MRTT was? (1) Ein Flugzeug in der Chamber

In der letzten Parlamentssitzung vor dem Sommer ging es um ein Militärflugzeug. Umstritten war, ob es sinnvoll zivil eingesetzt werden kann und wie viel es kosten darf.

Einmal Super, bitte! Australisches F-18-Kampfflugzeug beim Tanken.
(Wikimedia; Rachelle Coleman, defenseimagery.mil; PD)

Sind Chamberdebatten langweilig? Sie sind es oft, aber nicht immer. Am 23. Juli zum Beispiel wurde intensiv über zusätzliche Militärausgaben im Rahmen eines Nato-Programms diskutiert – das war informativ und unterhaltsam zugleich. Dabei wurde der Sinn der Tank- und Transportflugzeuge A330 MRTT sowohl auf technischer wie auch auf prinzipieller Ebene hinterfragt. Wir berichten über die Debatte und die Kritik, daneben gehen wir auf ein paar spezielle Aspekte ein – das A330-Flugzeug, die Entwicklungshilfe, die strategische Autonomie – und schließen mit einer Analyse ab.

Die 426,4 Millionen Euro, die zu den bereits 2016 budgetierten 172 Millionen hinzukommen, erhöhen die Beteiligung Luxemburgs an der „MRTT Multinational Unit“, die einen Pool von acht Flugzeugen umfasst. Bei den A330 MRTT (für „Multi-Role Tanker Transport“) handelt es sich um eine militärische Variante des Airbus-Jets A330, die andere Flugzeuge in der Luft betanken kann und auch als Transporter verwendet werden kann (siehe „Was ist ein A330 MRTT?“).

Auch Kampfflugzeuge müssen mal tanken

Mit dem zusätzlichen Geld kann der Pool um ein Flugzeug erweitert werden, erläuterte Stéphanie Empain (Déi Gréng) in der Chamber. Das erfülle, so die Berichterstatterin, wichtige Bedürfnisse bei Nato und EU – damit meinte sie, den Einsatzradius der Kampfflugzeuge zu erweitern. Weil man künftig nicht mehr auf die britischen Tankflugzeuge zählen könne, gehe es bei diesem Projekt auch um die „strategische Autonomie der EU, so Empain (siehe „Autonom gegen die Türkei?“). Sie unterstrich, jedes Land verfüge frei über sein Flugstundenkontingent und könne dies auch für zivile Aufgaben wie medizinische Transporte einsetzen.

Nach ihr drückten die Redner der Majorität ihre Unterstützung aus. Von der größten Oppositionspartei CSV (die für das Gesetz stimmte) kam wenig Gegenwind; ADR und Piraten brachten ein paar taktische und technische Einwände vor. Richtig interessant wurde es erst, als Marc Baum das Wort ergriff. „600 Millionen Euro, um der Nato ein Flugzeug zu schenken (…) am Vorabend einer weltweiten Wirtschaftskrise!“ entrüstete sich der Déi-Lénk-Abgeordnete. Damit griff er die bereits vor der Debatte formulierte Kritik seiner Partei auf, dieses Geld sei besser woanders investiert (siehe den 2. Beitrag „Teuer und kriegerisch“).

Déi Lénk gegen Militärausgaben

Baum bemängelte, man wolle ein offensives militärisches  Instrument mit dem Hinweis auf mögliche zivile Anwendungen schönreden – dann sei es aber logischer, gleich ein Zivilflugzeug zu kaufen. Sein Vorschlag zur Güte: Ein Brief an die Nato, in dem man erklärt, angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Aussichten wolle man vorerst keine weiteren militärischen Ausgaben tätigen. Denn, so der Abgeordnete, mehr Sicherheit könne nicht durch Aufrüstung erreicht werden, sondern durch Kooperation und Entwicklungshilfe.

Baum zitierte  in diesem Zusammenhang Franz Fayot, der als Kooperationsminister gegenüber der woxx angekündigt hatte, die Ausgaben in seinem Ressort würden bereits in diesem Jahr gesenkt („Réorientations“). Für Déi Lénk legte er prompt eine Motion vor, die fordert, diese Ausgaben stabil zu halten: Wenn die Chamber bereit sei, „600 Millionen in Kriegsmaterial“ zu investieren, dann müsse diese Forderung doch auch eine Mehrheit finden, so Baum (zur Motion und ihrem Schicksal, siehe „Grand D et petit d“).

Werte-Verteidigungs-Minister

Er würde auch am allerliebsten nicht ins Militär investieren, begann Armeeminister François Bausch sein Verteidigungsmanöver. Aber es gebe „in der Welt viele, die das nicht so sehen“. So lange die Menschen so seien, müsse man sich die Mittel geben, seine Werte zu verteidigen. Der Minister befasste sich auch mit der Idee, ein ziviles Flugzeug könne das Gleiche leisten: „Das sind Argumente, die vielleicht gut klingen, aber der Realität nicht standhalten.“ In einem Kriegsgebiet müsse man für Evakuierungen Militärflugzeuge einsetzen.

Mirage-2000-Nuklearbomber betanken, damit sie weiter reichen, ist eine wichtige Funktion der französischen A330 MRTT.
(Wikimedia; Ibex73; CC-BY-SA-4.0)

Bausch versicherte, der A330 MRTT sei keineswegs „offensives Kriegsmaterial“. Er habe den Eindruck, es gehe darum, die Armee, die Soldaten zu „bashen“. Dabei habe die Covid-Krise doch gerade gezeigt, wie wichtig es sei, über eine Armee zu verfügen. Den Vorwurf der Soldatenfeindlichkeit wollte Marc Baum wohl nicht auf sich sitzen lassen, er konterte, die Hilfseinsätze seien „eine höchst respektable und höchst notwendige Arbeit“ gewesen. Ein Flugzeug habe man dafür aber nicht benötigt.

Das war Wasser auf Bauschs Jet-Turbine: Der Minister erinnerte daran, dass die „Armée de l’Air“ mit ihrem A330 MRTT französische Covid-Kranke am Findel abgeholt hatte. Und über die Nato habe man Zelte für ein Feldlazarett erhalten. Es sei unseriös, so zu tun als benötige man in solchen Fällen nur Soldaten, man sei auch auf Logistik und Material angewiesen, so Bausch. Nach einem Exkurs des Ministers über die Gefahren, die in der Sahelzone lauern (siehe „Grand D et petit d“) wurde dann das Gesetz mit 52 gegen 8 Stimmen angenommen.

Muss Zivilschutz militärisch sein?

Leider war die Debatte damit vorbei, manches wurde nicht vertieft. Auf die Frage der besonderen Eignung des A330 MRTT gehen wir in „Was ist ein A330 MRTT?“ ein. Die Frage, die sich nach Baums und Bauschs Ausführungen eigentlich hätte stellen müssen, war die des Zivilschutzes. Von einem grünen Minister hätte man durchaus mehr erwarten können, zum Beispiel die Einsicht, dass es „unseriös“ ist, beim Katastrophenschutz immer gleich ans Militär zu denken.

Die Anschaffung von Militärmaterial für zivile Zwecke mag bei den H145M-Helikoptern und dem geplanten Militärlazarett als cleverer Trick durchgehen, um die Nato ruhigzustellen. Doch die von Luxemburg angeschafften A400M und A330 MRTT sind in erster Linie Militärflugzeuge. Um den mit dem Klimawandel einhergehenden Naturkatastrophen zu begegnen, sollte eine Stärkung der „Protection civile“ Priorität haben, nicht militärische Aufrüstung, die nebenbei auch Katastrophenhilfe leistet. Warum das A330-MRTT-Projekt eine besonders krasse Fehlinvestition ist, erklären wir unter anderem in unserer Analyse. Klar ist jedenfalls: Mit dem Geld, das der Nato geopfert wird, könnte Luxemburg viele Zelte und viel Fachpersonal im Zivilschutz finanzieren.

Link: der A330 MRTT in der woxx.


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