Norden: Werden die Betten für die Akutpflege knapp?

Wird die nationale Krankenhausplanung dem Bevölkerungszuwachs im Norden des Landes gerecht? Die CSV-Deputierten Martine Hansen und Marco Schank fürchten um die medizinische Versorgung im Jahre 2022.

Im Vergleich zu den Nachbarländern, stehen in Luxemburg weniger Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner*innen zur Verfügung. (Bildquelle: Pixabay, CC0 License)

Aus mehreren internen Projekten des Centre hospitalier du nord (CHdN) soll hervorgehen, dass in fünf Jahren rund 120.000 Menschen in Luxemburgs Norden (also in den Kantonen Clerf, Redingen, Vianden und Wiltz) leben werden. 2018 waren es 91.186. Die Folgen des Bevölkerungszuwachses für die medizinische Versorgung beunruhigen die Abgeordneten Martine Hansen und Marco Schank. Nicht aber den Gesundheitsminister Etienne Schneider.

Hansen und Schank legten ihm in einer parlamentarischen Anfrage Zahlen vor: Tritt der zu erwartende Einwohner*innenzuwachs ein, so stehen 2022 im Norden 2,65 Krankenhausbetten pro 1.000 Bürger*innen für die Akutpflege zur Verfügung. Damit läge die Region Norden unter dem nationalen Durchschnittswert von 2018, der für die Akutpflege 3,9 Betten pro 1.000 Einwohner*innen betrug. Hansen und Schank fragen: „Angesichts der erwarteten Bevölkerungsentwicklung, wie gedenkt die Regierung eine hochwertige stationäre Versorgung der Bevölkerung in allen Regionen des Landes auch in Zukunft zu garantieren?“

Vertrauen in die Krankenhausplanung

Schneider betont zunächst, dass bei den genannten Hochrechnungen gleich mehrere Faktoren missachtet wurden: die Weiterentwicklung der medizinischen Praxen und ambulanter Behandlungsmöglichkeiten sowie die nationale Krankenhausplanung. Grundsätzlich werde die Evaluation der Gesundheitsbedürfnisse der Ortsansässigen anhand der Daten der sogenannten Gesundheitskarte, der demographischen Entwicklung und des allgemeinen Gesundheitszustands der Bevölkerung ermittelt. Man beziehe sich dabei auf Studien und Prognosen des Statec. Bei der Gesundheitskarte handelt es sich um einen Bericht, in dem alle zwei Jahre eine detaillierte strukturelle und funktionale Bestandsaufnahme des Krankenhauswesens in Luxemburgs erstellt wird. „Die Einführung eines Systems zur Dokumentation der Krankenhausaufenthalte, welches sich zur Zeit in der Entwicklungsphase befindet“, schreibt der Minister in seiner Antwort weiter, „wird es ermöglichen, das Anordnen von Krankenhauseinweisungen präziser abzuschätzen und somit auch das Krankenhausangebot an die Bedürfnisse anzupassen.“

Die Spital-Regionen wurden im Rahmen des Krankenhausgesetztes von 2018 abgeschafft, fügt er dem bei. So gebe es seither auf nationaler Ebene eine maximale Anzahl an Krankenhausbetten, ohne dass man die Verteilung nach Region vorschreibe. Konkret bedeutet das: Ingesamt können 2.350 Betten für die Akutpflege, 670 Betten für mittlere Verweilzeiten und 87 Betten für die Langzeitpflege autorisiert werden. Jedes Krankenhaus hat in diesem Rahmen die Möglichkeit, einen Antrag auf die Genehmigung einer gewünschten Anzahl von Betten beim Gesundheitsministerium einzureichen, so Schneider. Darüber hinaus teilt er mit, dass letztes Jahr im Ganzen 2.096 Betten für 602.005 Einwohner*innen beantragt wurden. Das entspricht einer Quote von 3,5 Gesamtbetten pro 1.000 Einwohner*innen. Der Maximalwert von insgesamt 3.107 Krankenhausbetten wurde 2018 somit nicht erreicht.

Entwarnung?

Schneider verweist in seiner Antwort darauf, dass das CHdN 2018 einen Antrag auf Genehmigung für 321 Betten für die Akutpflege sowie für 36 Betten für mittlere Verweilzeit gestellt hat. Diese Betten wurden auf 27 Krankenhausabteilungen verteilt. Das würde einen Wert von 3,5 Betten pro 1.000 Einwohner*innen für die Akutpflege ergeben, in Berücksichtigung der Statec-Angaben zur Bevölkerung in Luxemburgs Norden 2018.

Am Ende zieht Schneider, auf Nachfrage der Deputierten, noch einen Vergleich zu den Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Belgien. Er zitiert hierfür die OECD Healths Statistics 2017. Dort lag Luxemburg mit 4,8 Gesamtbetten pro 1.000 Einwohner*innen (Stand 2015) über dem allgemeinen OECD-Durchschnittswert von 4,7 Gesamtbetten. Im Vergleich mit den Nachbarländern bildete das Großherzogtum jedoch das Schlusslicht: In Frankreich gab es 6,1, in Belgien 6,2 und in Deutschland 8,1 Gesamtbetten pro 1.000 Einwohner*innen. Schneider gab diese Werte jedoch nicht an, sondern brüstete sich damit, dass Luxemburg eine Kommastelle über dem allgemeinen OECD-Durchschnittswert lag, in den Werte aus 50 Ländern einfließen. Darunter auch Indien, Mexiko oder Südafrika.

Etwas aktueller sind ohnehin die OECD Zahlen von 2016 bis 2017. Im Vergleich zu den Nachbarländern liegt Luxemburg auch dort mit 4,6 Gesamtbetten pro 1.000 Einwohner*innen hinter Deutschland (8,1 Stand: 2016), Frankreich (6,0 Stand: 2016) und Belgien (5,7 Stand: 2017). Ähnlich sieht es bei den Betten für die Akutpflege aus: In Luxemburg gab es vor zwei Jahren 3,8 Betten pro 1.000 Bürger*innen. In Deutschland waren es deren 6,1, in Belgien 5,0  für die Akutpflege. Nur in Frankreich gab es mit 3,1 Betten weniger als hier.

Schneiders Antwort gibt nur bedingt Entwarnung. Grundsätzlich suggeriert sie, dass man auf die nationale Krankenhausplanung und die Methodik des Gesundheitsministeriums vertrauen soll, anstatt basierend auf Zukunftsprognosen etwaige Bedürfnisse vorauszuahnen und Engpässe zu befürchten. Gleichzeitig offenbart der Blick über die Landesgrenzen, dass Luxemburg momentan schlechter aufgestellt ist als seine Nachbarländer – und der Gesundheitsminister diese Information geschickt umgeht.


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