„Ja, Nein, Vielleicht“ zu Ausländer*innen und ihrem Wahlrecht

Das „Comité de liaison des associations d’étrangers“ (Clae) lädt am Wochenende zum „8e congrès des associations issues et héritières de l’immigration“ ein. Thema ist unter anderem das Ausländer*innenwahlrecht. Rezente Umfragewerte der Asti dazu, deuten grundsätzlich auf Unentschlossenheit hin.

„Ausländer müssen nach einer gewissen Aufenthaltsdauer das Wahlrecht bei Parlamentswahlen erhalten“ – so lautet eine der Aussagen, auf die die 1.119 Ortsansässige reagieren sollten. Insgesamt stimmten 52 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen der Äußerung zu. Die Luxemburger*innen bejahten zu 43 Prozent, die Luxemburger*innen mit doppelter Nationalität zu 60 Prozent und die nicht-wahlberechtigten Ausländer*innen zu 62 Prozent. Die Affirmation der Wahlberechtigten steht im Widerspruch zum Ergebnis des Referendums von 2015, bei dem 78 Prozent das betreffende Wahlrecht für Ausländer*innen ablehnten. Diese auf den ersten Blick positive Entwicklung passt zur Wahrnehmung des Clae-Präsidenten Sosthène Lembella Menga, dass sowohl die Bevölkerung als auch die Politik Luxemburgs den ausländischen Einwohner*innen offen gegenüberstehe. Doch der erste Eindruck täuscht, beziehungsweise ist die Sache nicht so klar, wie sie scheint.

43 Prozent derselben Befragten bestätigten nämlich auch die These, dass nur Luxemburger*innen das Wahlrecht bei Parlamentswahlen genießen sollten. Vor allem Luxemburger*innen (56 Prozent) und in Luxemburg geborene Ausländer*innen (50 Prozent) sind laut Umfrageergebnissen dieser Ansicht. Zwar liegt der Anteil derer, die sich für das Ausländer*innenwahlrecht aussprechen immer noch höher, doch weichen die Werte nicht wesentlich voneinander ab. Darüber hinaus gehen insgesamt nur 33 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen davon aus, dass das Ausländer*innenwahlrecht für die Parlamentswahlen zur sozialen Kohäsion beitragen würde – und das, obwohl 42 Prozent von ihnen der Meinung sind, dass die Wähler*innenschaft bei den Parlamentswahlen die luxemburgische Gesellschaft unzureichend repräsentiert.

Die Asti zeigt sich besorgt über den unterschätzten Mehrwert des Wahlrechts für Nicht-Luxemburger*innen. „Wir sind überzeugt, dass es wichtig ist das Wahlrecht auszuweiten“, schreibt die Organisation, „auch insofern, dass das Wahlrecht generell die Wertigkeit wiedererlangt, die es für unsere Gesellschaft und die Einzelpersonen haben sollte.“ Die wenigsten der befragten Nicht-Luxemburger*innen würden sich allerdings für Politik interessieren – weder in Luxemburg noch in ihrem Geburtsland. Einer der Gründe, warum das Interesse an der Nationalpolitik mau ausfällt, sind Sprachbarrieren. Umso wichtiger ist das, was sowohl die Asti als auch der Clae fordern: einen in jeglicher Hinsicht erleichterten Bildungszugang für Zugezogene und Menschen mit Migrationshintergrund. Beim Kongress des Clae wird unter anderem dieser Aspekt in den drei thematischen Workshops rund um Migrationsfragen und die luxemburgische Gesellschaft im Allgemeinen diskutiert – gemeinsam mit Politiker*innen, Vertreter*innen der Gewerkschaften, der Zivilgesellschaft und der Assoziationen.

Grundsätzlich fehlt es den Nicht-Luxemburger*innen auf politischer, nationaler Ebene an Sichtbarkeit. Der 2008 gegründete Conseil national pour étrangers (CNE) macht dies trotz beratender Funktion nicht wett: Auch ihm fehlt es an Sichtbarkeit, wie der Clae in einem öffentlichen Dokument zur Vorbereitung auf den Kongress bedauert. Das liege zum einen daran, dass das Organ wenig bis kaum vom Staat zu Rate gezogen werde, und zum anderen am Verfahren der Mitgliedswahl. Bis dato werden diese von Assoziationen gewählt, anstatt pauschal von allen Nicht-Luxemburger*innen. Der Claezieht in seinem Schreiben die Auflösung des CNE in Erwägung, sollte sich künftig nichts an der Wahlmethode ändern.

Dass der multikulturelle und der interdisziplinäre Austausch über Migrationsfragen und die Sichtbarkeit der betroffenen Personengruppe allgemein wichtig ist, spiegelt sich in weiteren Zahlen der Asti-Umfrage. Es gaben beispielsweise 92 Prozent der Befragten an, sich als Bürger*innen Luxemburgs zu identifizieren, unter den Ausländer*innen waren es 84 Prozent. „Die Themen, die wir beim Kongress der Assoziationen anschneiden, sind Themen der luxemburgischen Gesellschaft“, sagte Lembella Menga im Gespräch mit der woxx. „Die Wohnproblematik ist ein gutes Beispiel: Wir müssen gemeinsam eine Lösung finden. Wir brauchen eine gewagtere und nachhaltigere Wohnpolitik. Wir sprechen seit Jahren darüber! Nicht alle sind Eigentumsbesitzer, ein Teil der Bevölkerung wird von ihren Wohnkosten erstickt. Alle Bürger wollen in dem Land leben, in dem sie arbeiten und Steuern zahlen.“

Allerdings fühlen sich nur 67 Prozent der Nicht-Luxemburger*innen hierzulande akzeptiert. Dabei halten sie ihre Nationalität, übrigens anders als Luxemburger*innen mit nur einem Pass, auf emotionaler und administrativer Ebene für nebensächlich. Die hier besprochenen Umfrageergebnisse senden demnach kein klares, positives Zeichen. Sie klingen mehr nach „gemischten Gefühlen“. Die kürzlich öffentlich diskutierte Studie „Being Black in the EU“ unterstreicht zusätzlich, dass in Luxemburg in Sachen Migration, rassistischer Diskriminierung und Akzeptanz längst und bei weitem nicht alles eitel Sonnenschein ist. Stellt man Zusammenhänge zwischen den einzelnen Studien, Umfragen und persönlichen Erkenntnissen her, ergibt sich ein gemischtes, durchwachsenes Gesellschaftsbild.

Mehr Infos zum Clae-Kongress gibt es hier in französischer Sprache.


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