Seenotrettung: Ausbleibende Hilfe im Mittelmeer

Seit Beginn des Jahres flüchten wieder mehr Menschen aus afrikanischen Ländern nach Europa. Dennoch wird das Hilfsangebot nicht ausgeweitet. Einziger Lichtblick: Bald kommt wieder ein ziviles Rettungsschiff im Mittelmeer zum Einsatz.

© sea-watch.org

Nachdem europäische Behörden zivile Seenotrettung wochenlang behindert hatten, darf ab Mitte August die Sea-Watch-4 endlich zum Einsatz in die Such- und Rettungszone vor Libyen aufbrechen. Noch muss das Ende der 14-tägigen Corona-Quarantäne einiger Besatzungsmitglieder abgewartet werden. Erst dann darf das Schiff unter strengen Hygienemaßnahmen in See stechen. Mit an Bord sind auch vier medizinische Mitarbeiter*innen von Médecins sans frontières: eine Ärztin, eine Hebamme und zwei weitere medizinische Fachkräfte.

Ende Juli war mit der von SOS Méditerranée betriebenen Ocean Viking das letzte private Rettungsschiff in Italien festgesetzt worden. Zu den angegebenen – den Aktivist*innen zufolge vorgeschobenen – Gründen zählten unter anderem technische Mängel und rechtliche Verstöße. Als Reaktion darauf übten die Organisationen Sea-Eye, Sea-Watch und SOS Mediterranée Deutschland vergangene Woche scharfe Kritik an den europäischen Behörden. Am vergangenen Mittwoch hat der Regensburger Verein Sea Eye wegen Festsetzung seines Schiffes „Alan Kurdi“ gegen Palermos Hafenbehörde und das italienische Infrastruktur- und Transportministerium Klage eingereicht. Die Klagenden sind überzeugt, zu Unrecht festgesetzt worden zu sein. Das reale Ziel sei gewesen die NGO davon abzuhalten Schiffbrüchige zu retten.

Durch die Corona-Pandemie hat sich die Lage zusätzlich verschärft. Um eine 14-tägige Quarantäne der Geretteten gewährleisten zu können, haben die italienischen Behörden ein privates Kreuzfahrtschiff gemietet, der Vertrag ist allerdings vor kurzem ausgelaufen. Als nächster Schritt steht zurzeit einzig die Drohung von Innenministerin Luciana Lamorgese im Raum, die Menschen in Militärbaracken an Land unterzubringen.

Seit Jahresbeginn wurden an den Küsten Italiens mehr als 13.000 Migrant*innen registriert, im Vorjahr waren es zu dieser Zeit rund 3.200. 40 Prozent von ihnen stammen aus Tunesien. Waren in den vergangenen Jahren Bootsflüchtlinge von Rettungsschiffen direkt nach Sizilien oder auf das italienische Festland gebracht worden, so landen wegen mangelnder Seenotrettung momentan so viele wie seit Jahren nicht mehr auf Lampedusa. In dem über 100 Plätze verfügenden Lager sind zurzeit über 1.000 Menschen untergebracht. Soldat*innen werden eingesetzt, um dafür zu sorgen, dass sie die Corona-Quarantäne einhalten.

So zynisch es auch klingen mag: Diejenigen, die in Italien ankommen, können sich noch verhältnismäßig glücklich schätzen. 295 Menschen sind der UN-Agentur für Migration (IOM) zufolge dieses Jahr auf dem Zentralmittelmeer ums Leben gekommen. In den vergangenen Wochen konnten einige in Seenot geratene Flüchtlinge zwar etwa von Viehtransport- oder Tankschiffen gerettet werden, doch blieben viele sich selbst überlassen. Zum Teil wurden Menschen von der libyschen Küstenwache, völkerrechtlichen Bestimmungen zum Trotz, ins Konfliktgebiet zurückgebracht. Dabei kam es zu mehreren tragischen Vorfällen. So wurden etwa Ende Juli drei sudanesische Jugendliche erschossen als sie aus Angst, in Internierungslager eingesperrt zu werden, vor den libyschen Behörden flohen.


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