Menschen mit Behinderung und Senior*innen in Wohneinrichtungen werden nach Aktivitäten außerhalb der Strukturen nicht mehr in Quarantäne gestellt. Oder doch? Die Antworten der Familienministerin sind verwirrend.
Die CSV-Abgeordneten Françoise Hetto und Marc Spautz stellten innerhalb weniger Tage gleich zwei parlamentarische Anfragen an Familienministerin Corinne Cahen. In beiden Fällen ging es um die Lockerungen der Ausgangssperre während der Corona-Krise in Betreuungsstrukturen für Menschen mit Behinderung und Senior*innen. Die Antworten der Ministerin geben ein klares Zeichen: Der Ball liegt bei den Betreiber*innen.
So hat Cahen die Betreiber*innen von Betreuungs- und Arbeitsstrukturen für Menschen mit Behinderung dazu aufgefordert, Wiedereröffnungsstrategien auszuarbeiten, die die Hygiene- und Sicherheitsvorschriften zum Schutz der Bewohner*innen und des Personals respektieren. Das Familienministerium und die Direction de la santé begutachten die Dokumente. Bis dato gingen 36 Strategien bei den zuständigen Autoritäten ein. Aus den Antworten der Familienministerin geht zudem hervor, dass die Betreuungs- und Arbeitsstrukturen für Menschen mit Behinderungen spätestens seit dem 25. Mai 2020 wieder geöffnet sind. Behinderte Arbeitnehmer*innen, die in betreuten Wohnungen leben, dürfen inzwischen wieder ohne anschliessende Isolierung arbeiten gehen.
Die Bewohner*innen von Alten- und Pflegeheimen können laut Cahen „en principe“ Familie und Freunde sowie Dienstleister*innen außerhalb der Residenz besuchen, ebenfalls ohne hinterher in Quarantäne gestellt zu werden. Diese Information sei allerdings noch nicht bei allen Betreiber*innen von Alten- und Pflegeheimen angekommen, schreiben die CSV-Abgeordneten in ihrer parlamentarischen Anfrage zum Thema. Die Ministerin entgegnet, dass die Betreiber*innen Eigenverantwortung für die Umsetzung der ministeriellen Empfehlungen tragen.
Die Copas, Dachverband der Pflege- und Betreuungsstrukturen in Luxemburg, scheint damit einverstanden zu sein. Der Verband hebt in einer Stellungnahme zur allgemeinen Lockerung der Ausgangssperre hervor, jede Struktur müsse gemäß der Lebenssituation der Bewohner*innen, personeller und architektonischer Kapazitäten auf die derzeitige Situation – Besuche, Ausgänge, interne Zusammenkünfte – reagieren. Die Copas gibt zudem an, dass jede*r Bewohner*in nach einer Aktivität außerhalb der Betreuungsstruktur individuell zu möglichen Ansteckungsgefahren befragt werden soll, damit das Personal gegebenenfalls Sicherhetisvorkehrungen ergreifen kann.
Zwar ist es nachvollziehbar, dass keine pauschale und verbindliche Reglung für alle Strukturen aufgestellt werden kann, doch sind die Bewohner*innen und ihre Familienangehörigen somit der Willkür der Betreiber*innen ausgesetzt. Sie müssen auf deren guten Willen vertrauen. Das hat zum Einen Konfliktpotential, das zu verhärteten Fronten zwischen den Betreiber*innen und den Familien führen kann. Zum Anderen birgt es das Risiko, dass die begrenzte Autonomie der Senior*innen weiter eingeschränkt wird. Eine transparente und produktive Kommunikation aller Beteiligten scheint deshalb wichtiger denn je.
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