Die CSV-Abgeordneten Laurent Mosar und Marc Spautz befragten die Regierung zu Antisemitismus in Luxemburg. Die Antworten offenbaren Datenlücken, Pläne und einen alarmierenden Blick auf die Nachbarländer.
Die CSV-Abgeordneten Laurent Mosar und Marc Spautz sprechen in einer rezenten parlamentarischen Anfrage Antisemitismus in Luxemburg an. Die Politiker verweisen auf Aussagen von Bernard Gottlieb der „Recherche et information sur l’antisémitisme au Luxembourg“ (RIAL). Gottlieb gab im Juni im Interview mit dem Radiosender RTL Lëtzebuerg bekannt, der Antisemitismus gegen Israel und gegen jüdische Menschen im Allgemeinen habe in den letzten Monaten in Luxemburg zugenommen. Mosar und Spautz wollen von der Regierung wissen, ob sie diesen Trend bestätigen kann und wie sie ihm gegebenenfalls entgegenwirken will. Angeschrieben wurden die Justizministerin Sam Tanson (déi Gréng), der Staatsminister Xavier Bettel (DP), der Außen- und Europaminister Jean Asselborn (LSAP) und der Bildungsminister Claude Meisch (DP). Ihre Antworten sind in dem Sinne ernüchternd, dass sie kaum Aufschluss über die Situation geben.
Antisemitisch motivierte Straftaten werden hierzulande nicht separat erfasst, denn sie gelten als Diskriminierung aufgrund der religiösen Zugehörigkeit. Im Jahr 2019 gab es in dem Zusammenhang eine, im Folgejahr drei Verurteilungen. Bei Körperverletzungen und anderen Delikten werden antisemitische Motive nicht statistisch erhoben oder sind nicht bekannt. Die Minister*innen verweisen in dem Kontext auf eine parlamentarische Anfrage vom April: Die Polizei arbeite derzeit an Lösungen zur Verbesserung der Statistiken.
Sie sind trotz Datenlücke überzeugt, dass die Polizei und die Justiz die nötigen Maßnahmen ergriffen haben, um gegen antisemitische Hassrede vorzugehen. Sie verweisen auf eine weitere parlamentarische Anfrage vom April, in der Sam Tanson und Claude Meisch über allgemeine Sensibilisierungskampagnen, Anlaufstellen für Opfer und Zeug*innen sowie Begleitprogramme für Täter*innen im Bereich Cybermobbing aufklärten.
Die spezifische Sensibilisierung für die Shoah soll ab 2022 im Kloster Cinqfontaines in einem neu gegründeten „Centre d’éducation à la citoyenneté et de la mémoire des victimes de la Shoah“ vertieft werden. Die Regierung hat das Anwesen – im Rahmen eines Abkommens mit dem Consistoire israélite – erworben. Die Koordination übernehmen der Service National de la Jeunesse und das Zentrum fir politesch Bildung.
Das Zentrum soll neben der Shoah in Luxemburg und andernorts auch Exil, Migration, Menschenrechte, Diversität, Toleranz sowie die Bekämpfung und Erkennung von Diskriminierung thematisieren. Darüber hinaus besteht seit 2019 eine Partnerschaft zwischen dem Bildungsministerium und dem „Yad Vashem – The World Holocaust Remembrance Center“, die Personal aus dem Bildungsbereich Weiterbildungen zu diesen Themen ermöglicht.
Die Minister*innen erwähnen in ihrer Antwort außerdem die Studie „The rise of antisemitism online during the pandemic. A study of French and German content“ der Europäischen Kommission und zeigen sich alarmiert. Nach der Studie ist der Online-Antisemitismus in Deutschland und Frankreich in den letzten Monaten stark gestiegen.
Zwischen Anfang 2020 und 2021 sind die antisemitischen Online-Beiträge in Frankreich ums sieben-, in Deutschland ums dreizehnfache gestiegen. In Deutschland wird vor allem der Mitteilungsdienst Telegram genutzt: Die Forscher*innen identifizierten 200 Kanäle, über die antisemitischer Hass verbreitet wurde. In Frankreich läuft das Ganze vorwiegend über Twitter, wo 167 entsprechende Accounts festgehalten wurden. Facebook kommt in beiden Ländern auf Platz zwei.
Die woxx berichtete im Juli über die Pandemie und die damit verbundene Hetze gegen Jüdinnen und Juden. In dem Artikel wurde ebenfalls Bernard Gottlieb zitiert: Er wusste von Einzelfällen zu berichten, in denen in Luxemburg antisemitisch konnotierte Verschwörungstheorien über soziale Netzwerke verbreitet wurden.