Déi Gréng: Der lange Weg zur Gleichberechtigung

Selbst die Grünen hatten nicht erwartet, dass es 36 Jahre bis zur Geschlechterparität in Regierung und Fraktion dauern würde.

Photos : woxx/rg

Eine Folge der „grünen Krise“, ausgelöst durch den tragischen Herzinfarkt des Justizministers Félix Braz und den doppelten Rücktritt von Roberto Traversini, wurde anlässlich der kurzfristig durch das grüne Präsidium für Mittwoch einberufenen Pressekonferenz nicht einmal erwähnt.

Wenn Henri Kox demnächst seinen Eid als Minister ablegt, dann wird die grüne Fraktion mehr Frauen als Männer umfassen. Es wird überhaupt das erste Mal sein, dass im Parlament eine Fraktion das Paritätssoll übererfüllt.

Seitdem die „Gréng Alternativ“ sich 1984 erstmals Wahlen stellten, taten sie es immer mit paritätischen Listen. Allerdings wurde erst im dritten Anlauf 1994 mit Renée Wagener erstmals eine grüne Frau im Parlament vereidigt. Eigentlich hatte es schon 1989 geklappt, aber Thers Bodé verstarb ehe sie ihr Mandat im Parlament antreten konnte, mit nur 35 Jahren.

Die Dominanz der Herren sollte auch bei den Grünen noch lange gelten. Paritätische Listen, weiblich-männliche Doppelspitzen und die gezielte Unterstützung einzelner Kandidatinnen, um an Bekanntheitsgrad dazuzugewinnen, halfen nicht, spürbar mehr Frauen in das Parlament entsenden zu können. Schuld daran waren natürlich die Wähler*innen, die das an sich paritätische Angebot nicht entsprechend zu würdigen wussten. So hieß es bisweilen vonseiten einer politischen Bewegung, in deren innerparteilichen Gremien die Frauen, nicht nur aus statutarischen Gründen, stärker repräsentiert waren, als es die politische Prominenz erkennen ließ.

Aber auch die Parteimilitantinnen mussten sich vorwerfen lassen, den eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden: Als 1987 Jean Huss entsprechend der Rotationsregel seinen Platz in der Chamber räumte, erklärten gleich mehrere Frauen, nicht Abgeordnete werden zu wollen, und so rückte mit Guy Bock ein Mann als Süddeputierter nach.

Erst als Jean Huss 2011 sein Abgeordnetenmandat endgültig niederlegte, konnte die grüne Fraktion neben Viviane Loschetter, die 1994 erstmals gewählt worden war, mit der nachrückenden Josée Lorsché, die doch sehr bescheidene Frauenquote etwas auf 2:5 verbessern. Bei den vorgezogenen Wahlen 2013 wurden beide Frauen wiedergewählt. Die Regierungsbeteiligung hob mit Carole Dieschbourg eine grüne Frau neben drei Männern in Amt und Würden. Ins Parlament rückten zunächst drei Männer nach – damit waren nur drei von insgesamt zehn grünen Spitzenpolitiker*innen weiblich. Das war durchaus verbesserungsfähig.

Die Grünen sind in der Paritätsfrage endlich da angelangt, wo sie von Anfang an sein wollten.

Als Sam Tanson im April 2018 für den politischen Aussteiger Claude Adam nachrückte, gab es zumindest vorübergehend eine 3:3 Parität auf Fraktionsebene. Die machte der grüne Wahlerfolg im Oktober des gleichen Jahres, von sechs auf neun Mandate, allerdings gleich wieder zunichte. In der Folge der erneuten Regierungsbeteiligung konnte die nunmehr direkt gewählte Sam Tanson zwar die grüne Quote in der Exekutive verbessern, aber in die verstärkte Fraktion rückten nur zwei Frauen nach: Djuna Bernard und Stéphanie Empain. Zusammen mit der Fraktionsvorsitzenden Josée Lorsché fiel die Quote also auf ein bescheidenes Drittel zurück.

Die jetzt notwendig gewordene Regierungsumbildung mag auf den ersten Blick enttäuschen: Anstelle von Josée Lorsché soll mit Henri Kox also doch wieder ein Mann das Rennen machen. Doch er und Roberto Traversini machen Platz frei für zwei junge Frauen, Chantal Gary und Semiray Ahmedova, die das bislang vor allem durch etwas ältere Herren geprägte Gesamtbild der grünen Fraktion schlagartig verändern werden.

Die Grünen sind in der Paritätsfrage endlich da angelangt, wo sie von Anfang an sein wollten. Oder um es in einen aktuelleren und weiter ausgedehnten historischen Kontext zu stellen: Genau hundert Jahre nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Männer und Frauen hat es endlich eine politische Partei geschafft, die geschlechtliche Parität sowohl in der Legislative als auch in der Exekutive herzustellen.


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