Keine „Mademoiselle“, aber auch keine Sternchen

Luxemburg muss auf geschlechtergerechte Sprache in offiziellen Dokumenten und Formularen warten. „Mademoiselle“ verschwindet zwar, marginalisierte, nicht-binäre Geschlechter werden aber weiterhin nicht berücksichtigt.

Foto: CC BY Domas Mituzas 2.0

Anfang des Jahres hinterfragte die woxx den neuen Namen des Ministeriums für Gleichstellung zwischen Frauen und Männern. Einer der Kritikpunkte: Er untermauere die Zweigeschlechtlichkeit und klammere marginalisierte, nicht-binäre Geschlechter aus. Die Mission des Ministeriums sei deswegen schon per se diskriminierend und arbeite der des Ministeriums für Familie und Integration, das sich für die genannten Geschlechtergruppen stark macht, entgegen. Eine parlamentarische Antwort der zuständigen Ministerin Taina Bofferding offenbart, was dies in der Praxis bedeutet.

Der Abgeordnete Marc Angel (LSAP) wollte in seiner parlamentarischen Frage an Taina Bofferding wissen, wie die Einführung einer weniger frauendiskriminierenden und genderneutralen administrativen Kommunikation in Luxemburg vorankomme.

Zum ersten Punkt gab die Ministerin an, sie habe im April 2019 eine entsprechende Bestandsaufnahmen eingeleitet. Warum eine Bestandsaufnahme nötig ist, ist unklar. Sinnvoller wäre es, die generalisierte Streichung des Ausdrucks „Mademoiselle“ , wie sie der Koalitionsvertrag von 2018 vorsieht, unmittelbar umzusetzen. Der Koalitionsvertrag hält außerdem fest, dass Frauen künftig mit dem Namen angeschrieben werden sollen, mit dem sie im Zivilregister eingetragen sind. Wie Boffering schreibt, offenbaren erste Ergebnisse der Bestandsaufnahme jedenfalls, dass Begriffe wie „Mademoiselle“ weitgehend aus der administrativen Kommunikation verschwunden sind. Der Staatsrat hatte das Streichen von „Mademoiselle“ schon 2012 beschlossen. Ausdrücke wie „nom de jeune fille“ werden seither zunehmend durch „nom de naissance“ ersetzt. Für Nicht-Luxemburger*innen gelte eine andere Situation, wie die Ministerin in ihrem Schreiben erwähnt, aber nicht weiter ausführt. Das klingt alles erst einmal mittelmäßig gut, wenn auch nach Schneckentempo in Sachen Gleichstellung durch den Sprachgebrauch.

Doch Angel stellte eine zweite Frage, nämlich die nach der „neutralité du genre“ – und hier zeigen sich die diskriminierenden Konsequenzen der auf Männer und Frauen beschränkten Mission des Ministeriums. Von den vier Maßnahmen, die Bofferding nennt, unterstützt nur eine gezielt eine geschlechtergerechte Sprache: „Favoriser l’utilisation de termes génériques/unisexes et de singuliers collectifs (comme par exemple les êtres humains, les bénéficiaires, les membres, le corps enseignant, la direction, le personnel,…).“ Die anderen drei Maßnahmen blenden andere Geschlechtsidentitäten aus und zementieren das binäre Geschlechtsmodell (Frau/Mann). Sie stellen sogar ein umgekehrtes Ungleichgewicht her („Adopter l’ordre de présentation féminin puis masculin en cas de double désignation : le féminin est cité en premier lieu mais l’accord reste au masculin (dire « deux femmes et un homme ont été décorés » au lieu de « un homme et deux femmes ont été décorés ».“).

Das Schreiben diskreditiert obendrein inklusive Sprech- und Schreibweisen, wie beispielsweise das Gendersternchen oder das Gendern mit Unterstrich, die es erlauben, alle nicht-binären Geschlechtergruppen miteinzubeziehen. Die Ministerin schreibt folgendes zu den Vorschlägen der Regierung zur geschlechtsneutralen Sprache: „Ces propositions seront à la fois pragmatiques et pratiques et éviteront de devoir changer les règles de grammaire, de rendre les textes illisibles et de ridiculiser le débat.“ Bofferding reproduziert damit die Kritik an geschlechtergerechter Sprache, ohne sie zu dekonstruieren – schließlich wird diese Sprechweise oft von der breiten Öffentlichkeit belächelt und herabgewürdigt.

Was sagt es aber über ein Ministerium für Gleichstellung aus, wenn es einer diskriminierenden Wahrnehmung folgt und bewusst auf die Inklusion marginalisierter Geschlechtergruppen verzichtet? Welche Nachricht vermittelt es, wenn es in einem öffentlichen Schreiben in Erwägung zieht, dass ein derartiges Sprechen die Debatte ins Lächerliche ziehen könnte? Es ist ein Schlag ins Gesicht für all jene, die sich für die Gleichstellung aller Geschlechter einsetzen und beweist auf ein Neues, dass die strikte Ausrichtung auf die Gleichstellung von Frau und Mann gezwungenermaßen diskriminierend gegenüber anderen Geschlechtern ist. Dabei sollte es Standard sein, sich geschlechtergerecht auszudrücken und somit alle marginalisierten Geschlechtergruppen in den öffentlichen Diskurs miteinzubeziehen (wie ein solcher Sprachgebrauch gestaltet sein kann, haben wir hier ausführlich beschrieben). Es büßt dadurch niemand an Repräsentation ein und ein offizielles Anschreiben wird dadurch auch nicht weniger verständlich. Wenn wir wollen, dass geschlechtergerechte Sprache zur Gewohnheit wird, werden wir nicht daran vorbeikommen, sie gezielt in der Schule und in Fortbildungen zu fördern.


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