Die jüngsten Überschwemmungen erinnern an die Notwendigkeit von Präventivmaßnahmen. Die aber häufig daran scheitern, dass Grundbesitzer*innen dafür ein paar Quadratmeter Bauland opfern müssten.
Ist Carole Dieschbourg eine „Realo“, wie man früher sagte? Das bezeichnet grüne Politiker*innen, die Probleme „realistisch“ angehen … oder, je nach Sichtweise, „zu realistisch“. Von Angstmache als grüner Werbestrategie hält die Umweltministerin jedenfalls nichts. „Schon in den 1950ern und 1990ern gab es extreme Wetterereignisse“, stellte sie bei der Pressekonferenz diesen Donnerstag klar. Dieschbourg präsentierte die „Anpassungsstrategie an die Auswirkungen des Klimawandels“, dies vor dem Hintergrund der rezenten Starkregen und Überflutungen.
Keine Panikmache, aber eine Warnung: „Wir wissen, dass die Häufigkeit solcher extremen Wetterereignisse zunehmen wird“, so Dieschbourg. Deshalb sei es notwendig, Vorsorge zu treffen, sowohl durch eine bessere Einschätzung der Risiken als auch durch Gegenmaßnahmen. Neben dem Problem „Zunahme lokaler Starkniederschläge“ hat das Umweltministerium 40 weitere Varianten der Klimafolgen auf ihre Relevanz für Luxemburg untersucht, zum Beispiel die Veränderung der Artenzusammensetzung in den Wäldern.
Schon wieder ein Jahrhundertregen
Die Hydrologie-Expertin des Wasserwirtschaftsamts Christine Bastian stellte im Detail die Studien zu den Überschwemmungen von Juni 2016 und 2018 vor. Die Regenmenge habe stellenweise binnen kurzer Zeit etwa zehn Prozent des mittleren Jahresniederschlags erreicht – „eigentlich eine völlig verrückte Quantität“, so die Expertin. Man habe die Überschwemmungen von 2016 als „Jahrhundert- ereignisse“ eingestuft. Allerdings müsse man bei steigender Häufigkeit auch solche Einstufungen neu berechnen, denn: „Ein solches Ereignis sollte ja theoretisch nur alle 100 Jahre ein Mal vorkommen.“
Mit der Modernisierung des Wassergesetzes, so Dieschbourg, habe man auf die Überflutungen von 2016 reagiert. So wurden die staatlichen Beihilfen für Renaturierung und vorbeugende Maßnahmen gegen Hochwasser erhöht – „weil diese Entscheidungen bisher oft hinausgeschoben wurden“, so die Ministerin. Grundsätzlich sollte man das Bauen in Hochwassergebieten vermeiden. Dieschbourg weiß, dass dies ein heikles Thema ist: „Wir wollen Bauvorhaben nicht in jedem Fall verhindern“, betonte sie. Aber die Bauweise müsse an die Risiken angepasst und das Schadenspotenzial, insbesondere für andere Personen, begrenzt werden.
Ob Ausgleichs- und präventive Maßnahmen nicht besser ganz durch die öffentliche Hand organisiert werden sollten, lautete eine Journalistenfrage – nicht unplausibel angesichts des beim Biotopschutz eingeführten Kompensationssystems. Dieschbourg gab sich eher ablehnend: „Statt überall Grundstücke zu kaufen, wollen wir die Leute sensibilisieren.“ Und verwies auf die Solidarität, die sich angesichts der Berichte über die Überschwemmungen manifestiert habe: „Diese Solidarität muss erhalten bleiben, wenn es künftig um Renaturierungen und den Ausgleich von Rückhaltevolumen geht.“ Auch wenn dabei Privatleute und Bauherren auf ein paar Quadratmeter Bauland verzichten müssten.
Ganz zahnlos ist die Ministerin allerdings auch nicht: „Wir werden alles genau prüfen, bevor wir eine wasserrechtliche Genehmigung erteilen.“ Weil Dieschbourg Realistin ist, dürften in den Verhandlungen mit Bauherren und Gemeinden am Ende doch Kompromisse das Ergebnis sein. Aber sie scheint gewillt, eine gewisse Strenge walten zu lassen … Ob die oder der Minister*in der im Herbst zu bestimmenden Regierung das auch so angehen wird?