Die woxx-Auswertung der Gäst*innen der Sendung „Invité vum Dag“ zeigt, dass in puncto Geschlechtergerechtigkeit bei Radio 100,7 noch einiges zu tun ist.
Die Entwicklung und Zukunft des öffentlich-rechtlichen Radiosenders wurde in den letzten Monaten immer wieder diskutiert. 2020 steht darüber auch eine Debatte im Parlament an. Dabei wird natürlich vor allem die Finanzierung und Unabhängigkeit im Vordergrund stehen. Auch das Vorhaben, einen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender zu schaffen, steht im Raum. Ein Aspekt, der jedoch auch beachtet werden sollte, ist die Einladungspolitik für politische Interviews.
An jedem Arbeitstag interviewt der öffentlich-rechtliche Sender kurz nach halb acht in der Sendung „Invité vum Dag“ eine oder mehrere Personen, meist zum tagespolitischen Geschehen oder der Aktualität allgemein. Oft sind die Gäst*innen aus der Politik – also Abgeordnete, Kandidat*innen, Minister*innen oder hohe Beamt*innen. Über die Hälfte (53,14 Prozent) der Gäst*innen kommen aus diesem Bereich.
An zweiter Stelle stehen Gäst*innen aus der Wirtschaft (15,13 Prozent) oder der Zivilgesellschaft (13,28 Prozent). 2019 waren aufgrund der Sozialwahlen auch einige Gewerkschaftler*innen (8,12 Prozent) vor dem Mikrofon. Gäst*innen aus dem Bereich Wissenschaft (4,43 Prozent), Sport (3,69 Prozent) und Religion (1,48 Prozent) kamen eher selten als „Invité vum Dag“ zu Wort.
Schaut man sich an, wie viele Frauen und wie viele Männer eingeladen wurden, ergibt sich ein dann doch erschreckendes Bild: lediglich 22,88 Prozent der Gäst*innen waren Frauen – weniger als ein Viertel. Trans oder inter Personen waren davon, soweit das zu erkennen war, überhaupt keine. Prozentual gesehen wurden im Gewerkschaftssektor die meisten Frauen interviewt, nämlich etwas mehr als ein Drittel (36,36 Prozent), an zweiter Stelle steht die Zivilgesellschaft (30,56 Prozent). Im Bereich Politik war es genau ein Viertel (25 Prozent). Bei den Gäst*innen aus der Wirtschaft war knapp ein Zehntel (9,76 Prozent) weiblich. Eine einzige Wissenschaftlerin und überhaupt keine Sportlerin durften 2019 „Invité vum Dag“ sein.
Natürlich ist es nicht immer möglich, für jedes Thema eine Frau zu interviewen – die Zahlen sind auch ein Spiegelbild der luxemburgischen Gesellschaft insgesamt, denn sie zeigen, wer hierzulande die Spitzenpositionen besetzt und wer als Expert*in wahrgenommen wird. In einigen Bereichen wäre es aber sicherlich kein großes Problem gewesen, eine kompetente Frau zu finden, um Rede und Antwort zu stehen.
Übrigens gab es 21 Personen, die 2019 mehr als einmal „Invité vum Dag“ waren. Die Minister*innen Taina Bofferding (LSAP), Pierre Gramegna (DP), Dan Kersch (LSAP) und Claude Meisch (DP) waren sogar dreimal zu Gast. Dem LSAP-Parteipräsidenten Franz Fayot gelang dies sogar ohne Ministerposten.
Die woxx hat vom 2. Januar bis zum 30. Dezember 2019 insgesamt 271 Gäst*innen gezählt. Wurden mehrere Personen interviewt, wurde jede Person einzeln gezählt. Die Spezial-Sendung nach dem Tornado in Petingen wurde aufgrund des anderen Charakters der Interviews von der Zählung ausgeschlossen. 2015 hatte der Blogger Claude Feltgen eine ähnliche Analyse publiziert.