Klimapolitik weltweit und in Luxemburg: Handeln, aber wer?

Der Klimawandel ist spürbar, ihn zu stoppen Aufgabe der Klimakonferenz Ende des Jahres. Internationale Expert*innen richten Mahnungen an die Weltgemeinschaft, und auch der Luxemburger Klimaplan wird als völlig unzureichend benotet.

Tourismusattraktion Thermometer (Turpan-Senke). (Wikimedia; Colegota; CC BY-SA 2.5)

Rekordtemperaturen von 53,3 Grad im Death Valley und 52,2 Grad in der Turpan-Senke, nie gesehene Überschwemmungen in den Bundesstaaten New York und Vermont, über ein Dutzend Tote bei Unwettern in der Millionenstadt Chongqing am Gelben Fluss. Unglück vereint? Jedenfalls dürften die Katastrophenmeldungen aus den USA und China die Gespräche zwischen dem US-Klimabeauftragten John Kerry und seinem chinesischen Pendant Xie Zhenhua Anfang der Woche erleichtert haben. Beide Länder sind mit teilweise schon drastischen Folgen des beginnenden Klimawandels konfrontiert, beide Länder sind Spitzenreiter beim CO2-Ausstoß und entscheiden mit ihrer Klimapolitik über die Zukunft der Menschheit. Ob das reicht, um koordiniertes Handeln der beiden Supermächte zu ermöglichen, ist unklar. Denn die Logik des kalten Krieges, geprägt von Misstrauen und Nullsummen-Strategien, ist zurückgekehrt. Das aggressive geopolitische Auftreten Chinas und der Versuch des Westens, die Globalisierung in Frage zu stellen um Chinas Macht zurückzudrängen, könnten in einem Teufelskreis münden, bei dem am Ende auch die Klimapolitik zu einem ausschließlich an Eigeninteressen ausgerichteten Nullsummenspiel würde.

Nicht unsere Schuld!

Wozu das führt, sieht man am Ergebnis von Jahrzehnten halbherzigen Klimaschutzes, in denen die Staaten zwar Abkommen unterzeichnet, ihre Hand jedoch schützend über die eigene Wirtschaft und die ihnen nahe stehenden fossilen Konzerne gehalten haben. Anfang Dezember wird im Rahmen der COP28 in Dubai eine globale Bilanz der Treibhausgase erstellt – und das Scheitern der internationalen Gemeinschaft offiziell festgehalten. Danach soll die Klimakonferenz eine „umfassende Antwort“ beschließen, um diese „Lücken“ zu schließen, so der Vorsitzende Sultan Al Jaber bei einer Vorbereitungssitzung in Brüssel. Dass Al Jaber in die Ölgeschäfte der Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) verwickelt ist, trägt nichts zur Glaubwürdigkeit des internationalen Klimaprozesses bei, ebenso wenig wie die Zeitspanne zwischen dem Pariser Abkommen und der ersten Bestandsaufnahme mit anschließender „Beschlussfassung“: acht Jahre!

Grundsätzlich sind alle Staaten aufgefordert, ihre Pläne zur Senkung der Treibhausgasemissionen zu überarbeiten. Die UAE haben das bereits getan und die EU-Institutionen bereiten einen solchen Schritt vor. Doch die Ausgangsposition der Emirate (-31 % bis 2030) lässt Spielräume, die mit den neu angekündigten -40 % nicht ausgenutzt werden; das ehrgeizigere derzeitige europäische Ziel von -55 % hingegen soll um bescheidene zwei Punkte auf -57 % angehoben werden. Die Gefahr besteht, dass in Dubai jede Ländergruppe die Verantwortung für das Scheitern auf die anderen abwälzt. Die zunehmenden Spannungen in den internationalen Beziehungen werden es der Politik noch einfacher machen, der öffentlichen Meinung im eigenen Land simplistische Erklärungen zu servieren. Im Westen dürften China und Russland als Schurkenstaaten, die auch noch unser Klima kaputtmachen, dargestellt werden, wohingegen in den Schwellenländern mit dem Vorwurf des Neokolonialismus gegen den globalen Norden von den eigenen Unzulänglichkeiten abgelenkt werden kann.

Neben den Emissionssenkungen wird bei der COP28 auch über Klimafinanz gestritten werden: Die Länder des Südens erwarten, dass die Industriestaaten des Nordens, die den größten Beitrag zur Erderwärmung zu verantworten haben, ihnen dabei helfen, eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu finanzieren. So hat der vor fast 15 Jahren beschlossene Green Climate Fund immer noch nicht das vorgesehene Volumen von 100 Milliarden jährlich erreicht, finanziert kaum Anpassungsprojekte und besteht größtenteils aus Darlehen statt aus Hilfen. Zwar dürfte das lange von den Industrieländern abgelehnte Konzept des „Loss and Damage“ bei der COP28 auf der Tagesordnung stehen, doch die kategorische Zusicherung John Kerrys vor US-Abgeordneten, man werde „unter keinen Umständen“ Reparationszahlungen für Klimaschäden leisten, zeigt, wie begrenzt die Spielräume bei den Verhandlungen sind.

Untergang … Der Klimawandel ist spürbar. Kann der Luxemburger Klimaplan ihn aufhalten? (Flickr; jvoves; CC BY 2.0)

Diesen begrenzten Spielräumen steht die Notwendigkeit gegenüber, weltweit ein drastisches Umsteuern bei Energie- und Wirtschaftspolitik zu erreichen. Für die Europäische Union würde das zum Beispiel laut Climate Action Network bedeuten, die Emissionen bis 2030 um 65 % zu senken. Und selbst diese NGO-Forderung nimmt sich bescheiden aus, gemessen am Ergebnis einer Studie der britischen Ökonomen Andrew Fanning und Jason Hickel in der Fachzeitschrift Nature Sustainability. Zurückgerechnet auf 1960, haben Akteurinnen wie die EU oder die USA den ihnen zustehenden Anteil an CO2-Emissionen längst überschritten, wobei die Wahl des Stichjahres den Industriestaaten, die seit Ende des 19. Jahrhunderts die Atmosphäre belasten, noch sehr entgegenkommt.

6.000 statt 100 Milliarden

Mit anderen Worten: Eigentlich müsste der globale Norden so schnell wie technisch nur möglich, ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Verluste, seinen CO2-Ausstoß herunterfahren. Wie eine Zusammenfassung der Studie von Klimareporter erläutert, haben die beiden Wissenschaftler auch ausgerechnet, was die Klimaschuld des Nordens in Dollar ausmacht. Dabei sind sie von dem 1,5-Grad-Ziel ausgegangen, das mit einer stetigen und ausreichenden Absenkung der Emissionen zu erreichen wäre. Der Geldwert der Überschreitungen des nationalen Anteils 1960–2050 würde dann weltweit 192 Billionen Dollar betragen, davon 170 seitens der Industrieländer des Nordens. Diese müssten gerechterweise an die Länder gezahlt werden, die ihren Emissionsanteil nicht ausschöpfen können, weil sonst das 1,5-Grad-Ziel verfehlt würde. Statt eines Klimafonds, der 100 Milliarden jährlich zur Verfügung stellt, müssten es etwa 6.000 Milliarden im Jahr sein – und zwar ausschließlich in Form von Hilfen.

Doch es gibt auch Positives zu vermelden, zum Beispiel zum Luxemburger Klimaplan (Plan national intégré en matière d’énergie et de climat, PNEC): Das Observatoire de la politique climatique (OPC) lobt den Entwurf der Regierung zur Aktualisierung des PNEC: Er biete „einen wertvollen Überblick über die klimapolitischen Pläne“ und stelle „einen wichtigen Fortschritt gegenüber der ersten Version“ dar. Doch im Kommuniqué des OPC folgen auf diese zwei honigsüßen Sätze neun Absätze harscher Kritik. Allgemein liege der PNEC-Schwerpunkt auf „einzelnen, sektoralen, inkrementellen Maßnahmen“, statt durch integrierte Maßnahmenbündel auf systemische Veränderungen abzuzielen und Verhaltensänderungen „in Richtung eines klimaresilienteren Lebensstils“ zu begünstigen.

Konkret dürfte der OPC-Vorschlag einer CO2-Steuer von 200 Euro pro Tonne (46 Cent pro Liter Benzin) für Aufmerksamkeit sorgen, derzeit ist eine Anhebung auf 45 Euro bis 2026 vorgesehen. Damit übernimmt das Observatoire eine unerfüllte Forderung des „Klimabiergerrot“ und greift die EU-Diskussionen und -Studien zur kurzfristigen Anhebung der CO2-Preise auf. Im Bereich Mobilität sind die Forderungen von einer Radikalität, die sich nur im Wahlprogramm von Déi Lénk wiederfindet: Tempo 30 innerorts, kein Neubau von Straßen, Verbot von Privatjets und Kurzstreckenflügen. Außerdem stört sich das OPC daran, wie der PNEC dem CO2-Footprint einen Fußtritt verpasst, indem „die meisten Maßnahmen auf die Verringerung der produktionsbedingten Emissionen ab[zielen]“. Das Observatoire unterstreicht die Wichtigkeit einer „Verringerung des verbrauchsbedingten Fußabdrucks“, also der Emissionen an den Produktionsstätten in Südostasien und anderswo, „um das globale CO2 Netto-Null-Ziel zu erreichen“.

46 Cent und 65 Prozent

Im Vorfeld der Wahlen ist hervorzuheben, dass Déi Lénk einerseits die CO2-Steuer grundsätzlich ablehnen, andererseits aber eine Emissionssenkung von 65 % bis 2030 fordern – das OPC begnügt sich mit dem offiziellen Luxemburger Ziel von 55 %. Ins Programm der Grünen hat kaum eine der radikalen Forderungen von OPC oder KBR Eingang gefunden. Das ist kein Wunder, der blamable PNEC wurde ja auch von grünen Minister*innen erstellt, es zeigt aber wie wenig glaubwürdig die Partei in Klimafragen ist.

Dass Luxemburg nach den Wahlen im Oktober die Welt retten würde, war nie besonders wahrscheinlich. Doch angesichts der Wahlprogramme der übrigen Parteien, die noch einmal zurückhaltender als das grüne sind, wird die künftige Regierung nicht einmal ansatzweise dem gerecht werden, das von einem reichen CO2-Rekordland erwartet werden kann. Die Aussichten, dass dann bei der COP28 im Dezember die Welt von der Weltgemeinschaft gerettet wird, sind leider nicht viel besser.


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