Fusion FNCTTFEL-OGBL: Schluckimpfung

Vierzig Jahre nach dem Versuch, eine Einheitsgewerkschaft zu etablieren, tritt der Landesverband dem OGBL bei. Auf Probe und teilweise.

Schon jetzt eine Einheit und in Beton gegossen: Das Casino syndical mit der daran angebauten, vom OGBL geführten Chambre de ssalarié-e-s. (Foto: woxx)

Transparenz sieht anders aus: Gerade mal drei Tage vor dem außerordentlichen Kongress am vergangenen Montag, hatte die Verbandsleitung der Fédération nationale des chemnots, des travailleurs du transport, fonctionnaires et employés du Luxembourg (FNCTTFEL-Landesverband) den Delegierten den genauen Wortlaut des bis dahin verhandelten Abkommens zu einer vorläufigen Fusion mit dem Onofhängege Gewerkschafstbond Lëtzebuerg (OGBL) zugestellt. Presse und Öffentlichkeit müssen sich auch weiterhin mit mündlichen Erklärungen zufriedengeben.

Der knappe Zeitrahmen ist allerdings kaum der Tatsache geschuldet, dass die beiden Gewerkschaften erst seit kurzem miteinander liebäugelten und sich nun auf einmal Hals über Kopf auf ewig aneinanderbinden wollen. Einen Kooperationsvertrag zwischen den beiden Organisationen gibt es bereits seit 2011. Den formellen Beschluss zu einer intensiveren Zusammenarbeit hatte der 66. Ordentliche Kongress am 14. Oktober 2017 gefasst.

Der hohe Grad an Geheimhaltung ist daher wohl vor allem darauf zurückzuführen, dass sich die Gewerkschaftsleitung der Zustimmung des Kongresses nicht unbedingt sicher war. Als Ende der 1970er-Jahre der Lëtzebuerger Aarbechterverband (LAV) die anderen Gewerkschaften dazu einlud, einen großen Gewerkschaftsbund zu schaffen, traten zwar Teile der Privatbeamt*innengewerkschaft oder etwa die bis dahin unabhängige Lehrer*innengewerkschaft FGIL dem neugegründeten OGBL bei, doch ausgerechnet die Mitglieder der „linken“ Brudergewerkschaft FNCTTFEL versagten ihre Zustimmung.

In der Folge wurde freilich weiterhin in der gemeinsamen Dachorganisation Confédération générale du travail kooperiert, aber es gab auch immer wieder Reibungspunkte zwischen dem „Verband“ und dem über Jahrzehnte von John Castegnaro geführten OGBL. In vielen sozialen Fragen gab sich die Eisenbahnergewerkschaft, der allerdings auch Staats- und Gemeindebedienstete oder etwa private Angestellte aus dem Transportsektor angehören, etwas kampffreudiger, aber auch basisdemokratischer als der große Bruder. Gerade am Anfang der 1980er-Jahre war es der Landesverband, der gegen die Abschaffung des Index Druck machte und nicht unwesentlich zum großen Streik von 1982 beitrug – zu dem dann die beiden linken Gewerkschaften gemeinsam aufriefen.

Mitte der 1990er-Jahre wurde der Ton dann wieder etwas rauer. Als die schwarz-rote Koalition sich daran setzte, die Pensionen der Staatsbeamt*innen (und damit auch die der an sie angelehnten Eisenbahner*innen) dem Privatsektor anzugleichen, war es mit dem Gleichklang der beiden Gewerkschaften vorbei. Das eigens für mehr Rentengerechtigkeit geschaffene Aktionskomitee „5/6 Pensioun fir jiddereen“, das die CSV-LSAP Koalition dazu angetrieben hatte, die Renten zu reformieren, meldete 1998 „mission accomplie“. Das Komitee hatte schon bei den Wahlen zuvor vorsorglich den Namen in „Aktiounskomitee fir Demokratie a Rentegerechtegkeet“ umgeändert. Das Versprechen, Renten in Höhe von fünf Sechsteln des Endgehalts, wie beim Staat üblich, für alle zu erstreiten, war nämlich nicht eingelöst worden. Nivelliert wurde einmal mehr nach unten.

Ein paar Jahre später kam es dann zu einem offenen Konflikt zwischen Verband und OGBL, als der Sektor der privaten Transportarbeiter (ACAL) beschloss, samt Zentralsekretär zum OGBL zu wechseln. Die Art und Weise, wie der OGBL hier Nägel mit Köpfen machte, hinterließ beim Verband nachhaltige Wunden. In den darauffolgenden Sozialwahlen traten FNCTTFEL und OGBL in einigen Bereichen sogar mit konkurrierenden Listen an. 2011 wurde dem dann mit dem erwähnten Kooperationsvertrag ein Ende gemacht.

Doch der Verband von 2019 ist mit, je nach Lesart, 5.000 bis 6.000 Mitgliedern, von denen grosso modo etwa die Hälfte Pensionierte sind, längst nicht mehr die erprobte Kampftruppe der 1980er. Die tägliche gewerkschaftliche Kärrnerarbeit verlangt Ressourcen, die es eher in einer großen Gewerkschaft gibt, sodass die Notwendigkeit einer Fusion kaum noch angezweifelt wurde. Es bleibt das „wie“, und das wiederum wird eben auch durch das Kleingedruckte im gemeinsam verhandelten Abkommen bestimmt.

Geheimes Dokument, aber keine geheime Wahl

Weniger vertraulich als der Umgang mit dem Dokument war allerdings die Stimmabgabe darüber: Es wurde per Handzeichen abgestimmt. Das Ergebnis von 76,19 Prozent Zustimmung bei 17,14 Prozent Gegenstimmen und 6,67 Prozent Enthaltungen gilt es also zu relativieren. Es stellt sich die Frage, ob eine geheime Abstimmung, die es jedem einzelnen Delegierten überlassen hätte, nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden, die Legitimität des Prozesses nicht erhöht hätte – selbst wenn das Ergebnis knapper ausgefallen wäre. Die Delegierten stimmten ja nicht als Mandatar*innen ihrer jeweiligen Unterorganisationen ab, in welchem Fall sie einen vorher durchdiskutierten Beschluss zu vertreten hätten, sondern wurden über das Verhandlungsergebnis erst unmittelbar vor dem Kongress informiert.

Der Beschluss sieht eine Probezeit von Juli nächsten Jahres bis ins Jahr 2024 vor. Dabei werden jene Verbandsmitglieder, die bei der Eisenbahn oder einer deren Tochtergesellschaften arbeiten, zunächst zwar formal dem neu geschaffenen Berufssyndikat OGBL-FNCTTFEL-Landesverband eingegliedert, ihre Mitgliedsbeiträge fließen aber vorerst weiter an den Verband, der diese dann dem OGBL überweist. Anders als sonst beim OGBL üblich, werden zudem die zahlreichen pensionierten ehemaligen Eisenbahnangestellten nicht der Rentnersektion zugeordnet, sondern verbleiben im neuen Transportsyndikat.

Alle anderen Verbandsmitglieder, die in die Syndikate des OGBL integriert werden, zahlen ab Juli ihre Beiträge direkt an den OGBL. Der Verband bleibt aber formell Arbeitgeber der hauptamtlichen Mitarbeiter*innen und erhält dafür ein entsprechendes Budget seitens des OGBL.

Nicht im vorläufigen Fusionspaket befindet sich die Kooperative „Casino syndical“ und die Mutualitätskasse des Verbandes. Die Kooperative verwaltet die Liegenschaften der Gewerkschaft und jedes Verbandsmitglied ist offiziell auch Mitglied der Kooperative. Seit der Aufgabe der „Bouneweeger Kooperativ“ und der Vermietung der Räumlichkeiten an die Cactus-Kette, steht die Vermögensgesellschaft der Gewerkschaft wieder etwas besser da. Doch der teure Umbau des Casino dürfte die Reserven der Gesellschaft massiv angeknabbert haben. Wie der Verband gibt sich auch der OGBL in Sachen Eigenkapital nicht unbedingt sehr transparent, geht es doch auch darum, bei eventuellen Arbeitskämpfen nicht preisgeben zu müssen, wie lange die Streikkasse tatsächlich reichen wird.

Die merkwürdigen Sondervereinbarungen versüßen zwar, wie bei einer Schluckimpfung, die unvermeidbare Prozedur und lassen formell eine Wiederabnabelung noch als möglich erscheinen. Über die endgültige Fusion 2024 hinaus werden sie aber kaum Bestand haben. Dann werden seit dem erklärten Kooperationswillen 13 lange Jahre vergangen sein, der OGBL wird sich den nicht immer bequemen Mitstreiter definitiv einverleibt haben und der Landesverband nach 105 Jahren Geschichte sein.


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