EU-Renaturierungsgesetz: Zurück zur Natur

Nach langem Bangen ist nun klar: Das EU-Renaturierungsgesetz wird in Kraft treten. Feuchtgebiete, Wälder, Steppen, Flüsse und andere Habitate sollen vermehrt wiederhergestellt werden.

(Foto: CC BY-SA Reinhold Möller)

Am vergangenen Montag löste sich eine lange Blockade: „Die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur“, auch als EU-Renaturierungsgesetz bezeichnet, passierte den Minister*innenrat mit einer sehr knappen Mehrheit. Eigentlich hatten die Mitgliedsstaaten bereits im November 2022 ihre Zustimmung signalisiert. Nachdem das Gesetz vom Europaparlament gebilligt worden war, galt die zu nehmende Hürde des Minister*innenrats als reine Formalie. Doch es kam anders: Vor der Sitzung Ende März kündigten Schweden, Italien, die Niederlande und Ungarn an, das Gesetz nicht mehr unterstützen zu wollen, Österreich, Belgien und Finnland wollten sich enthalten.

Schlussendlich war es die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), die mit ihrer Zustimmung dafür sorgte, dass das Gesetz im Rat eine qualifizierte Mehrheit, das heißt mehr als 65 Prozent der Bevölkerung der EU, bekam. Sie löste damit eine Mini-Regierungskrise aus: Die konservative ÖVP warf Gewessler Verfassungsbruch vor, ihr Bundeskanzler Karl Nehammer kündigte eine Nichtigkeitsklage an. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz sagte er jedoch, die auf wackeligen Füßen stehende Koalition nicht zu beenden. Die nächsten Parlamentswahlen stehen in Österreich ohnehin im September an.

Vor der Abstimmung im Minister*innenrat kam es am Montagmorgen in Luxemburg-Kirchberg vor dem European Convention Center zu einer symbolischen Aktion der Umweltorganisationen Natur an Ëmwelt und Mouvement écologique. Die wollten im Namen der europäischen „#RestoreNature-Koalition“ den Minister*innen noch einmal ins Gewissen reden, dem Renaturierungsgesetz doch zuzustimmen. Die NGOs sehen das Gesetz als Erfolg ihres Engagements: „Nach Jahren intensiver Kampagnenarbeit und vielen Höhen und Tiefen sind wir überglücklich, dass dieses Gesetz nun Realität ist – dieser Tag wird als Wendepunkt für Natur und Gesellschaft in die Geschichte eingehen“, hieß es in einer Pressemitteilung. Die Gegner*innen des Gesetzesprojektes, die konservative EVP sowie die Rechtsaußenfraktionen EKR und ID, hätten eine „beispiellose und absurde Desinformationskampagne“ durchgeführt, um das Gesetz zu verhindern, seien damit jedoch nicht durchgekommen.

Im EU-Parlament hatten im Februar alle sechs luxemburgischen Abgeordneten für das Gesetz gestimmt, auch der Luxemburger Umweltminister Serge Wilmes (CSV) stimmte im Minister*innenrat dafür. Laut Pressemitteilung der Regierung unterstrich Wilmes im Rat, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung das Gesetz befürworte und Renaturierungsmaßnahmen aus ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Sicht „so wichtig wie nie zuvor“ seien. Die EU-Abgeordnete Tilly Metz (Déi Gréng) begrüßte die Entscheidung des Rats per Aussendung: „Ich bin erleichtert, dass die Blockade um das Renaturierungs Gesetz im Rat endlich aufgehoben wurde. Mit dieser Abstimmung wurde ein Kernstück des Green Deals gefestigt. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren: Aktuell sind mehr als 80 Prozent der Natur in Europa in einem schlechten Zustand. Gesunde Ökosysteme sind wichtig für das Klima, die biologische Vielfalt und die Landwirtschaft.“

Luxemburg freut sich

Die EU-Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, der Kommission einen nationalen Renaturierungsplan vorzulegen. Darin müssen sie zeigen, wie sie die Ziele des Gesetzes auf nationaler Ebene umsetzen wollen. So sollen bis 2030 zum Beispiel 30 Prozent der Moorflächen renaturiert werden. Auch Wälder, Trockenwiesen, und Meeresökosysteme sowie Bestäuberinsekten sollen besseren Schutz erfahren und wiederhergestellt werden. Wälder beispielsweise sollen künftig besser miteinander verbunden werden, eine diversere Altersstruktur aufweisen und mehr Totholz enthalten. In urbanen Gebieten sollen bis 2030 keine Grünflächen verloren gehen, anschließend weitere hinzukommen.

25.000 Kilometer Flüsse und Bäche sollen renaturiert und Barrieren abgebaut werden, damit sie wieder freifließend sind. Diese Vorgabe könnte für Luxemburg zum Problem werden, denn die Maßnahmen zur Renaturierung von Gewässern gehen hierzulande nur schleppend voran (siehe woxx 1663). Auf diesen Tatbestand wies der Méco vergangenen Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz hin und unterstrich, dass das Wasserwirtschaftsamt für seine Aufgaben mehr Ressourcen bräuchte. Vielleicht hilft es ja, dass Luxemburg nun riskiert, in Sachen Renaturierung öfters auf die Finger geschaut zu bekommen: Die Europäische Umweltagentur wird die Fortschritte der Mitgliedstaaten durch technische Berichte dokumentieren. Eine Überprüfung des gesamten Gesetzes durch die Kommission ist für das Jahr 2032 vorgesehen.


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