Tunesien-Deal der EU: Meloni macht das Spiel

Als „Team Europe“ will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Tunesien für ihre Flüchtlingspolitik gewinnen – und zählt auf Italiens rechtsextreme Ministerpräsidentin Giorgia Meloni als Spielmacherin.

Ein tolles Team: Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (vorne links) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (vorne rechts) mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte (hinten rechts) am 16. Juli in Tunis. (Foto: European Union, 2023/Dati Bendo)

Als sich Mark Rutte, Giorgia Meloni und Ursula von der Leyen im Juni erstmals auf den Weg nach Tunesien machten, war die Tinte unter dem soeben getroffenen „Asylkompromiss“ noch nicht trocken. Die in Luxemburg von den EU-Innenminister*innen vereinbarte Position, die sie im Trilog mit EU-Parlament und -Kommission durchsetzen wollen, soll möglichst vielen Asylsuchenden das Recht nehmen, in Europa Schutz zu bekommen. Das funktioniert aber nur, wenn es Drittstaaten wie Tunesien gibt, die verhindern, dass die Flüchtenden überhaupt auf EU-Territorium gelangen.

Ein abgehalfterter niederländischer Ministerpräsident, dessen Regierungskoalition an der allzu rabiaten Asylpolitik seiner Partei zerbrochen ist; eine italienische Regierungschefin mit einer Karriere in faschistischen Organisationen: Mit dieser von ihr als „Team Europe“ getauften Reisebegleitung wollte die EU-Kommissionspräsidentin ausgerechnet jenen Präsidenten für eine auf der „Achtung der Menschenrechte“ beruhende Migrationspolitik gewinnen, der den autoritären Umbau der tunesischen Gesellschaft vorantreibt und die nordafrikanische Version der rechten Verschwörungserzählung vom „Großen Austausch“ zum Besten gibt.

„Das unerklärte Ziel der aufeinanderfolgenden Wellen illegaler Einwanderung ist es, Tunesien als rein afrikanisches Land zu betrachten, das nicht zu den arabischen und islamischen Nationen gehört“, so Kais Saied im vergangenen Februar und raunte von einer „kriminellen Vereinbarung, die seit Beginn dieses Jahrhunderts getroffen wurde, um die demografische Struktur Tunesiens zu verändern.“ Die Frage, weshalb man gerade mit ihm „einen wichtigen Meilenstein in den Beziehungen zwischen Tunesien und der Europäischen Union setzen“ (von der Leyen) will, erübrigt sich, wenn man bedenkt, dass zentrale Elemente des Tunesien-Deals auf Meloni zurückgehen, die in Italien laut dem Autor unseres Thema-Artikels (Seite 4) ihrerseits eine Faschisierung der Gesellschaft betreibt.

Das Recht auf Asyl soll zwar nicht als Prinzip der Menschenrechte abgeschafft werden, aber in der Praxis keine Sache der EU mehr sein.

Zunächst 105 Millionen Euro will man es sich noch in diesem Jahr kosten lassen, damit Tunesien für die EU die Drecksarbeit bei der Flüchtlingsbekämpfung übernimmt, insgesamt 900 Millionen Euro wurden in Aussicht gestellt. Saied, der das Land rasant in den Bankrott regiert, beeilte sich zu zeigen, dass er liefert: Noch ehe er im Juli ein „Memorandum of Understanding“ mit der EU unterzeichnete, ließ er Hunderte Flüchtlinge von der tunesischen Küstenregion über die Grenze in die Wüste Libyens jagen.

Apropos Libyen: Anfang Juli gab Ylva Johannson, die EU-Kommissarin für Migration, zu, was alle seit Jahren wissen: dass die von der EU subventionierte sogenannte libysche Küstenwache von kriminellen Gruppen „unterwandert“ sei. Das ist noch untertrieben, da sich das gesamte Personal aus Gangs und Milizen rekrutiert, die mit dem Elend der Flüchtlinge, mit Menschenhandel und Erpressung Kasse machen – mit großzügiger Unterstützung der EU („Zwischenfälle mit System“ in woxx 1731).

Der Luxemburger „Asylkompromiss“ nimmt also Gestalt an: Das Recht auf Asyl soll zwar nicht als Prinzip der Menschenrechte abgeschafft werden, aber in der Praxis keine Sache der EU mehr sein. Begünstigt wird diese Politik nicht zuletzt durch die Indifferenz in der europäischen Bevölkerung, die von den Flüchtlingsschicksalen teils kaum noch Notiz zu nehmen scheint. „Team Europe“ hat leichtes Spiel.


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