Die französischen Behörden wollen die Bedingungen für die Laufzeitverlängerung von über 40-jährigen Reaktoren festlegen. Eine Studie im Auftrag von Greenpeace Luxemburg und Frankreich offenbart, dass wichtige Nachrüstungen zur Sicherheitserhöhung teilweise nicht umsetzbar sind.
Frankreich möchte das Sicherheitsniveau der 900 MW-Reaktoren der ersten Generation an aktuelle nationale und internationale Sicherheitsstandards anpassen. Auf diese Weise will man die geplante Laufzeitverlängerung von zehn Jahren ermöglichen. Darunter fallen unter anderem die Atomkraftwerke (AKW) in Tricastin, Fessenheim und Bugey.
Die Sicherheit moderner AKW baut auf einem vierstufigen Sicherheitskonzept auf, dessen Ebenen autark funktionieren. Das gelingt durch die technische und mechanische Trennung der Komponenten. Die einzelnen Sicherheitsebenen basieren auf Vorkehrungen zum Schutz gegen externe Bedrohungen, wie etwa Flugabstürze oder Naturkatastrophen. Greenpeace Luxemburg und Frankreich haben in diesem Zusammenhang den Bericht des deutschen Professors Manfred Mertins veröffentlicht. Ziel der Studie war es, die betroffenen AKW auf die Machbarkeit der Nachrüstung hin zu untersuchen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Es gibt wesentliche Sicherheitsdefizite, die nicht behebbar sind.
Die Systeme zur internen Sicherheit sind in den 900 MW-Anlagen derzeit nur zweisträngig aufgebaut. Eine Nachrüstung zur Sicherstellung einer doppelten Redundanz der sicherheitstechnischen Einrichtungen ist grundsätzlich nicht machbar. Mertins hält auch die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit sicherheitsrelevanter Systeme gegen naturbedingte Einwirkungen für praktisch unmöglich – und ebenfalls die Nachrüstung der Anlagen in Bezug auf die Beherrschung von Kernschmelzunfällen schätzt er als nicht umsetzbar ein. Das vierstufig gestaffelte Sicherheitskonzept jedoch wäre rein theoretisch möglich. Die Unabhängigkeit der einzelnen Sicherheitsebenen der alten AKW, die aktuell in Betrieb sind, wird bis zur Nachrüstung allerdings nicht konsequent gewährleistet. Greenpeace spricht sich entschieden gegen die Laufzeitverlängerungen aus. Die Umweltorganisation fordert eine grenzüberschreitende Konsultation mit Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und beruft sich dabei auf die Espoo-Konvention. Letztere verpflichtet Mitgliedsstaaten dazu die Umweltauswirkungen diverser Vorhaben auf Nachbarstaaten zu prüfen.
Zunächst wird die vierte zehnjährige Untersuchung des Tricastin-Reaktors Nr. 1 durchgeführt werden. Die Prüfung beginnt im Juni 2019. Anschließend wollen die französischen Behörden die Bedingungen für die Laufzeitverlängerungen der entsprechenden Reaktoren festlegen. Mit den allgemeinen Vorschriften rechnet man 2020. In einer zweiten Phase folgen spezifische Maßnahmen für die einzelnen AKW. „Es bleibt abzuwarten, welche Maßnahmen seitens des französischen Betreibers EDF zur Nachrüstung der AKW mit 900 MW-Reaktoren zum Erreichen aktueller Sicherheitsanforderungen konkret in Angriff genommen werden und welche Anforderungen die französische Sicherheitsbehörde ASN, die Autorité de sûreté nucléaire, stellen wird“, sagt Roger Spautz, Nuklear-Campaigner bei Greenpeace Luxemburg.