Am 29. April startete die offizielle Wahlkampagne für die EU-Wahlen – so liefen auch die ersten Wahlwerbespots der Parteien. Die woxx hat sie sich angeschaut, damit Sie das nicht tun müssen.
Dadurch, dass sowohl RTL als auch 100,7 Sendeplatz für Wahlwerbespots einräumen müssen, bekommen alle Parteien eine gleich große Bühne. Im Fernsehen sind das 30 Sekunden, die mit mehr oder weniger sinnvollen Bildern und Botschaften gefüllt werden können. Je nach Budget und Talent kommen dabei Kurzfilme von sehr unterschiedlicher Qualität heraus. Wenn die Clips schon nicht über Positionen und Politikvorschläge informieren, so sind sie zumindest meist durch unfreiwillige Komik unterhaltsam.
DP
Die DP zeigt eine Art Interviewsituation: Charles Goerens und Monica Semedo sitzen sich auf Mobiliar, das eher am oberen Ende des Ikea-Preisspektrums angesiedelt ist, gegenüber. Zuerst ist das Bild unscharf, der Schriftzug „D‘EU fir de Charles Goerens ass…“ wird eingeblendet. Dann redet der EU-Parlamentarier darüber, dass „wir frei, tolerant, demokratisch, humanistisch, solidarisch“ sein wollen und „wir“ dafür europäisch denken müssen. Der Abgeordnete redet frei, aber nicht sehr flüssig. Semedo sagt nichts, sie darf ihm nur zunicken. Als sie ansetzt, um etwas zu sagen, wird das Bild der beiden Kandidat*innen wieder unscharf und der Wahlslogan der DP wird eingeblendet. Die Partei bringt also das Kunststück fertig, eine junge, schwarze Frau als Spitzenkandidatin zu haben, ihr aber genau so viel Text zu geben wie dem Beistelltischchen. Erschreckend, wie sehr eine progressive Partei über ihren eigenen Anspruch stolpern kann.
Piratepartei
Die Piratepartei setzt voll und ganz auf einen Programmpunkt, nämlich „direkte Demokratie“. Am Anfang des Clips fliegt das Parteilogo inklusive Listennummer auf die Zuschauer*innen zu, eine Frauenstimme erklärt zu Stock-Videomaterial, dass die Piraten die direkte Demokratie ermöglichen werden und es leichter machen wollen, Petitionen zu starten. Das ist heute schon recht zugänglich über ein Online-Portal möglich, aber Wahlversprechen, die bereits erfüllt wurden, sind ohnehin die bequemsten. Spitzenkandidat Starsky Flor wird in einem Aufnahmestudio eingeblendet – er spricht einen Text ein, der allerdings nicht zu hören ist. Am Ende erscheint wieder das Parteilogo und wir werden aufgefordert „Jo“ zu wählen. Das lässt uns ein wenig konfus zurück und angesichts des Tempos auch ein wenig atemlos.
KPL
Nachdem die KPL bei den letzten Kammerwahlen konsequent auf Lego-3D-Animationen setzte, hat sie für die Europawahl ein Video mit ihren Kandiat*innen produziert. Dieses wirkt jedoch eher dilletantisch. Schlecht ausgeleuchtete Menschen stehen neben einem KPL-Rollup und sagen Phrasen auf, die zwar alle Botschaften der KPL sind, jedoch keinerlei inhaltliche Verbindung haben. Irgendwas mit „gegen Kapital“ und „für Frieden“ halt. Dabei wird jeweils leicht auf die Kandidat*innen rangezoomt, was zusätzlich verwirrend wirkt. Außerdem rauscht der Ton und es ist Hall zu hören – die KPL sollte sich dringend Nachhilfe bei Youtuber*innen holen. Immerhin ist der Spot kurz, und Ali Ruckerts Aufruf, die KPL zu wählen, ist immer noch klarer als das ominöse „Ja“ der Piraten.
Déi Lénk
Die Linken zeigen ein wiederkehrendes Thema des diesjährigen Wahlkampfes: Die Spots lassen immer ein wenig hinter die Kulissen blicken. Waren bei der DP die Ansteckmikrofone gut sichtbar, so sehen wir bei Déi Lénk die Kandidat*innen beim Fotoshooting (oder ist es nur die zweite Kamera vom Videodreh?) vor Plakaten mit ihren eigenen Gesichtern. Nach einer kurzen Einstellung mit dem ganzen Team fokussiert sich das Video auf David Wagner, der auch den Text im Off spricht. Die EU sei für multinationale Firmen und Superreiche gemacht, die über unser Leben entscheiden würden. In Lederjacke wandert Wagner durch Luxemburg-Stadt und blickt nachdenklich auf das Firmengebäude von Villeroy & Boch (gab es keine Drehgenehmigung vor dem PwC-Hauptquartier?), bevor der ehemalige woxx-Mitarbeiter dann vor dem Hintergrund der Kirchberg-Skyline erklärt, warum er kandidiert. Zum Schluss werden Logo und Slogan einblendet. Der Spot ist, bis auf die chaotische Anfangsszene, sehr klassisch aufgebaut, allerdings stellt die eher einschläfernde Musik einen scharfen Kontrast zu der kämpferischen Botschaft dar.
Volt
In der Urzeit des Internets (also vor ungefähr zehn Jahren) gab es mal den Trend, dass Bands ihre Fans dazu aufriefen, verschiedene Szenen mit der Webcam zu filmen, die sie dann zu einem Musikvideo zusammenschnitten. Nach diesem Prinzip funktioniert auch der Werbespot der paneuropäischen Bewegung Volt. Verschiedene Menschen (es ist anzunehmen, dass es sich um Volt-Kandidat*innen anderer Länder handelt, aber erklärt wird das nicht) sagen jeweils ein Wort wie „Demokratie“ oder „Freundschaft“ in ihrer Sprache (meist Englisch oder Französisch), das auf Luxemburgisch eingeblendet wird. Im Gegensatz zur KPL passt die schlechte Qualität zu den offensichtlich mit dem Handy gefilmten Clips, die stets dramatischer werdende Klaviermusik verleiht dem Ganzen auch etwas Pathos, der dann jedoch leider nicht eingelöst wird: Wir sehen Christopher Lilyblad, der sich selbst mit dem Handy filmt. Er steht gefährlich nahe an einem Gewässer und erklärt, dass er für Volt kandidiert: „Eine starke Vision braucht Input von uns allen. Bist du dabei?“ Angesichts seiner Gesichtsfarbe möchten wir vor einer eventuellen Teilnahme an einer wie auch immer gearteten Vision jedoch dem Volt-Kandidaten nahelegen, auch im Frühling nicht die Sonnenschutzcreme zu vergessen. Am Ende wird das Parteilogo neben dem Spruch „Wir sind Volt. Wir sind Europa“ eingeblendet und auch wenn niemand schlauer geworden ist, so ist immerhin auch niemand ins Wasser gefallen.
Insgesamt setzen diese fünf Parteien in der Mehrzahl auf männliche Sprecher, lediglich die Piratepartei und die KPL setzen auch Frauen ein.
Die nächsten fünf Wahlwerbespots haben wir im zweiten Teil dieser Kolumne analysiert.
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