origer, Conseiller de Direction adjoint im Umweltministerium. Das sei auch der Hauptgrund dafür, dass sich der Umweltminister hinter dieses Label stellt. Ob es um den Einsatz von Pestiziden oder die Erlaubnis für einen Kahlschlag geht, der FSC gibt in der Tat meist deutlich restriktivere Richtlinien vor, während der PEFC dem Förster mehr Spielraum lässt. „Wir orientieren unsere Richtlinien an den bestehenden Gesetzen“, betont Michèle Thinnes, „zu hohe Standards sind kontraproduktiv, Forstwirtschaft muss rentabel bleiben.“
Lässt sich der Streit also auf den altbekannten Gegensatz „ökologische Ansprüche contra privatwirtschaftliche Interessen“ reduzieren? Zumindest was Luxemburg betrifft, scheint dies nicht ganz zu stimmen. Denn sowohl Umweltministerium als auch Umweltverbände bezeugen dem PEFC trotz lockererer Richtlinien hohe Qualitätsansprüche. „Auch nach PEFC-Standards ist eine nachhaltige Waldwirtschaft möglich“, räumt Paul Ruppert, der Luxemburger Koordinator für das FSC-Label, ein.
Ohnehin scheint sich das Problem einer zu intensiven Waldausbeutung im meist klein strukturierten Luxemburger Forst weniger zu stellen. „Bei uns ist eigentlich nahezu der gesamte Wald fit für eine anspruchsvolle Zertifizierung“, so Claude Origer. Umso unverständlicher ist es, dass man sich partout nicht auf ein einziges landesweites Holzlabel einigen konnte.
In diesem Punkt sind sich Michèle Thinnes und Paul Ruppert einig: Es sei die „fundamental unterschiedliche Rangehensweise“ der beiden Labels, die eine Annäherung verhindert. Bei der Ausarbeitung der Kriterien des FSC werden die Aspekte „ökologisch“, „sozial“ und „ökonomisch“ gleich gewichtet und dementsprechend dürfen von Umweltschutzverbänden bis zu Jagdverbänden oder Gewerkschaften alle gleichberechtigt mitreden. Auch in Konfliktfällen werden die betroffenen Organisationen gehört. „Viele private Besitzer haben Angst, nicht mehr Herr im eigenen Wald zu sein“, fasst Michèle Thinnes zusammen. „Sie sind herzlich eingeladen, bei uns Mitglied zu werden“, schlägt Paul Ruppert vor. „Fakt ist, dass sie das nicht wollen“, kontert Michèle Thinnes. „Dasselbe gilt umgekehrt, wenn wir die Umweltverbände einladen, bei uns mitzumachen.“
Wer macht das Rennen?
Der Einladung vom PEFC ist der Mouvement Ecologique tatsächlich nicht gefolgt. „Der Méco stand von Anfang an für das FSC“, sagt Paul Ruppert, „und wir hatten das Gefühl, dass wir nur alibimäßig hätten mitreden dürfen, denn eine paritätische Besetzung der Gremien gibt es beim PEFC nicht.“
Fest steht: Beide Labels sind unwiderruflich lanciert und es bleibt nun den Waldbesitzern überlassen, sich zu entscheiden. Das Umweltminsiterium lockt die Gemeinden mit einem Zuschuss von 50 Prozent der etwas höher liegenden Zertifizierungskosten des FSC. Die privaten Waldbesitzer können ihrerseits bei der Zertifizierung auf die Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums zählen.
Derzeit ist das Rennen zwischen beiden Labels untentschieden: Jeweils etwas über 13.000 Hektar Wald sind FSC- beziehungsweise PEFC-zertifiziert. Von den über 40.000 Hektar Privatwald sind allerdings bislang nur etwas über 2.000 Hektar PEFC-zertifiziert. Andererseits gehört, da in Luxemburg der PEFC organisatorisch die Nase etwas vorn hat, beim PEFC der Staatswald mit seinen 9.000 Hektar bereits dazu. Und dieser Wald wird, wie es der Regierungsbeschluss vorsieht, doppelt zertifiziert werden. Man will in dieser Frage, das betonen sowohl Boden wie auch Lux, auf Regierungsebene eben neutral bleiben. Mit einer Summe von jährlich etwa 10.000 Euro halten sich die Kosten für das doppelte Label-Vergnügen in Grenzen. Ob es sinnvoll ist, zweigleisig zu fahren, ist dennoch fraglich.