Polemik: #EchSinnNetInklusiv

Während einige noch darüber diskutieren, ob in Gesetzen von „Vater“ oder „Elternteil“ die Rede sein soll, stellt sich die allgemeinere Frage, wieso sich im legalen Kontext immer noch so schwergetan wird mit inklusiver Sprache.

Foto: OpenClipart-Vectors/Pixabay

Kritiker*innen einer gendergerechten Sprache scheint man es irgendwie nie recht machen zu können. Geht es darum, Formulierungen, in denen die Hälfte der Menschheit lediglich mitgemeint ist, zu überdenken, wird der Wunsch nach mehr Präzision belächelt. Wird aber ein eng gefasster Begriff zugunsten eines allgemeineren aufgegeben, wird der Verzicht auf Präzision wiederum bedauert. Konkret heißt das: „Wähler*innen“ anstelle von „Wähler“ wird ebenso abgelehnt wie „Elternteil“ anstelle von „Vater“.

Letzteres Beispiel bezieht sich auf eine Pseudodebatte, die vergangene Woche von der ADR ausgelöst wurde. Im Zentrum steht ein Gesetzesentwurf des Justizministeriums, der den Zugang zur Kenntnis der eigenen Abstammung im Rahmen einer Adoption oder künstlichen Befruchtung regelt. Nicht aber dem Inhalt ist die Empörung der ADR gewidmet, sondern einer einzigen Formulierung: „autre parent de naissance“. Die Rechtskonservativen proklamierten, das Gesetz sei ein Vorwand, um die Identifikation und Selbstbezeichnung als „Vater“ zu verbieten. Unzählige pflichteten ihnen bei und taten ihre Entrüstung auf den Sozialen Medien unter dem Hashtag #EchSiPapp kund. Dabei schließt „parent“ den Vater nicht aus, sondern lässt das Geschlecht des nicht gebärenden Elternteils lediglich offen.

Von wirklicher Inklusion ist der Gesetzesentwurf dennoch weit entfernt. Zwar wurde auf den Begriff „père“ verzichtet, „mère“ wird allerdings mehrmals verwendet, um eine gebärfähige Person zu bezeichnen. Dass weder eine weibliche Geschlechtsidentität noch die Selbstbezeichnung als Mutter nötig ist, um ein Kind auf die Welt zu setzen, wird hier ausgeblendet. Von der Frage, ob Formulierungen wie „mère de naissance“ beziehungsweise „biologische Mutter“ überhaupt mit Erkenntnissen der Gender Studies konform gehen, gar nicht erst zu sprechen. Im Gesetzestext sucht man jedenfalls vergebens nach Begriffsdefinitionen von „mère“ und „parent de naissance“, nach Erklärungen, weshalb auf „père“ verzichtet wurde und wie zwischen „parent de naissance“ und „donneur“ unterschieden wird.

Über den Sprachgebrauch hinaus ist zu befürchten, dass das Gesetz Ungleichheiten zwischen fruchtbaren und unfruchtbaren Menschen, Hetero- und Homosexuellen zusätzlich verschärft. Immerhin wird assistierte Reproduktion hierzulande durch das Verbot anonymer Eizellen- und Samenspenden doch um einiges erschwert.

Mehrdeutige Formulierungen lassen zu viel Interpretations- spielraum, wer mitgemeint ist und wer nicht.

Inklusion war aber auch nie das Ziel dieses Gesetzes. Das wird spätestens an Justizministerin Sam Tansons (Déi Gréng) Stellungnahme zu oben beschriebener Polemik deutlich. Auf RTL Radio erklärte sie am Dienstag, dass es sich bei einer gebärenden Person immer um eine Mutter handele. „Ech weess op alle Fall vu kengem Fall, wou dat net sou gewiescht wier“, fügte sie noch hinzu, so als sei die Existenz von trans Männern und nicht-binären Personen, die ein Kind bekommen haben, nicht bestens dokumentiert.

Laut Tanson geht es hier um juristische Kategorien, nicht um Lebensrealitäten. Wenn in Gesetzestexten aber Gebärfähige pauschal als „Mütter“ bezeichnet werden oder von „Vaterschaftsurlaub“ die Rede ist, obwohl der nicht-gebärende Elternteil keineswegs männlichen Geschlechts sein muss, dann werden damit marginalisierte Bevölkerungsgruppen systematisch unsichtbar gemacht.

In einem muss man der ADR recht geben: Schwammige oder mehrdeutige Formulierungen lassen zu viel Interpretationsspielraum, wer mitgemeint ist und wer nicht. Das trifft übrigens auf „parent“ und „mère“ ebenso zu, wie auf das generische Maskulinum.


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