Der Wohnsitz macht den Unterschied, wenn es um die Antragstellung zu Studienbeihilfen in Luxemburg geht. Der Europäische Gerichtshof legt anhand der Causa Aubriet offen, dass eine solche Ungleichbehandlung gegen das EU-Recht verstößt.

Die Nachwehen der kontrovers diskutierten Reform der Studienbeihilfen 2014 machen sich bemerkbar: Nicht-ortsansässige Studierende wie Nicolas Aubriet werden nach wie vor benachteiligt – und das verstößt gegen das EU-Recht. (Foto: CC BY Tim Reckmann 2.0)
Nicolas Aubriet lebt mit seinem Vater in Frankreich, unweit der luxemburgischen Grenze. Der Vater ist seit Oktober 1991, mit einer Unterbrechung von insgesamt vier Jahren (von 2008 bis 2012), in Luxemburg berufstätig. Sein Sohn reichte zum Wintersemester 2014/2015 einen Antrag auf Studienbeihilfe in Luxemburg ein. Der Antrag wurde abgelehnt. Die Rechtsvorschrift, auf dem der Entschluss des Ministeriums für Hochschulwesen und Forschung gründete, besagt, dass ein Elternteil der nicht-ortsansässigen Bewerber*innen über einen Referenzzeitraum von sieben Jahren vor der Beantragung der Beihilfe mindestens fünf Jahre in Luxemburg erwerbstätig gewesen sein muss – eine Auflage, die für in Luxemburg wohnhafte Studierende nicht gilt.
Diese im Zuge der Reform der Studienbeihilfe verabschiedete Rechtsvorschrift wurde bereits vor ihrem Inkrafttreten 2014 scharf von Studierendenorganisationen und dem Kollektiv Richtung 22 kritisiert. Die Proteste richteten sich unter anderem gegen ebendiese Benachteiligung nicht-ortsansässiger Studierender oder der Kinder von in Luxemburg berufstätigen Grenzgänger*innen, die für weiterführende Studien auf finanzielle Beihilfen vom Staat angewiesen sind. Die damalige Reform kam trotz starkem Gegenwind mit 32 zu 28 Stimmen durch.
Aubriet hat den Beschluss des zuständigen Ministers Claude Meisch 2015 vor dem luxemburgischen Verwaltungsgericht angefochten. Immerhin war sein Vater zum Zeitpunkt der Antragsstellung in Luxemburg steuerpflichtig und hatte insgesamt über 17 Jahre hinweg Beiträge ins nationale Sozialversicherungssystem eingezahlt. Das luxemburgische Verwaltungsgericht holte daraufhin die Meinung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ein und wollte wissen, ob die oben erwähnten Auflagen zur Gewährung von finanziellen Studienbeihilfen erforderlich seien, um das vom luxemburgischen Gesetzgeber verfolgte Ziel zu erreichen, den Anteil ortsansässiger Personen mit Studienabschluss zu erhöhen.
Der EuGH hält dies für ein legitimes Ziel, hinterfragt jedoch in seinem kürzlich gefällten Urteil, inwiefern „der zur Berechnung der Mindestarbeitsdauer von fünf Jahren eingeführte Referenzzeitraum von sieben Jahren vor der Beantragung der Beihilfe“ über dieses Vorhaben hinausschießt. Im Fall Aubriet reiche die Berücksichtigung dieses Zeitraumes jedenfalls nicht aus, um die Verbundenheit des Vaters des Klägers mit dem luxemburgischen Arbeitsmarkt „umfassend zu beurteilen“. Die Position des EuGH ist demnach klar: Die erläuterte Rechtsvorschrift stellt eine Einschränkung dar, die für das Ziel, die Zahl ortsansässiger Studienabsolvent*innen zu erhöhen, nicht notwendig ist. Es ist bereits das zweite Mal, dass der EuGH Luxemburg in diesem Kontext zurechtweist: Anlässlich der Kürzungen finanzieller Beihilfen für Kinder von Grenzgänger*innen im Jahr 2010, sprach der EuGH 2013 von einer diskriminierenden Ungleichbehandlung nicht-ortsansässigen Familien, die gegen das EU-Recht verstoße.
Das Ministerium für Hochschulwesen und Forschung hat inzwischen mitgeteilt, dass der Regierung zeitnah ein „avant-projet“ zur Überarbeitung der Rechtsvorschrift vorgelegt werde.