Klimapolitik in den Wahlprogrammen: Zukunft ist Nebensache

Für die meisten Parteien ist die Notwendigkeit von Klimapolitik Konsens. Besonders am rechten Rand wird jedoch versucht, den menschengemachten Klimawandel oder die Dringlichkeit von Maßnahmen in Frage zu stellen.

2019 demonstrierten Gewerkschaften und Klimabewegung gemeinsam unter dem Motto „United for Climate Justice“. So wie es aussieht, wird es in Zukunft mehr solcher Demonstrationen brauchen, um die Regierung zum Handeln zu bringen. (Foto: woxx/ja)

So gut wie alle Parteien beziehen sich in ihrer Kampagne auf die Klimakrise. Trotz Rekordsommer und ungewöhnlich heißem September haben die kurze Wahlkampfperiode jedoch andere, kurzfristigere Debatten dominiert. Zum Glück gibt es Umwelt-NGOs und -bündnisse, die den Parteien auf die Finger schauen. Nach dem Mouvement écologique letzte Woche hat am vergangenen Mittwoch die Plattform „Votum Klima“ die Wahlprogramme der Parteien analysiert. Das Fazit: Déi Gréng und Déi Lénk bekommen eine gute Note (zwischen 76 und 100 Prozent der Wahlforderungen der Plattform erfüllt), die LSAP wird etwas weniger gut bewertet (zwischen 51 und 75 Prozent), während DP, Piratepartei, Volt und KPL nur noch mittelmäßig (zwischen 26 und 50 Prozent) bewertet werden. Schlechte Noten gibt es für CSV, Fokus und ADR, während Liberté und Konservativ in ihren Programmen gar nicht erst auf die Forderungen der NGOs eingingen.

Obwohl das Thema in Wahlspots relativ häufig vorkommt, sucht man hohe Ambitionen in Sachen Klima in den Programmen meist vergebens. Über die aktuellen Ziele hinausgehen wollen lediglich Déi Lénk, die die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent senken wollen. Alle anderen Parteien beziehen sich auf die nationalen und europäischen Klimaziele, nach denen Luxemburg seine Emissionen bis 2030 um 55 Prozent senken muss. Déi Gréng wollen versuchen, bis 2040 klimaneutral zu sein, stellen ein Scheitern jedoch schon in Aussicht: Dann solle es halt spätestens bis 2050 so weit sein. Volt will Luxemburg bis 2035 CO2-neutral und bis 2040 klimaneutral machen.

Déi Lénk nennen nicht nur Ziele, sondern haben auch einen Plan, um sie zu erreichen. Dazu will die Partei das Klimaschutzgesetz ersetzen. In dem neuen Gesetzestext wollen Déi Lénk neben „verbindlichen“ Zwischenetappen auch Bürger*innenbeteiligung und Umverteilungsmaßnahmen festschreiben. Laut der Partei soll die Energieproduktion wieder in öffentliche Hand kommen. Insgesamt fordert die Partei viel: Bis 2050 soll der Energieverbrauch nur noch bei einem Drittel von heute liegen, unter anderem durch ein großangelegtes Programm zur energetischen Sanierung. Tanktourismus und Subventionierung fossiler Energien wollen Déi Lénk stoppen, gegen die aktuelle CO2-Steuer wehrt sich die Partei jedoch; sie sieht „progressive Steuermodelle auf den CO2-Emissionen“ als Alternative.

Wer wird schneller klimaneutral?

Bei den Koalitionsparteien Déi Gréng, LSAP und DP gibt es wenig neue Ideen: Sie stellen den nationalen Energie- und Klimaplan in den Vordergrund und nehmen ihn teilweise als Blaupause für ihre Vorschläge. Auch der Klima-Biergerrot wird gerne hervorgeholt, um zu zeigen, dass die Luxemburger Klimapolitik gemeinsam mit Bürger*innen entwickelt wurde. An die radikaleren Vorschläge, wie etwa eine höhere CO2-Steuer von 200 statt 42 Euro pro Tonne, traut sich jedoch keine Partei. Das, obwohl auch das wissenschaftliche Observatorium für Klimapolitik sich dafür einsetzte, als es den Klimaplan der Regierung scharf kritisierte.

Die Ideen der drei Parteien lesen sich inhaltlich relativ gleich, die Programme unterscheiden sich jedoch in der Form. Stets gibt es eine Liste mit Ideen, welche Form der erneuerbaren Energien man wie fördern könnte, stets stehen Fotovoltaik, Windkraft, Geothermie, Fernwärme darauf. Auch die energetische Sanierung und Förderung von sogenannten „Balkonkraftwerken“ kommen öfters vor. Die LSAP hat zur Energietransition nur einen kurzen Passus, die DP präsentiert einige Ideen in der Tiefe, während Déi Gréng eine lange Liste mit Ideen aufgeschrieben hat. Sie widmet auch der Anpassung an die Klimakrise ein eigenes Kapitel – die DP hat dazu nur einen Abschnitt. Wirklich innovative Ideen sucht man in den Wahlprogrammen vergebens. Vielmehr befällt den*die Leser*in das Gefühl eines Déjà-vu und die nagende Frage, warum all diese Sachen in den letzten zehn Jahren nicht bereits angegangen wurden.

Immer wieder grüne Finanzen

Ein ähnliches Gefühl kommt bei einem Thema auf, das bei Déi Gréng, DP, LSAP und auch der CSV immer wieder auftaucht: die sogenannten grünen Finanzen. Dabei hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass der angeblich ach-so-nachhaltige Finanzplatz Luxemburg vor allem ein Marketinginstrument ist. Viele vorgeblich nachhaltige Fonds, sogar solche mit „dunkelgrüner“ Bewertung, investieren in Wahrheit in fossile Energien. Von den Steuererleichterungen, mit denen die Regierung mehr solcher Investor*innen anziehen wollte, profitierte gerade mal ein einziger Fonds. Die DP und LSAP wollen sich weiter für nachhaltige Finanzen einsetzen, Déi Gréng will sogar explizit an dem niedrigen Steuersatz festhalten. Allerdings präsentiert sie auch einige Ideen, mit denen der Finanzplatz sich vielleicht tatsächlich in Richtung Nachhaltigkeit bewegen könnte: Die „Luxembourg Sustainable Finance Initiative“ (LSFI) soll zur „Luxembourg Sustainable Finance Agency“ werden, außerdem soll eine Labeling-Stelle für Transparenz sorgen und Greenwashing verhindern.

Können die kleineren Parteien frische Ideen in die Diskussion bringen? Bei Volt sind die Ideen zumindest neuer: Die Europa-euphorische Partei will die Klimakrise mit „Klimadiplomatie“ bekämpfen und mit diplomatischen Bemühungen auch dafür sorgen, dass der viel kritisierte Energiecharta-Vertrag neutralisiert wird. Außerdem will Volt ein internationales Gremium zu Geoengineering gründen: Das soll den gefährlichen Einsatz einiger dieser Techniken unterbinden. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien setzt die kleine und junge Partei auf eine höhere CO2-Bepreisung. Außerdem soll der Atmosphäre CO2 entzogen werden, ebenso durch Aufforstung und Moorschutz als auch durch das teure und energieaufwändige „Direct Air Capture“.

Die Piratepartei will die Einnahmen der CO2-Steuer als „Klimabonus“ direkt auszahlen, außerdem sollen CO2-intensive Produkte teurer werden. Als Beispiel werden Äpfel aus Neuseeland genannt. Allerdings wird die Berechnung des sogenannten CO2-Ruckssacks gerade bei Nahrungsmitteln durch viele verschiedene Faktoren wie etwa Produktivität, Transportwege, Kühlung, Saison und so weiter beeinflusst, sodass es schier unmöglich scheint, einen solchen Preis tatsächlich zu berechnen. Ansonsten setzt die Partei auf „Carbon Capture“ – die bequeme, technische Lösung, die jedoch kaum das ganze Problem lösen wird.

CC-BY Tristan Schmurr/flickr

Belehrungen statt Lösungen

Fokus setzt sich im Bereich der Klimapolitik zwischen alle Stühle. Es gibt zwar ein grundsätzliches Bekenntnis zur CO2-Neutralität, aber man gibt sich „technologieneutral“ und eher skeptisch gegenüber dezentralen Lösungen. Erneuerbare Energien, auch zum Beispiel in Form von Solarkooperativen sind gut, aber man beteiligt sich nicht „an der allgemeinen Atomfeindlichkeit“. Die Partei fordert dennoch nicht, ein Kernkraftwerk in Luxemburg zu bauen. Stattdessen gibt es im Wahlprogramm eine Belehrung: In Finnland sei – mit Zustimmung der dortigen grünen Partei – ein Atommüllendlager geschaffen worden, außerdem sei es „falsch und überheblich“, der Meinung zu sein, „virulent die Atomenergie bekämpfen zu müssen“. Ob und wie das in eine politische Maßnahme umgesetzt werden soll, erklärt die Partei nicht.

Außerdem macht sich Fokus für Wasserstoffproduktion in der Großregion stark. Luxemburg solle sich an einer Wasserstoff-Pipeline zwischen dem Saarland, Frankreich und Luxemburg beteiligen. Auf einer direkten Zugverbindung nach Saarbrücken sollen wasserstoffbetriebene Züge fahren, statt die Trasse komplett zu elektrifizieren. Grundsätzlich liest sich das Klima-Kapitel von Fokus wie ein Plädoyer für eine andere Industriepolitik, die vor allem auf Wasserstoff ausgerichtet ist. Eine mögliche Erklärung für den starken Einsatz für Wasserstoff ist Parteigründer und Spitzenkandidat Frank Engel: Der trat nämlich Anfang des Jahres als Redner für die Lobbyorganisation „Hydrogen Europe“ in Erscheinung, zum Beispiel auf der Wasserstoff-Konferenz „World Hydrogen MENA“ in Dubai. Hydrogen Europe ist ein Industrieverband, in dem unter anderem Mineralöl- und Gaskonzerne wie BP, OMV, Shell und Q8 vertreten sind. Die NGO „Corporate Europe Observatory“ veröffentlichte am vergangenen Dienstag eine Untersuchung, laut der die Wasserstoff-Industrie 75 Millionen Euro im Jahr für Lobbyarbeit in Brüssel ausgibt – ein Vielfaches mehr als andere Branchen.

Die CSV versucht ebenfalls das Märchen zu vermitteln, Klimaschutz sei ohne größere Einschränkungen oder gar Auflagen für Wirtschaft und Industrie machbar. In ihrem Wahlprogramm werden Erneuerbare und insbesondere Fotovoltaik zwar behandelt, aber es wird dennoch eine Lobeshymne auf ominöse „neue Klima-Technologien“ gesungen. Was die konservative Partei genau damit meint, wird später klar: Wasserstoff und E-Fuels – damit niemand auf ein Verbrennerauto verzichten muss. Beim Wasserstoff wirft die Partei sogar jeden Verstand und Klimagrundsatz über Bord und meint, bis das Ziel „grüner Wasserstoff“ erreicht werden könne, müssten „andere Formen von gemischtem Wasserstoff genutzt werden“. Was das konkret heißt, schreibt die CSV nicht aus, aber es ist klar: Wasserstoff soll energie- und CO2-intensiv aus Erdgas hergestellt werden. Das wäre wahrhaft ein potemkinsches Dorf der Nachhaltigkeit. Die DP beteiligt sich zum Teil ebenfalls an dem Bau dieses Dorfes, auch sie setzt sich für „Technologieneutralität“ ein und meint damit die Förderung von ineffizienten E-Fuels.

Ideologie und Leugnung

Liberté stellt gleich zu Beginn ihres Kapitels über Klima- und Energiepolitik fest, dass der Klimawandel existiere, „ob natürlich oder vom Mensch gemacht“. Dazu passen auch die restlichen Aussagen zum Klimaschutz der Partei: Windkraftanlagen würden Wälder zerstören und Vögel schreddern, Kernkraftwerke hingegen seien CO2-neutral. Außerdem fabuliert das Programm „angedrohte Zwangsauswechslung von Heizungen auf Wärmepumpen“ herbei. Eigene Lösungen werden keine präsentiert und wo die Kernkraftwerke, mit denen „Liberté“ das Land mit Strom versorgen will, stehen sollen, verrät die Partei ebenfalls nicht. Bei Déi Konservativ gibt es noch weniger Lösungen, sondern lediglich die Ankündigung, „Klima- und Energienormen“ analysieren zu wollen. Außerdem schreibt die Partei, sich für „guten Naturschutz“ statt „Klima-Ideologie“ einzusetzen – eine klare Absage an wissenschaftliche Erkenntnisse.

Auch die ADR versucht sich mit dem Kulturkampf ums Klima: Sie rechnet vor, wie viel Beton für das Fundament einer Windkraftanlage gebraucht würde und impliziert damit, dass diese sich nicht rechnen könnten. Ein rezenter Faktencheck der Presseagentur AFP ging auf ein ähnliches Rechenbeispiel ein und widerlegte diese Behauptungen. Der überprüfte Beitrag gab eine – laut Faktencheck realistische – Menge von 1.500 Kubikmetern Beton an, während die ADR ohne Angabe von Quellen von 8.000 Kubikmetern spricht. Es ist also davon auszugehen, dass es sich um eine Falschdarstellung oder aber die Verallgemeinerung eines Extrembeispiels handelt. Das passt so gar nicht zu der „vernünftigen Klimadiskussion ohne Angstmachen“, die die ADR angeblich führen will. Sie betont ebenfalls, dass das Erdklima sich auch schon natürlich gewandelt hat – und leugnet den Fakt, dass die Klimakrise bewiesenermaßen auf den Treibhausgasausstoß durch menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist. Obwohl die Partei vorgibt, sich an der Forschung zu orientieren, negiert sie den Fakt, dass es mittlerweile möglich ist, einzelne Extremwetterereignisse auf den Klimawandel zurückzuführen. Das zeigen nicht nur zahlreiche Studien, sondern auch ein im Juni veröffentlichter Bericht des wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses. Immer wieder wird auch betont, dass Luxemburg als kleines Land nichts am Weltklima ändern könne und dass viele Maßnahmen teuer seien.

Damit bedient sich auch die ADR ganz klassischer Argumentationsmuster, die dazu dienen sollen, möglichst wenig für den Klimaschutz zu tun: Die Forschung soll gefördert werden und andere Länder sollen weniger Kohle verbrennen und mehr Bäume pflanzen. Auf keinen Fall soll irgendwer zu irgendetwas „gezwungen“ oder „gedrängt“ werden. Das Schicksal und die Wahlfreiheit künftiger Generationen, die in eine Welt mit über zwei Grad Erwärmung hineingeboren werden, ist der Partei offensichtlich egal.

Bei der Klimakrise steht konkret die Zukunft des Planeten und der Menschheit auf dem Spiel. Das wollen einige Parteien immer noch nicht wahrhaben, andere instrumentalisieren die Ängste vor nötigen Veränderungen für einen Kulturkampf, mit dem sie auf Stimmenfang gehen. Fast noch ärgerlicher sind jedoch jene wirtschaftsliberalen Parteien, die so tun, als könne man das Problem mit ein paar technischen Änderungen lösen: Sie gaukeln Betroffenheit vor, bieten jedoch nur einen leicht grün gefärbten Status quo als Lösung an – das wird nicht reichen, um die Klimakrise zu lösen.


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