Die woxx hat ausgewertet, welche Personen beim einzigen öffentlich-rechtlichen Sender Luxemburgs als „Invité vum Dag“ zu Wort kommen. In Sachen Geschlechtergerechtigkeit gibt es Fortschritte gegenüber dem Vorjahr zu vermelden.
Dieses Jahr hat der öffentlich-rechtliche Sender 100,7 ein eigenes Gesetzesprojekt bekommen, mit dem das Radio als „Media de service publique“ definiert werden soll. Dies soll zugleich eine stabile Finanzierung und die Unabhängigkeit der dort arbeitenden Journalist*innen sichern. Besondere inhaltliche Vorgaben sollen nicht gemacht werden. Ein staatlicher Einfluss auf die Einladungspolitik in Interviewsendungen ist also nicht zu befürchten.
An jedem Arbeitstag interviewt 100,7 kurz nach halb acht in der Sendung „Invité vum Dag“ eine oder mehrere Personen, meist zur Aktualität, dem tagespolitischen Geschehen, selten auch zu allgemeineren Themen. Die Pandemie hatte selbstverständlich auch Einfluss darauf, wen die Redaktionen des Landes als Interviewpartner*innen auswählten. Rund 17 Prozent der Interviewten stammten aus dem Bereich Wissenschaft oder Medizin und analysierten das Infektionsgeschehen in Luxemburg.
Wie bei einer politischen Sendung nicht anders zu erwarten, sind Politiker*innen jene Personen, die am meisten eingeladen werden: Exakt ein Drittel der Gäst*innen kamen aus der Politik. Interviews mit Persönlichkeiten aus der Wirtschaft (13,7 Prozent), der Verwaltung (11,4 Prozent) und aus der Zivilgesellschaft (10,3 Prozent) kamen ungefährlich gleich oft vor. Gäst*innen aus dem Mediensektor oder aus Gewerkschaften machten rund 4 Prozent der Eingeladenen aus. Sport, Kultur und Religion kamen nur selten vor. Besonders im Vergleich mit 2019 wird deutlich, dass diese Themen der Pandemie weichen mussten.
Der Frauenanteil hat sich gegenüber 2019 jedoch verbessert: 30,4 Prozent der Interviewten waren Frauen, 69,6 Prozent Männer. Trans oder inter Personen waren, soweit das zu erkennen war, überhaupt keine eingeladen. Rund 60 Prozent der Gäst*innen aus der Zivilgesellschaft waren Frauen, während im Bereich Religion lediglich Männer interviewt wurden. Beinahe 12 Prozent der Gäst*innen waren Politikerinnen, Politiker dagegen kamen auf 22 Prozent. 2019 lag der Frauenanteil in der Sendung „Invité vum Dag“ bei 22,9 Prozent.
Bei rund 35 Prozent der Interviews wurde eine der 41 Personen eingeladen, die mehr als einmal im Jahr in der Sendung auftauchte. Claude Meisch (DP), Corinne Cahen (DP) und Paulette Lenert waren viermal zu Gast, während Claudia Monti, Jean-Claude Schmit, Gilles Feith, Lydie Polfer und Paul Wilmes jeweils drei Besuche im 100,7-Studio absolvierten.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Einladungspolitik immer auch ein Spiegel der Gesellschaft ist. Jede Redaktion hat zwar einen gewissen Handlungsspielraum, wen sie zu einem bestimmten Thema befragen will, kann in manchen Situationen jedoch auch nur die gesellschaftliche Realität abbilden. Wäre Étienne Schneider 2020 noch Gesundheitsminister gewesen, läge der Frauenanteil beispielsweise bei 28 statt 30 Prozent.
Die woxx hat vom 2. Januar bis zum 31. Dezember insgesamt 263 Gäst*innen gezählt. Wurden mehrere Personen interviewt, wurde jede Person einzeln gezählt. Bereits letztes Jahr hatte die woxx die Einladungspolitik in die wochentägliche Interviewsendung analysiert und 2015 hatte der Blogger Claude Feltgen eine ähnliche Analyse publiziert.