Die neue Regierung muss beide Wangen hinhalten. Von links und rechts gibt es Ohrfeigen – auch für die wenig konkreten Vorhaben in puncto Integrationspolitik.
Wäre die Asti eine Katze, sie würde zu Beginn ihrer Stellungnahme zum Regierungsprogramm schnurren – und schon zwei Abschnitte weiter das Fell aufstellen, einen Buckel machen und die Krallen ausfahren. Für die Organisation mangelt es dem Regierungsprogramm an konkreten Maßnahmen zur Förderung der Integration. Ein Themenfeld, das im Regierungsprogramm auf nur eine Seite heruntergebrochen wird. In den anderen Unterkapiteln taucht es nur fragmentarisch auf. So als wären die in Luxemburg ansässigen 288.963 Ausländer*innen nur ein Randphänomen. Dabei machen sie 48 Prozent der Gesamtbevölkerung aus (Stand: Januar 2018).
Zum kommunalen Wahlrecht der Ausländer*innen liefert das Regierungsprogramm nur einen „Passepartout“-Satz wie „Les moyens tendant à améliorer la participation des citoyens étrangers aux élections locales seront étudiés“. Eine schwammige Aussage. Wenn es später heißt, man wolle das Wahlrecht grundsätzlich überarbeiten, ist das zwar ein konkretes Vorhaben, aber es lässt Interpretationsspielraum. Beide Sätze sind unverfänglich. Die Asti findet hingegen klare Worte. Sie bedient sich des Leitsatzes des Regierungsprogramms, den die Koalitionsparteien selbstsicher „Ambitieux, équitable et durable“ nennen.
Ambitioniert, gerecht und nachhaltig wäre es, laut Asti, wenn alle Einwohner*innen Luxemburgs automatisch auf die Wahllisten zu den Gemeindewahlen eingeschrieben würden. Das entspricht vielleicht nicht dem Wunsch aller in Luxemburg lebenden Ausländer*innen, käme aber der Integration zugute. Es ist erstaunlich, dass die Regierung hierzu keine konkrete Stellung bezieht, sondern sich in Allgemeinheiten flüchtet.
Die Asti holt weiter aus und warnt, mit diesem Regierungsprogramm könne Blau-Rot-Grün sich als weniger reformfreudig entpuppen als die letzte CSV-geführte Koalition. Die habe 2011 immerhin eingeführt, dass Menschen aus den „pays tiers“ sich als Bürgermeister*in oder Schöff*in zur Wahl stellen können. Eine Kritik, die sitzt. Doch Moment – da war doch was. Das Referendum zum Wahlrecht der Ausländer*innen bei Parlamentswahlen, 2015. Sprach sich die CSV damals nicht gegen ein solches Wahlrecht aus? Der Heiligenschein flackert etwas. Auch wenn es inzwischen innerhalb der Partei verstärkt konträre Meinungen gibt.
Blau-Rot-Grün könnte sich als weniger reformfreudig entpuppen als die CSV-geführten Koalitionen.
Genauso steht die Weltoffenheit der luxemburgischen Bevölkerung auf wackeligen Beinen. Die stimmte nicht nur damals mehrheitlich „Nein“, sondern bleckte bei den letzten Parlamentswahlen teilweise bedrohlich die Zähne gegen Ausländer*innen. Mal unterschwellig, mal direkt, schlichen sich xenophobe Gesinnungen auf soziale Netzwerke und in Wahlprogramme ein. Manche nennen Esch in Privatgesprächen unverfroren „Ghetto der Asi-Portugiesen“. Eine „Pro Familia“-Vertreterin erzählte bei einem Rundtischgespräch, Frauen mit afrikanischen Wurzeln würden in Luxemburg bei der Wohnungssuche aufgrund ihrer Herkunft stark diskriminiert. Wächst der Ausländer*innenanteil an der Gesamtbevölkerung, die nach Statistiken der Weltbank 2017 allgemein um drei Prozent anstieg, weiter, ist bei den nächsten Parlamentswahlen nur noch eine Minderheit wahlberechtigt. Ist das das Luxemburg, das sich Fortschritt und Mulitkulti auf die Fahnen schreibt? Luxemburg lebt in einem Paradox.
Die Asti fordert deshalb ein „Observatoire des phénomènes racistes, xénophobes et antisémites“. Was antwortet die Regierung? „Les compétences en matière d’anti-discrimination des différents acteurs seront revues.“ Wischiwaschi. Ein Land, das sich als Immigrations-Land versteht, muss in diesem Bereich vorpreschen. Die Situation ist nicht neu. Die Problematik nicht unbekannt. Es wäre ein Zeichen, sich gegen die manifeste Diskriminierung auszusprechen. Sich stark zu machen für ein offenes Zusammenleben. Nicht nur indem man Studien in Auftrag gibt und Zuständigkeiten prüft, sondern die Probleme anpackt.