Luxemburger Gleichstellungspolitik: Naivität oder doch Strategie?

Während das Mega weiterhin auf Symbolpolitik und Symptombekämpfung setzt, wartet man immer noch auf Schritte, die zur Umstrukturierung der Geschlechterverhältnisse tatsächlich notwendig wären.

„Mir konnt bis elo nach kee Chef d’entreprise oder Cheffin d’entreprise e gudde Grond dofir nennen, dass méi Egalitéit net vu Virdeel wier“. Manchmal kommt man nicht umhin, die gegenwärtige Chancengleichheitsministerin, Taina Bofferding (LSAP), für ihren Idealismus zu bewundern. Hält man sich jedoch die aktuelle Situation in puncto Geschlechtergerechtigkeit vor Augen, wird schnell klar, dass es sich wohl eher um Naivität handelt. Den eben zitierten Satz äußerte Bofferding gestern anlässlich einer Pressekonferenz. Gegenstand waren die sogenannten „Actions positives“, ein Programm, mit dem das Ministerium für Gleichstellung (Mega) Geschlechtergerechtigkeit in der Arbeitswelt zu fördern versucht. Das Konzept sieht vor, dass Betrieben ein*e Gleichstellungsberater*in zur Seite gestellt wird. In einer ersten Phase werden die Ursachen etwaiger Genderdisparitäten – im Bewerbungsprozess, den Gehältern oder den Karrieremöglichkeiten – analysiert, in einer zweiten dann ein Aktionsplan ausgearbeitet und implementiert. Hat der Betrieb das angestrebte Ziel erreicht, wird er mit dem Label „Actions positives“ gekürt.

Das Programm wird zwar vom Mega finanziert, die Beteiligung beruht jedoch gänzlich auf Freiwilligkeit. Sie setzt also voraus, dass ein Betrieb nicht nur Mängel in puncto Geschlechtergerechtigkeit erkannt hat, sondern auch bereit ist, gegen diese anzukämpfen. Bofferding ist diesbezüglich optimistisch. Besonders junge Menschen wünschten sich ein Gendergleichgewicht im Betrieb und eine Gleichstellung in der Gesellschaft befürworteten ohnehin alle. Es fragt sich, wie sich die Ministerin die anhaltende Diskriminierung von Frauen erklärt. Dass diese vom größten Teil der Gesellschaft abgelehnt wird, ist klar, nur reicht allein diese Einstellung nicht aus, um den Status quo zu ändern. Wie ein Betrieb, der weder aus finanziellen noch aus Imagegründen mehr Geschlechtergerechtigkeit anstrebt, dazu bewegt werden soll, sich an den „Actions positives“ zu beteiligen, darauf hatte Bofferding keine zufriedenstellende Antwort. Das obige Zitat zeigt, dass sie allein auf den „gesunden Menschenverstand“ und die altruistische Gesinnung der Arbeitgeber*innen setzt. Dass es gerade dieser „gesunde Menschenverstand“ ist, der dafür sorgt, dass patriarchale Machtstrukturen fortgesetzt werden, entgeht ihr dabei völlig. Fälle aus Norwegen haben gezeigt, dass ein Frauenanteil von 30 Prozent in Aufsichtsräten sich positiv auf Gewinne und Rendite von Unternehmen auswirkt. Dennoch wirkt ein solcher Schritt oftmals wie ein gewagtes Experiment, legt der „gesunde Menschenverstand“ doch nahe, auf Altbewährtes zu setzen, wichtige Posten also mit Männern zu besetzen.

Wie zahlreiche andere Initiativen des Mega, sind auch die „Actions positives“ auf Einzel- fälle beschränkte Symptombekämpfung.

Die Zahlen sprechen für sich: Bisher haben sich lediglich 80 Unternehmen an dem Programm beteiligt. Nun wurden zwar einige Änderungen vorgenommen – so sollen künftig die Prozeduren vereinfacht und verkürzt, und sowohl Homeoffice als auch die Karriereentwicklung nach dem Elternschaftsurlaub stärker berücksichtigt werden – am wenig Erfolg versprechenden Grundkonzept ändert sich jedoch nichts. Wie zahlreiche andere Initiativen des Mega sind auch die „Actions positives“ auf Einzelfälle beschränkte Symptombekämpfung. Letzen Endes ist es wohl verfehlt, der Ministerin und ihrem Team Naivität vorzuwerfen. Hinter dieser Herangehensweise steckt wohl eher eine eindeutige Strategie: Möglichst wenigen auf die Füße treten und möglichst viel so belassen, wie es ist.


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