Der Klimawandel kommt aus dem Westen

Eine neue Studie zeigt, wie enorm der Beitrag der westlichen Industrieländer zur Klimakrise wirklich war.

Verteilung des (direkten) CO2-Ausstoßes des Jahres 2006. (Wikimedia; Distantbody, Jrockley; CC BY-SA 3.0)

Alle wollen das Klima retten, doch ein paar tragen eine besondere Verantwortung. Das ergibt sich aus einer neuen Studie über die historische Verteilung der CO2-Emissionen (detaillierte Zusammenfassung der Studie auf heise.de: Europa und USA fast allein für Klimakatastrophe verantwortlich). Dass die Länder des globalen Nordens durch ihren Verbrauch von fossilen Brennstoffen seit Beginn der industriellen Revolution wesentlich zum Treibhauseffekt beigetragen haben, ist zumindest für woxx-Leser*innen keine neue Information.

Doch seit China 2007 die USA als größter Emittent überholt hat, wird immer seltener darauf hingewiesen, dass die Industrieländer eine besondere historische Verantwortung für die Klimakrise tragen. Immerhin weist das Pariser Abkommen von 2015 noch auf die „gemeinsame aber differenzierte Verantwortung und die jeweiligen Handlungsmöglichkeiten“ beim Klimaschutz hin. Fakt ist, dass mittlerweile über 30 Prozent des CO2 in China ausgestoßen werden, mehr als zweimal soviel wie in den USA. Da die Tendenz steigend ist, wird es für den globalen Klimaschutz entscheidend sein, wann und wie schnell China seine Emissionen senken kann.

China: Viel CO2, viele Köpfe

Dass China den größten Anteil an der Lösung hat, heißt aber nicht, dass es auch der größte Verursacher des Klimaproblems ist. Bisherige Studien haben die historischen Emissionen kumuliert, wodurch sich ein anderes Bild ergibt: In den USA wurde zwischen 1751 und  2017 ein Viertel des gesamten CO2 ausgestoßen, in der EU 22 Prozent, in China dagegen nur 12,7 Prozent (siehe Our World in Data).

Die neue Studie bringt nun zwei zusätzliche Faktoren ins Spiel: Pro-Kopf-Emissionen und indirekte Emissionen (siehe auch Luxembourg Overshoot (1): Sechs Monate Vorsprung!). Laut heise.de geht der Autor Jason Hickel davon aus, „dass die Erdatmosphäre ein gemeinsames Gut ist und jede Nation auf Basis ihrer Einwohnerzahl einen fairen Anteil daran haben sollte“. Außerdem ist es kaum gerechtfertigt, die Gesamtheit der Emissionen für in China hergestellte Produkte den chinesischen Arbeiter*innen zuzurechnen, wo es doch meistens westliche Konsument*innen sind, die diese – und das darin „enthaltene“ CO2 – konsumieren.

Überschuss von 685 Gigatonnen

Entwicklung des (direkten) CO2-Ausstoßes seit 1970. (Wikimedia; Tomastvivlaren; CC BY-SA 4.0)

Hickel schätzt, dass der Klimawandel ab 1990 richtig in Fahrt gekommen ist, als der CO2-Anteil in der Atmosphäre 350 ppm (Millionstel) überschritten hat. „Laut Hickel hätten maximal 830,1 Gigatonnen an CO2 ausgestoßen werden dürfen, zwischen 1850 und 2015 seien es aber 1516,2 Gigatonnen gewesen“, so heise.de. „Der Forscher hat nun berechnet, wie viele dieser 1,5 Billionen Tonnen CO2 aus welchem Land stammen (1850 bis 1969) beziehungsweise auf den Konsum in einem Land zurückgehen (1970 bis 2015). Das konnte er ins Verhältnis setzen zu dem Budget, das jedem Staat auf Basis der Bevölkerungszahl zuzubilligen wäre.“

Ergebnis: 80 Prozent des übermäßigen CO2-Ausstoßes seit 1850 geht auf die USA und Europa zurück. Indien hat demzufolge erst ein Drittel des ihm zustehenden CO2-Budgets verbraucht. Auch China steht auf einmal viel besser da: Bis zu Hickels Referenzjahr 2015 hatte das Land sein Budget immer noch nicht ausgeschöpft. Allerdings relativiert heise.de diese Aussage: „Mit einem aktuellen Ausstoß von etwas mehr als 10 Gigatonnen pro Jahr – doppelt so viel wie die USA und fast dreimal so viel wie die Europäische Union – dürfte das Land inzwischen aber ebenfalls über seinem Budget liegen.“ Hickel werte das Übermaß westlicher Emissionen als „atmosphärische Kolonisierung“, so heise.de, denn „die reichsten Staaten hätten die Atmosphäre weit stärker verschmutzt als ihnen zusteht, während der globale Süden von den Folgen überproportional betroffen ist und sein wird“.

Im Süden produziert, in Luxemburg konsumiert

Dieser harsche Vorwurf ist sicher berechtigt, andererseits wäre es nicht ganz richtig, die Schwellenländer, in denen so viele Konsumprodukte hergestellt werden, völlig aus der Verantwortung zu entlassen. Zwar entstehen bei der Produktion Emissionen, die nicht dem Land zuzurechnen sind, sondern exportiert werden. Doch wie hoch diese Emissionen sind hängt von den Rahmenbedingungen vor Ort ab. Wünschenswert wäre, dass die Umweltauflagen, wie auch die Arbeitsbedingungen, in Nord und Süd konvergieren. Damit der globale Süden sich das leisten kann, braucht es wiederum Kapital- und Wissenstranfers aus dem Norden – genau das ist mit „gemeinsamer aber differenzierter Verantwortung“ gemeint.

Und Luxemburg? „Schlimmster CO2-Sünder“ sind laut heise.de die USA mit einem historischen Ausstoß von 420,4 Gigatonnen CO2. Gemessen an der Zahl ihrer Einwohner*innen hätten sie nur 41,5 Gigatonnen emittieren dürfen. Gewiss, die Industrialisierung hat in Luxemburg später begonnen, doch bekanntermaßen sind wir Weltmeister*innen im Konsum. Vermutlich hat Hickel die kleineren Länder nicht untersucht, sonst wären die USA nur zweitplatziert.

Link zur Vorstellung der Studie durch Jason Hickel im Lancet (auf englisch).

 


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