Vielfach gepriesen, führt das Fahrrad in der Verkehrsplanung immer noch ein Schattendasein. Es ist an der Zeit, endlich ins Rampenlicht zu treten.
Sind Radfahrer*innen denn nie zufriedenzustellen? Da baut man ihnen entlang der neu gestalteten Avenue de la Liberté, der „schönsten Straße der Hauptstadt“ – dixit Stadtbürgermeisterin Lydie Polfer (DP), eine luxuriöse bidirektionale Fahrradpiste, und dann soll das doch nicht das Richtige sein?
Vorab gesagt: Die am Freitag letzter Woche eingeweihte Piste stellt in Luxemburg das Nonplusultra einer fahrradgerechten Verkehrsführung dar und ist im Vergleich zur Situation davor eine kleine Revolution. Wo früher drei Spuren in Richtung Bahnhof den Autofahrer*innen das Gefühl einer Art Stadtautobahn vermittelten, wurde der Raum prioritär zwischen Tram und der sogenannten „mobilité douce“ aufgeteilt. Die Autos müssen sich mit dem begnügen, was übrig bleibt.
Doch so wie eine Kette nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied, so verhält es sich auch mit einer Radpiste: Wird sie unterbrochen oder endet im Nirgendwo, dann relativiert sich ihr Nutzen. Schlimmer noch: Ein falsches Sicherheitsgefühl, insbesondere bei Ortsunkundigen, kann zu kritischen Situationen führen.
Im Falle der Nei Avenue ist es vor allem die Anbindung in Richtung Bahnhof, die einen skeptisch stimmt: Ausgerechnet da, wo es früher bereits eine Piste gegeben hat, zwischen der Paräisser Plaz und dem Vorplatz der Gare centrale, verschwindet jedwede Fahrradinfrastruktur. Stattdessen sollen die Nutzer*innen, die zwischen Pont Adolphe und Paraïsser Plaz an der westlichen Seite der Nei Avenue entlanggeführt werden, zwei Autospuren sowie die doppelgleisige Tramtrasse überqueren, ihren Weg durch die Origerstraße suchen und anschließend nach rechts in die Al Avenue abbiegen.
Diese Verkehrsführung ist sicherlich sinnvoll für alle, die nach Bonneweg oder möglichst direkt zu den Bus- und Bahnsteigen gelangen wollen. Wer aber zu den südlichen oder südöstlichen Stadteilen unterwegs ist, bekommt es mit einem eher abenteuerlichen Teilabschnitt zu tun: Nach dem Überqueren der jetzt von den Stadtbussen frequentierten Al Avenue ist ein erneutes Kreuzen der Trambahn vorgesehen. Natürlich muss bei jedem Vorgang ein entsprechender Ampel-Knopf gedrückt werden, sodass dieser untere Teil weit mehr Zeit beansprucht, als dies im längeren oberen Teilstück der Fall ist.
Neben unbequemen Ampelschaltungen und fragwürdigen Überquerungen sind es vor allem vorprogrammierte Konflikte mit Fußgänger*innen, die ins Gewicht fallen. Am Bahnhofsvorplatz läuft die bidirektionale Radpiste nämlich genau zwischen einer Sammelhaltestelle für Busse und der Tramstation. Wohlgemerkt: Es handelt sich hier um den wichtigsten „pôle d’échange“ des gesamten Systems. Zu Stoßzeiten werden Tausende Menschen zwischen den Bussen, der Tram und den Bahnsteigen hin- und herlaufen, oft in Zeitdruck, um den nächsten Anschluss nicht zu verpassen.
Konflikte mit Fußgänger*innen, sind vorprogrammiert.
Dummerweise sind zu Stoßzeiten aber auch die meisten Radfahrer*innen unterwegs, denn der Boom, den dieses umweltschonende Verkehrsmittel in den letzten Jahren erfahren hat, ist nicht zuletzt strampelnden Berufspendler*innen zuzurechnen.
Noch sind Schulferien und pandemiebedingt derzeit weniger Menschen als üblich unterwegs. Doch wenn wieder einmal „Normalzustand“ auf unseren Straßen und Wegen herrschen sollte, wird sich zeigen, ob sich die düstere Vorahnung, die so manche Nutzer*innen dieser Trasse haben, bewahrheiten wird.
Statt Hand in Hand wird vielfach aneinander vorbei geplant. Mehrfaches und unnötiges Queren der Fahrbahn und Konflikte an Haltestellen gibt es auch an anderen Stellen des noch immer nur bruchstückhaften Radwegenetzes in Stadt und Land. Dabei fehlt es nicht an kompetenten Gesprächspartner*innen. Das Budget von Provelo.lu beträgt mittlerweile pro Jahr etwas über 200.000 Euro. Auf den ersten Blick eine stattliche Summe, die geballte Fachkompetenz verspricht, wenn sie denn nur gehört würde.
Aber was lässt sich schon mit minimal einem Dritteleuro pro Einwohner*in erreichen? Da dürfte eine Abstimmung mit den (pedalierenden) Füßen doch eher ins Gewicht fallen: Am 24. April heißt es wieder „Reclaim the Streets“, eine Gelegenheit die keine*r verpassen sollte.