Junge Künstler*innen zu Geschirr, häuslicher Gewalt und Zeit – das Casino Luxembourg Forum d’art contemporain gibt einen Vorgeschmack auf das Projekt Casino Display und verspricht „Andrà tutto bene.“
Alles wird gut: Das versprachen Menschen nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie weltweit, in verschiedensten Sprachen auf ihren Fensterscheiben und malten einen Regenbogen unter den Slogan – ein Zeichen kollektiver Hoffnung. Das Casino Luxembourg Forum d’art contemporain greift die Botschaft auf und benennt seine temporäre Ausstellung „Andrà tutto bene“ danach. Vier junge Künstler*innen aus der Großregion, vorwiegend weiblich und unter dreißig, stellen Installationen und Performances vor.
Das Kunstforum spricht sich mit dem Ausstellungstitel selbst Mut zu: Eigentlich sollte das Casino Display – ein Arbeitsort, ein Raum zum Austausch und zur Forschung sowie zur Orientierung – 2020 stehen. Die Eröffnung wurde auf das erste Trimester 2021 verschoben, wie es in einer Pressemitteilung des Forums heißt. Die Umbauarbeiten laufen. Trotzdem will das Casino ein erstes Lebenszeichen senden und einen Vorgeschmack darauf geben, was das Publikum künftig erwartet. Die gezeigten Werke wurden exklusiv für die Räumlichkeiten im Wandel und im Rahmen der Europäischen Woche des Kulturerbes (25. September bis zum 4. Oktober 2020) konzipiert.
Die Künstlerin Mahé Cabel trägt am 26. und am 27. September jeweils um 11 Uhr die Performance „À nos mères“ vor. Ihr Werk ist Installation und Performance zugleich: Cabel spielt auf das Schicksal ihrer Mutter an, die zunächst den Haushalt schmiss, dann als „mère aux fourneaux“ tätig war und letzten Endes ihr eigenes Restaurant aufgeben musste. Sie hat das Geschirr, das ihre Mutter täglich nutzte, in Bienenwachs gegossen. Während ihrer Performance platziert die Künstlerin das Geschirr aus Wachs auf eine beheizte Platte und trägt, in Zusammenarbeit mit Garance Oliveras und Alea Cabel, ein Gedicht vor.
Anna Coulet und Manon Nicolay setzen sich in ihrer Arbeit mit Gewalterfahrungen auseinander. Coulet stellt in „La fête, c’est ici?“ das doppelte Spiel einer künstlichen Pflanze dar: Die Pflanze will all jene in die Knie zwingen, die sie betrachten. „Elle joue un double jeu: celui de l’objet qui devient image et celui de l’image qui devient objet“, steht in der Werkbeschreibung. Warum eine Pflanze? Auf ihrer Website schreibt Coulet, dass sie als Tochter von Landarbeiter*innen eine gewisse Naturverbundenheit verspürt und besonders für das Zusammenwirken von Mensch und Umwelt sensibilisiert ist. Coulets Kunst ist an den Fenstern der rue de la Loge zu sehen.
Nicolay beschäftigt sich in „Pour une trêve“ mit häuslicher Gewalt, Unterdrückung und Erniedrigung. Sie verleiht den Themen in einer Konstruktion aus Glas und Metall Ausdruck – abstrakt, aber bei näherer Betrachtung durchaus erkennbar. Das Werk erinnert an verbogene, kaputte Haushaltsgegenstände, die mit Gewalt verformt wurden.
Marceau Pensato hingegen arbeitet mit Kohle, Stein, Stahl und Stoff: In Tirer le rideau spielt der Künstler mit Raffungen und Zeit. Pensato stellt sich Fragen wie: Was wäre, wenn wir Teile der Geschichte auslöschen würden?
Was genau die ausgestellten Installationen und die Performance mit „Andrà tutto bene“ zu tun haben, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Die Künstler*innen thematisieren Umstände und Gefühle, die seit der Corona-Krise besonders stark erfahrbar sind: familiäre Probleme, Pleiten, ein verzerrtes Zeitgefühl durch den Verlust von Alltagsgewohnheiten und die allgemeine Destabilisierung der Gesellschaft. Auch das Ausstellungskonzept – die Besucher*innen betreten die Räumlichkeiten nicht, sondern betrachten die Kunst von Außen – passt zu Zeiten der Pandemie und zu der Fenstermalerei-Aktion während der Ausgangssperre.
Die Werke sind auch über Nacht ausgestellt – und das noch bis zum 27. September 2020 in der Casino Display (anc. Konschthaus Beim Engel, 1 rue de la Loge, Luxemburg).