Tripartite-Gesetz: Endspurt

Während sich die Kritiken am Gesetz zum Tripartite-Abkommen von Ende März häufen, läuft die Zeit davon.

© SIP/Jean-Christophe Verhaegen

„Dass das Ergebnis der jüngsten Tripartite vielleicht nicht der ganz große Wurf für den Sozialstaat Luxemburg ist, weiß auch die CGFP“, liest man in der „Fonction publique“ vom vergangenen Freitag. Das vom Generalsekretär der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes signierte Editorial klingt streckenweise wie eine Entschuldigung an die eigene Mitgliedschaft, fungiert die CGFP doch als Mitunterschreiberin im Titel des Gesetzesprojektes mit der runden Nummer 8000. In den Genuss besonders leicht zu memorisierender Nummern kommen in der Regel besonders wichtige Gesetze, wie etwa das jährlich vorgelegte Budget.

Als die Regierung, kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, die Mitglieder der Tripartite zur Klausur einberief, war der Wunsch nach Solidarität und Zusammenstehen vor dem kriegerischen Grauen und den wirtschaftlichen Folgen so stark, dass auf schnelles Handeln gedrängt wurde.

Doch einer spielte den Spielverderber und verweigerte die Unterschrift, nicht zuletzt, weil er das von allen hochgehaltene Prinzip der automatischen Indexanpassung verletzt sah und den dafür vorgesehenen Ausgleich als unzureichend erachtete. Mittlerweile sieht der OGBL sich nicht mehr allein auf weiter Flur, sogar die Piraten stellen sich inzwischen per „sponsored content“ auf seine Seite.

Die anfangs nicht ganz glückliche Kommunikation des OGBL bezüglich seiner Weigerung fand inzwischen eine Ergänzung in Form eines umfangreichen Gutachtens der Salariatskammer. Das Gutachten enthält auch das Minderheitsvotum des LCGB, der sich weiterhin für das Abkommen ausspricht, auch wenn er auf mögliche Nachbesserungen, die schwer vorhersehbaren politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen geschuldet sind, hinweist.

Vier Wochen nachdem der Gesetzesvorschlag 8000 eingereicht worden war, erging am vergangenen Freitag auch das vielfach herbeigesehnte Gutachten des Staatsrates. In immerhin sportlichem Tempo, jedoch war die Politik während der Corona-Krise auch schon mal schnellere Arbeitszyklen gewohnt, was allerdings der Qualität der Arbeit nicht immer zugutekam. Auch diesmal beschwert sich der Staatsrat, dass ihm nicht genug Zeit zur Verfügung stand, um etwa für alle von ihm in Frage gestellten Teilpunkte Gegenvorschläge unterbereiten zu können.

Dass man sich am Ende die nötige Zeit nicht nehmen konnte, liegt am Gesetz selbst: Es muss in Kraft treten, bevor eine nächste Indextranche erfällt. Und das soll, statt im August, schon im nächsten Monat passieren.

Zahmer Staatsrat

Dafür müssen aber zunächst die „oppositions formelles“ des Staatsrates ausgeräumt werden. Die beschränken sich auf den Teil des Paketes, das sich mit den Mitzuschüssen befasst. Zum Glück könnte man meinen, denn dieser Teil des Paketes soll sowieso, so der Wunsch des Staatsrates, in ein eigenes Gesetz ausgelagert werden. Ein Vorschlag, dem die parlamentarische Mehrheit in einer Sonderkommissionssitzung am Dienstag denn auch gleich zugestimmt hat.

Aber auch in den restlichen Dispositionen des Abkommens und auch hinsichtlich der umstrittenen Frage, ob das Aussetzen mehrerer Indextranchen bis ins Jahr 2024 – deren Zahl riskiert höher auszufallen als anfangs angedacht – drückt der Staatsrat seine Bedenken aus. Aber eben ohne opposition formelle, was heißt, dass er sich einem Inkrafttreten dieser Regelungen, selbst wenn nicht alle Bedenken ausgeräumt sind, nicht widersetzen wird. Ansonsten wäre ein dann obligatorisches zweites Votum durch die Chamber frühestens nach drei Monaten nötig – zu spät, um die nächste Indextranche stoppen zu können.

Die Opposition, die sich zwar teilweise mit dem Abkommen einverstanden erklärt hatte, entdeckt derweil weitere Unstimmigkeiten – etwa im Bereich der Steuerkredite, bei denen sie Alleinverdiener*innen gegenüber Paaren, die über zwei Einkommen verfügen, benachteiligt sehen.

Jetzt sollen die Sozialkammern noch einmal in der Sonderkommis- sion gehört werden, was angesichts des gesteckten Zeitrahmens knapp werden dürfte, sofern es sich nicht um reine Höflichkeitsbesuche handeln soll.

Da Ende Juni auch noch die aktuelle Corona-Gesetzgebung ausläuft, stellt sich ein gewisses Déjà-vu-Gefühl ein: An Abstimmungen von 31:29, spät abends und dem gegenseitigen Vorwurf ein so schön rundes Gesetz vermasselt beziehungsweise nicht einstimmig verabschiedet zu haben.


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