Justizminister Luc Frieden musste sein Gesetz zur Einschränkung des Versammlungsrechts zwar zurückziehen. Dennoch scheinen Luxemburger Gerichte seinen Vorstellungen enstprechend zu urteilen.
Nehmen wir einmal an, ein Journalist erwähnt in einem Presseartikel das Gerücht einer großherzoglichen Verwicklung in die Bommeleeër-Affäre. Und ruft zugleich indirekt dazu auf, den Großherzoglichen Palast kurzzeitig zu blockieren, um durch diese Aktion den Hof unter Druck zu setzen, endlich seine Sicht der Dinge zu schildern. Angenommen, es würden sich daraufhin hunderte aufgebrachte BürgerInnen vor dem Palais versammeln und dort die Touristenscharen daran hindern, eine der Hauptattraktionen der Stadt Luxemburg zu besichtigen. In diesem rein fiktiven Beispiel würde der Hof daraufhin das Presseorgan verklagen – auf Schadensersatz, wegen der ausgebliebenen Eintrittsgelder.
Dank des neuen Pressegesetzes müsste zunächst einmal ein Strafgericht darüber entscheiden, ob die Palastblockade tatsächlich illegal war. Erst danach könnte der geforderte Schadensersatz zivilrechtlich erstritten und gegebenenfalls der Schreiberling zur Kasse gebeten werden. Auch vorstellbar – und zugegeben realistischer wäre der Fall eines Streiks der Bahnarbeiter, die sich gegen die neuesten Resultate der Eisenbahn-Tripartite wehren. Bevor ein Unternehmen, das etwa an diesem Tag umsonst auf seine Belegschaft wartete, die Streikenden auf Schadensersatz verklagen könnte, müsste der Streik erst einmal von einem Gericht als illegal erklärt werden.
Nicht so, wenn es um den Protest einer Umweltorganisation gegen ein Erdölunternehmen geht. Bereits zwei Mal wurde der Klage von Exxon Mobil gegen Greenpeace von einem Luxemburger Zivilgericht stattgegeben. Umweltaktivisten hatten vor drei Jahren 28 Esso-Tankstellen in Luxemburg besetzt. Dadurch sei Esso ein Schaden von 309.000 Euro entstanden, so die Begründung der Klage. Eine beachtliche Summe, die nun von einem Expertenteam überprüft werden soll. Eindeutig geklärt ist für das Gericht, wer für die Aktion an den Zapfsäulen verantwortlich ist: Greenpeace Luxembourg asbl, die Fondation Greenpeace Luxembourg und Greenpeace International. Die Beweise dafür sind teilweise weit hergeholt. Im 54-seitigen Urteil des Gerichts ist unter anderem ein Auszug aus einem Brief der Fondation Greenpeace an seine Mitglieder zitiert: „(…) Il nous appartient de stopper ce géant pétrolier déraisonnable et de l’inciter à changer sa facon de voir les choses (…)“ Die Beteiligung von Greenpeace International führt das Gericht auf die Präsenz des Direktors besagter Organisation in Luxemburg und auf Aussagen von Militanten in einem Zeitungsbericht der „Libération“ zurück.
Das Gericht gibt also dem Kläger Esso darin Recht, dass nicht die einzelnen AktivistInnen sondern die drei Organisationen für diese Aktion geradestehen müssen. Damit würden die Demonstrierenden für unmündig erklärt, findet der Direktor von Greenpeace-Luxemburg, Paul Delaunois. Schließlich handele jeder in seinem eigenen Namen und die TeilnehmerInnen der Tankstellen-Blockade seien sich des Risikos durchaus bewusst gewesen. Dass Greenpeace sie im Falle eines verlorenen Gerichtsprozesses unterstützen würde, sei eine Sache. Die Verantwortungszuweisung des Gerichts eine andere. Tatsächlich wurde in den allermeisten der über 200 Gerichtsverfahren, die Esso in anderen Ländern führte, anders entschieden.
Darüber, ab wann eine politische Aktion „berechtigt“ ist und welche Mittel ein Gericht durchgehen lassen kann, dürfte es im Allgemeinen kaum einen gesellschaftlichen Konsens geben. Dass man einen Ölmulti mit Blockaden zum Klimaschützer bekehren kann, gehört nun einmal zum Glauben einer Organisation wie Greenpeace. Mit diesem Urteil unterstützt das Gericht eindeutig die Einschüchterungsversuche von Exxon Mobil. Noch ist nicht klar, ob es dabei bleibt, denn das Verfahren wird auf höherer Ebene weiter verhandelt. Es bleibt also noch etwas Zeit, sich mit den mehr oder weniger weitreichenden Folgen eines solchen Urteils auseinanderzusetzen.