Nachdem Luxemburg im Jahr 2011 die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung unterzeichnet hatte, bemüht sich die Regierung nun um ein stärker inklusives Bildungssystem.
Es sei eine Reform auf der ganzen Linie, so Bildungsminister Claude Meisch auf einer Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch. Um der Bandbreite des Förderbedarfs gerecht zu werden, bedürfe es eines flexiblen, aber kohärenten Modells. Zu diesem Zweck seien Maßnahmen auf drei Niveaus geplant:
Auf nationaler Ebene wird eine Kooperation zwischen den fünf bestehenden Kompetenzzentren angestrebt, die jeweils auf schulische Integration, Seh- und körperliche Behinderung, Autismus, Sprachentwicklungsstörungen sowie schulische Integration spezialisiert sind. Diese sollen nun durch drei weitere Kompetenzzentren für die Bereiche „Lernschwierigkeiten“, „Verhaltensstörungen“ und „Hochbegabung“ ergänzt werden. Auf diese Weise würden Förderschwerpunkte in den Fokus gerückt, die bisher vernachlässigt worden seien, so Meisch. Als Referenzstelle für die jeweiligen Kompetenzzentren wird die übergeordnete nationale Inklusionskommission figurieren, die die gegenwärtige Commission médico-psycho-pédagogique nationale (CMPP) ersetzt.
Auf regionaler Ebene ist, anstelle der aktuellen multiprofessionellen Teams, der Einsatz von Equipes de soutien d’élèves à besoins éducatifs spécialisés et différenciés (ESEB) vorgesehen, an die sich Schulen bei Bedarf wenden können. Jedes dieser Teams steht unter der Leitung eines bzw. einer für jeweils einen regionalen Bezirk zuständige(n) DirektorIn. Darüber hinaus wird die Inklusionskommission fortan auch als Ansprechpartnerin für den nicht-formalen Bereich, also beispielsweise Kinderkrippen und Maisons Relais, bereitstehen.
Die größten Veränderungen sind auf lokaler Ebene geplant. So sollen 150 Fachkräfte eingestellt werden, die sowohl in der Grundschule als auch auf der Sekundarstufe zum Einsatz kommen. Es ist vorgesehen, dass die Schulen – das heißt die Lehrkräfte in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Inklusionskomission – in ihrem Entwicklungsplan ein je für sie spezifisches Inklusionskonzept ausarbeiten.

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Zentrales Anliegen ist die Kooperation der jeweilgen AkteurInnen, denn nur mit ihr als Voraussetzung könne den vielfältigen Bedürfnissen entsprochen werden, betonte Meisch. Bei der geplanten Reform wird eine möglichst umfassende Integration der betroffenen SchülerInnen in den regulären Unterricht angestrebt. Auch wenn einige Maßnahmen, wie beispielsweise die Inbetriebnahme dreier neuer Kompetenzzentren, erst umgesetzt werden sollen, nachdem das entsprechende Gesetz verabschiedet worden ist, erfolgen erste Änderungsschritte bereits in den nächsten Monaten. Noch in diesem Jahr sollen 70 spezialisierte Lehrkräfte eingestellt werden, davon 40 zu Schuljahresbeginn.
Es bleibt abzuwarten, ob die geplanten Maßnahmen wirklich zur Behebung bestehender Schwachstellen beitragen. Neben dem Mangel an Fachkräften und Einrichtungen gibt es momentan nämlich auch grundlegendere Probleme. So zeigte eine im Jahr 2015 von der Universität Luxemburg durchgeführte Studie, dass von den als förderbedürftig eingestuften Kindern und Jugendlichen zwei Drittel männlich sind, drei Fünftel nicht die luxemburgische Staatsangehörigkeit besitzen und nur zwei Fünftel tatsächlich in Regelklassen integriert sind. Vor diesem Hintergrund muss die Option, SchülerInnen bei Nicht-Erreichen der erforderten Kompetenzsockel an die Education différenciée zu überweisen, wohl sorgfältig überdacht werden.