Genauso wie die woxx die Gäst*innen bei 100,7 analysiert hat, haben wir dies auch für die Sendung „Invité vun der Redaktioun“ bei RTL getan. Im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Sender hat sich bei dem größten Radio Luxemburgs in Sachen Frauenanteil nichts getan.
Die Sendung „Invité vun der Redaktion“ lässt sich durchaus mit ihrem Pendant auf 100,7 vergleichen, auch wenn die Interviews in der Regel kürzer sind. An jedem Arbeitstag kurz nach acht Uhr ist eine Persönlichkeit eingeladen, zum Tagesgeschehen Stellung zu nehmen. Wenig überraschend dominierte auch bei RTL die Covid-19-Pandemie diese Interviews.
Insgesamt wurden 240 Personen interviewt, der Großteil davon waren Minister*innen, Abgeordnete und andere Politiker*innen (37,9 Prozent). Wie bereits 2019 ist auch dieses Jahr der Anteil der Interviewten aus der Wirtschaft höher als beim öffentlich-rechtlichen Sender: 21,3 Prozent waren Unternehmer*innen oder Vertreter*innen von Interessensverbänden.
Den dritten Platz teilen sich Personen aus der Verwaltung (15,4 Prozent) und aus der Zivilgesellschaft (12,5 Prozent) – diese Zahlen sind leicht höher als bei 100,7. Der Anteil der Wissenschaftler*innen hat sich erhöht: Statt 1,9 Prozent im Vorjahr stellten sie 2020 ganze 8,3 Prozent der Gäst*innen. Persönlichkeiten aus Gewerkschaften (2,1 Prozent), Religion (1,3 Prozent), Kultur (0,8 Prozent) und Medien (0,4 Prozent) sind hingegen eher selten zu Gast.
Der Frauenanteil bei den Interviews hat sich nicht verändert und lag 2020 bei 20,8 Prozent (2019: 20,7 Prozent). Der Großteil der Frauen kam aus der Politik: rund 38 Prozent der interviewten Politiker*innen waren Frauen, insgesamt waren 8,8 Prozent aller Interviewten Politikerinnen. In den Bereichen Religion und Kultur kamen überhaupt keine Frauen zu Wort. Bei der einzigen Person aus der Medienwelt, die „Invité vun der Redaktioun“ war, handelte es sich allerdings um eine Frau.
44 Personen wurden 2020 mehr als einmal in die Sendung eingeladen. Eine einsame Person an der Spitze, wie es 2019 François Bausch mit sechs Einladungen war, gab es dieses Jahr nicht. Stattdessen teilten sich Alain Rix, Präsident des Branchenverbandes Horesca, Mittelstandsminister Lex Delles (DP) und Nicolas Buck, Präsident des Verwaltungsrats der Union des entreprises luxembourgeoises (UEL) mit jeweils vier Einladungen das Podium. Ein Dutzend Personen wurden dreimal eingeladen: Claude Wiseler (CSV), Dan Kersch (LSAP), Claude Schummer (CEO Hôpitaux Robert Schuman), Jean-Claude Schmit (Directeur de la Santé), François Bausch (Déi Gréng), Franz Fayot (LSAP), Weihbischof Leo Wagener, Mars Di Bartolomeo (LSAP), Biomediziner Paul Wilmes, Romain Schmit (Generaldirektor der Fédération des Artisans), Serge Wilmes (CSV) und Taina Bofferding (LSAP).
Auch bei den RTL-Interviews zeigt sich, dass die Einladungspolitik als Spiegelbild der Gesellschaft gelten kann. Der Privatsender und seine Hörer*innen scheinen ein besonderes Interesse an den Vertreter*innen der Wirtschaft zu haben, diese kommen wesentlich öfter in diesem Sendeformat zu Wort als beim öffentlich-rechtlichen Sender. Eine Redaktion hat nicht immer komplett freie Hand darüber, ob sie einen Mann oder eine Frau einlädt und die hier präsentierten Zahlen geben auch Auskunft darüber, wer in Luxemburg an den Hebeln der Macht sitzt und als wichtig wahrgenommen wird.