Faktencheck: Sind in Luxemburg tatsächlich keine Säugetiere bedroht?

„Luxemburg hat laut einer Studie über die grünsten Länder der Welt die am wenigsten gefährdeten Tierarten auf der ganzen Welt“, behauptet ein Onlinemagazin und verschickt diese Information an die Presse. Kann das stimmen? Die woxx hat sich auf Spurensuche begeben.

Luxemburg, eins der „grünsten“ und „most caring“ Länder der Welt? Was das Onlinemagazin Outforia behauptet, ist auf unvollständige Daten zurückzuführen.
(Foto: Michael Gaida/Pixabay)

Ein Ranking mit den „grünsten“ Ländern der Welt, in dem Luxemburg prominent auftaucht, weil hierzulande angeblich so wenig Tierarten als bedroht gelten – eine solche Meldung erhält in der woxx-Redaktion natürlich Aufmerksamkeit. Immerhin gab es in den letzten Jahren und Monaten eher gegenteilige Nachrichten und Studienergebnisse: Luxemburg ist das zerschnittenste Land Europas, 68 Prozent der natürlichen und naturnahen Habitate sind in einem unzureichenden oder schlechten Erhaltungszustand, genauso wie 83 Prozent der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten. Beim Onlinemagazin Outforia sieht die Welt anders aus: Luxemburg bekommt eine gute Note, weil keine Säugetiere und nur wenig Vögel als bedroht gelten.

Doch das stimmt so nicht: Auf den „Roten Listen“ Luxemburgs finden sich durchaus Säugetiere, wie zum Beispiel einige Fledermausarten. Auch die Wildkatze oder der Biber gelten als gefährdet, der Wolf ist lediglich als seltener Gast im Land. Auch bei den Vögeln ist die Situation weitaus dramatischer, als Outforia sie darstellt: Sieben Arten sind „vom Erlöschen bedroht“, neun „stark gefährdet“ und acht gelten als „gefährdet“. So war zumindest der Stand 2014, als die letzte Rote Liste für Vögel in Luxemburg veröffentlicht wurde – mittlerweile dürfte sich die Situation nicht verbessert haben.

Fehlerhafte Quellen

Wie kommt Outforia also auf die Idee, in Luxemburg gäbe es keine bedrohten Säugetiere? Das Magazin hat seine vorgebliche Studie mit Daten der Weltbank vorgenommen, die offenbar nicht komplett sind. Die Weltbank selbst gibt bei diesen Daten an, dass sie aus dem United Nations Environmental Program and the World Conservation Monitoring Centre und von der Roten Liste der International Union for Conservation of Nature (IUCN) stammen. Auf der Website der IUCN findet man für Luxemburg tatsächlich keine bedrohten Säugetiere. Das kann aber daran liegen, dass die Daten nur in sogenannter „grauer Literatur“ vorliegen. Viele Forschungsarbeiten zu bedrohten Tierarten werden in Luxemburg nämlich von Freiwilligen getätigt und dementsprechend nicht in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlichen.

Insgesamt ist die vorgebliche Studie von Outforia mit sehr viel Vorsicht zu genießen: Für das Ranking wurden mehrere Faktoren – aus einer wohl nicht sehr zuverlässigen Datenquelle – gemittelt, obwohl die vielleicht wenig miteinander zu tun haben. Macht es ein Land wirklich „grüner“ (gemeint ist wohl: nachhaltiger) wenn die landwirtschaftlich genutzte Fläche groß ist? Überhaupt sind viele der genutzten Daten offensichtlich fehlerhaft. So produziert zum Beispiel Albanien mitnichten 100 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen, auch wenn Outforia das behauptet.

Wenn Marketingfirmen Journalismus vortäuschen

Achtung, Falschmeldung: Was das Onlinemagazin Outforia über Luxemburg erzählt, stimmt so nicht. (Illustration: Outforia)

Wer steckt eigentlich hinter Outforia und warum kommt bei einem vorgeblich journalistischen Projekt niemand auf die Idee, offensichtlich falsche oder zweifelhafte Daten an anderer Stelle nachzuprüfen? Das Magazin stammt aus Norwegen und ist ein Projekt von Innovatic.Media, einer Firma, die für ihre Kund*innen Websites und Onlineshops erstellt sowie Suchmaschinenoptimierung und Influencer-Marketing anbietet. Innovatic gehört wiederum zur Investmentfirma Sempervirens Invest AS, die laut Eigenbeschreibung vor allem in Technologiefirmen zu Personalmanagement, Gesundheit und Finanzen investiert. Der Autor des fehlerhaften Outforia-Artikels, Carl Borg, ist übrigens nicht nur der Chefredakteur des Onlinemagazins, sondern auch Direktor von Innovatic und Sempervirens.

Die Pressemitteilung, mit der luxemburgische Journalist*innen wohl dazu gebracht werden sollten, den Outforia-Artikel zu erwähnen, kam jedoch weder von Outforia, Innovatic oder Sempervirens, sondern von der Marketingagentur Digitaloft aus dem Vereinigten Königreich. Als die woxx bei Digitaloft nachfragte, was es mit den fehlerhaften Daten in dem Artikel auf sich hatte, bekamen wir als Erklärung, dass Digitaloft die Daten halt so bei der Weltbank gefunden habe. Auf unsere Nachfrage hin, wer denn nun der*die Autor*in des Artikels wäre, wurde präzisiert, dass es sich hierbei um Carl Borg handle.

Zusammengefasst: Eine Marketingfirma bastelt mit Daten der Weltbank ein eher zweifelhaftes Ranking zur Nachhaltigkeit, ein Onlinemagazin, das von einer anderen Marketingsfirma betrieben wird, veröffentlicht dieses, während erstere Firma Journalist*innen mit dem Artikel zur Berichterstattung antreiben will. Darüber, was es eigentlich heißt, Falschinformationen zu verbreiten, hat bei der ganzen Aktion wohl niemand bedacht.


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