Ilga-Europe legte Ende Februar gleich zwei Jahresberichte zur Situation von LGBTIQA+ Menschen in Europa vor. Die Escher Gemeinde schaffte es mit ihrem PAG in den Bericht. Allgemein sind die Aussichten schlecht, trotz kleiner Lichtblicke.
2020 war ein dunkles Jahr im Kampf für die Rechte queerer Menschen. Das offenbaren die Jahresberichte von Ilga-Europe zu ihrer Situation in EU-Ländern und in EU-Beitrittsländern. „Overall there has been a crackdown on democracy and civil society, (…) not just in Poland and Hungary”, schreibt Ilga-Europe in der Pressemitteilung zur Veröffentlichung des Jahresberichts der EU-Länder. „Contributors to the Review in several countries have expressed fears of their governments following in the footsteps of Poland and Hungary, while attacks on freedom of assembly continue to be a growing trend with brutal crackdowns and attacks, and court cases against people who took part in Pride events in 2019.”
Die polnische Regierung verteidigte letztes Jahr seine LGBT-freien Zonen. Die Kommission wies sechs Förderanträge polnischer Gemeinden im Rahmen eines Städtepartnerschaftsprogramms zurück, weil diese sich zur LGBT-freien Zone erklärt hatten. Der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro entschädigte darauffhin unter anderem die Gemeinde Tuchów, deren Förderantrag zurückgewiesen wurde – mit Geldern aus dem EU-Fonds zur Unterstützung von Gewalt- und Justizopfern. Die ungarische Regierung winkte im Frühjahr 2020 unter dem Notstandspaket zur Corona-Krise ein transfeindliches Gesetz durch: Die Personenstandsänderung ist dort seitdem verboten. Grundsätzlich sieht Ilga-Europe die Rechte von trans Menschen in Gefahr: In 19 EU-Ländern stagnieren sie oder haben sie sich verschlechtert.
Ilga-Europe stellt generell fest, dass homofeindliche Hassrede und -verbrechen europaweit enorm gestiegen sind – sowohl vonseiten offizieller Institutionen als auch in den Medien. Die öffentliche Homofeindlichkeit politischer und religiöser Anführer*innen nehme in bedeutendem Maße zu. Weltweit machten vereinzelte religiöse Sprecher*innen LGBTIQA+ Menschen für den Ausbruch der Pandemie verantwortlich, wie aus diversen Medienberichten hervorgeht.
Luxemburg kommt im Jahresbericht von Ilga-Europe gut weg: Das Großherzogtum landet auf Platz drei der EU-Länder, in denen die meisten Rechte zum Schutz von LGBTIQA+ Menschen umgesetzt wurden. Negativ aufgefallen ist lediglich die Gemeinde Esch-sur-Alzette. Die Polemik um den Plan d’aménagement général (PAG) und um die Behinderung von Wohngemeinschaften hat es in den Jahresbericht von Ilga-Europe geschafft. In einem Entwurf des neuen PAG der Gemeinde hieß es, dass nur Menschen mit einem „lien affectif“ eine Wohngemeinschaft gründen dürfen, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung. Ilga-Europe verweist in dem Zusammenhang auf einen offenen Brief von Andy Maar, dem Vorsitzenden der Organisation Rosa Lëtzebuerg.
Maar kritisierte im Juli 2020 in einem Schreiben an den Escher Bürgermeister Georges Mischo den Begriff „lien affectif“. „Rosa Lëtzebuerg est d’avis qu’un « coming out » forcé devant les officiers et fonctionnaires municipaux est une atteinte à la vie privée des habitants et donc inadmissible“, lautete der Einwand von Rosa Lëtzebuerg. Inzwischen wurde die Formulierung aus dem PAG gestrichen und der umstrittene Bebauungsplan verabschiedet.
Aus dem Bericht von Ilga-Europe geht darüber hinaus hervor, dass die Kontakte von Rosa Lëtzebuerg zu Zeiten der Pandemie um 150 Prozent gestiegen sind. Cigale wies im April 2020 in einem Schreiben darauf hin, dass LGBTIQA+ Menschen während der Krise besonders unter den Ausgangssperren leiden: Oft sind sie dadurch gezwungen sich in einem homofeindlichen Umfeld aufzuhalten, oder sind Gewalt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Identität ausgeliefert.
Neben den vornehmlich besorgniserregenden Entwicklungen, gibt es jedoch auch Positives zu berichten. Die Europäische Kommission verabschiedete im November 2020 ihre erste LGBTI-Gleichstellungsstrategie. Auch wenn ihre Umsetzung Eigenverantwortung der Staaten erfodert, setzte die Kommission damit ein Zeichen für die Rechte von LGBTI-Menschen. Die woxx berichtete ausführlich über die Strategie und sprach mit dem EU-Abgeordneten Marc Angel (LSAP) darüber.
Die EU-Beitrittsländer Montenegro, Serbien, Nordmazedonien und Albanien bemühen sich derweil, die Rechte queerer Menschen auszuweiten. Montenegro erkennt seit 2020 die gleichgeschlechtliche Ehe an. Serbien gründete 2021 eine Arbeitsgruppe, die ein Gesetz zur Anerkennung gleichgeschlechlticher Beziehungen erstellen soll. Nordmazedonien hat einen Entwurf für die Anerkennung von Personenstandsänderungen erarbeitet. Albanien hat sein Anti-Diskriminierungsgesetz um Geschlecht und den HIV-Status erweitert. Diese Informationen gehen aus der LGBTI Enlargement Review von Ilga-Europe hervor.