Mit Lücken gegen den Klimawandel? COP26, rette uns!

Am 31. Oktober beginnt der Weltklimagipfel. Den hohen Erwartungen steht die Gefahr des Scheiterns gegenüber. Ein Überblick.

Warum es einen großen Unterschied macht, wie schnell sich die Welt auf den Net-Zero-Pfad begibt. (Quelle: Emissions Gap Report 2021, Unep)

„Weit entfernt von dem, was nötig wäre“, so beschreibt der jüngste Klimabericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) den Stand der Dinge. Ein paar Tage vor Beginn des COP26-Gipfels in Glasgow, fast sechs Jahre nach der Einigung auf das Pariser Abkommen, hält die Welt immer noch Kurs auf einen Temperaturanstieg um zwei Grad und mehr. Die Emissionssenkungen, die die Unterzeichnerstaaten gegen den Klimawandel in Aussicht stellen, reichen nicht aus, das 2015 beschlossene Ziel zu erreichen, nämlich den Temperaturanstieg auf unter zwei und möglichst auf 1,5 Grad zu beschränken. Dabei gilt letztere Zielmarke mittlerweile, aufgrund der zwischenzeitlich veröffentlichten neuen Studien, als notwendig, um die Folgen der Erderwärmung in überschaubaren Grenzen zu halten.

Unep: Es reicht nicht

Der Weltklimagipfel, der am Sonntag beginnt, ist eine Art letzte Chance: Die Konkretisierung der Beschlüsse von 2015 steht immer noch aus, die Emissionen sind bis 2019 weiter gestiegen und die Atmosphäre in den internationalen Beziehungen ist angespannt. Deshalb sind die Erwartungen an die COP26, die auch noch wegen Covid-19 um ein Jahr verschoben wurde, besonders groß. Allerdings ist die Ausgangslage für die Verhandlungen ungünstig, wie unter anderem der Unep-Bericht belegt.

Die im Bericht vom Vorjahr ausgedrückte Hoffnung, auf den erzwungenen Stillstand werde ein nachhaltig ausgerichteter wirtschaftlicher Aufschwung folgen, hat sich nicht erfüllt. Der weltweite CO2-Ausstoß wird 2021 wieder fast das Niveau von 2019 erreichen und die Konjunkturpakete zielen nur zu einem geringen Teil auf eine Energiewende ab. Insbesondere die Schwellen- und Entwicklungsländer geben nur einen geringen Anteil für „grüne“ Maßnahmen aus. Der Unep-Bericht unterstreicht aber, dass der globale Süden – China ausgenommen – nur über einen Bruchteil der Finanzkraft des Nordens verfügt. Und dass ohne eine konsequente Nord-Süd-Hilfe dieser Ausgabenunterschied „die Lücken beim Entwicklungsniveau verbreitern und den Fortschritt bei der Bekämpfung des Klimawandels begrenzen wird“.

Hauptthema des „Emissions Gap Report“ sind aber andere Lücken: die zwischen der angestrebten Begrenzung der Erderwärmung und den derzeit möglichen Emissionsszenarien. Dabei berücksichtigt das Unep die neuesten Selbstverpflichtungen zu Emissionssenkungen der Staaten (Nationally Determined Contribution, NDC, meistens mit Zeithorizont 2030). Laut Pariser Abkommen sollen diese im Fünf-Jahres-Rhythmus angepasst – und im Prinzip strenger – werden. Die Auswertung des Unep zeigt, dass die jetzt vorliegenden Anpassungen gegenüber den NDCs von 2015 nur eine geringe Verbesserung darstellen. Sie bewirken eine voraussichtliche Senkung um 7,5 Prozent der für 2030 erwarteten CO2-Emissionen, wohingegen minus 55 Prozent erforderlich wären, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Hinzu kommt, dass laut Unep die wenigsten Staaten wirklich auf gutem Weg sind, ihre Ziele für 2030 zu erreichen. Dass immer mehr Regierungen sich zu einem Net-Zero-Ziel für 2050 bekennen, sei zwar positiv, doch die für 2030 deklarierten NDCs griffen dafür zu niedrig.

„Minus 55 Prozent“ – ist das nicht genau die Emissionssenkung, die sich die EU und Luxemburg vorgenommen haben? Nein, nicht genau, denn das Unep bezieht sich auf ein Business-as-usual-Szenario, während die EU ihre Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 senken will und Luxemburg 2005 als Referenzjahr nimmt. Vor allem aber ist das europäische Ziel – und es ist eines der ehrgeizigsten im globalen Norden – immer noch ungenügend, wenn man nicht dem Rest der Welt den größten Teil der Anstrengungen aufbürden will.

Die Klimabewegung möchte die Latte jedenfalls höher legen: „[Wir] fordern die Luxemburger Regierung auf, für eine ehrgeizige Haltung der EU bei den Verhandlungen einzutreten, insbesondere soll die EU ein Netto-Reduktionsziel von 65 Prozent für 2030 festlegen (…) und eine Neutralität bei Treibhausgasen [Net Zero] für 2040 anpeilen.“ Das schreibt das Bündnis United for Climate Justice in einer Pressemitteilung im Vorfeld der COP26. Im Rahmen einer Aktion „Letz talk about Klima“ hat man am vergangenen Samstag im Stadtzentrum den Dialog mit Bürger*innen gesucht. Das Bündnis von Gruppen aus den Bereichen Umwelt-, Sozial- und Nord-Süd-Politik kündigt an, in den kommenden Wochen weiterhin den öffentlichen Raum „für das Klima zu besetzen“.

XXXL wie Luxemburg

In einer Aktion vor der Chamber hieb die Action Solidarité Tiers Monde (ASTM) am Mittwoch in die gleiche Kerbe. Sie erinnerte an „die Verpflichtung der Länder, die historisch am meisten zum Ausstoß von Treibhausgasen beigetragen haben, unter anderem Luxemburg, eine konsequente Senkung ihrer Emissionen in Angriff zu nehmen“. Die Dritte-Welt-NGO stellt in ihrem Kommuniqué auch die Legitimität der COP26 in Frage, weil der ungleiche Zugang zu Impfstoffen zu einem ungleichen Zugang zum Klimagipfel geführt habe (woxx 1649): „Den Stimmen der am meisten von der Klimakrise Betroffenen keinen Raum zu geben, das reproduziert die Mechanismen der globalen Ungerechtigkeit, die die tiefen Ursachen für die klimapolitische Untätigkeit darstellen.“ Die ASTM „begrüßt“, dass die Regierung die Wichtigkeit der Klimafinanz anerkennt, merkt aber an, dass von den 200 Millionen Euro staatlicher Nord-Süd-Finanztransfers (2021-25) nur ein Fünftel in den Green Climate Fund der Vereinten Nationen fließen soll. Man könne sich fragen, „ob das wirklich ein angemessener Beitrag ist, angesichts von Luxemburgs breitem ökologischen Pro-Kopf-Fußabdruck“.

Um die Frage der Klimafinanz wird es auch bei der COP26 gehen und sie könnte die Verhandlungen zum Scheitern bringen. Bereits 2009 hatten sich die Industriestaaten verpflichtet, ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für Klimapolitik im Süden bereitzustellen. Lange Jahre schien es, als wolle man dieses Versprechen nicht erfüllen, doch im Vorfeld des Gipfels wird jetzt gespendet und schöngerechnet, um eine Erfüllung ab 2021 zu belegen. Doch hinter den Zahlen verbergen sich ungelöste Fragen. Einerseits ist der größte Teil der Fonds nur geliehen, was den globalen Süden in eine Schuldenfalle treibt. Andererseits werden die Gelder meistens in die Emissionssenkung, zum Beispiel in erneuerbare Energien investiert, nicht aber in die unrentablen, aber blutnotwendigen Anpassungsprojekte. Nicht zuletzt stellt die vermeintlich enorme Summe von 100 Milliarden nur einen Bruchteil der etwa 2.000 Milliarden Dollar dar, die laut Internationaler Energieagentur jährlich im globalen Süden investiert werden müssten.

Foto: Pixabay; Gerd Altmann

Ihr Scheitern, unser Weitermachen

Die Zögerlichkeit, mit der der globale Norden an Emissionssenkungen und Finanztransfers herangeht, ist aber nicht der einzige Grund, warum die COP scheitern könnte. Dass weder Xi Jinping noch Wladimir Putin teilnehmen wollen, lässt erwarten, dass die geopolitischen Spannungen zwischen dem „Westen“ und „den Diktaturen“, wie es mittlerweile heißt, eine zusätzliche Frontlinie in die Klimaverhandlungen hineintragen. Das am kommenden Wochenende stattfindende G20-Jahrestreffen, an dem Xi ebenfalls nicht teilnimmt, wird zeigen, ob die Zeichen auf Dialog oder auf Konfrontation stehen. Die Gefahr besteht, dass beim Klimagipfel der Westen China als größte CO2-Quelle zu drastischen Emissionssenkungen auffordert, wohingegen dessen Delegation auf die historische Schuld der Industriestaaten verweist. Dann könnte es am Ende nicht mehr darum gehen, eine Einigung zu erzielen, sondern darum, dem Gegenpart die Schuld fürs Scheitern zuzuschieben.

Too big to fail? Das sind die Klimaverhandlungen nicht, wie vergangene Flops, von Kopenhagen 2009 bis Madrid 2019 gezeigt haben. Tröstlich ist, dass die Klimabewegung, in Luxemburg und weltweit, sich durch einen Misserfolg nicht vom Weg abbringen lassen wird. Greta Thunberg drückte es gegenüber der BBC so aus: „Die Veränderung kommt, wenn die Menschen die Veränderung fordern. Also können wir nicht erwarten, dass alles bei diesen Konferenzen geschieht.“


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