Direktive gegen Greenwashing: Nachhaltigkeit ist übermorgen

Nachhaltigkeitsberichte von Firmen sollen ihrem Anspruch gerecht werden. Die CSR-Direktive gibt einheitliche Regeln vor und will neben dem Unternehmenswohl auch das Gemeinwohl in den Blick nehmen.

Blühende Berichte zur Nachhaltigkeit – endlich ohne Greenwashing? (Pixabay; GDJ)

Das „Ende des Greenwashing“ hatte der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire im Juni 2022 angekündigt, nachdem sich Regierungen und Europaparlament über die CSR-Direktive (CSRD) geeinigt hatten. Auch wenn es dabei um „Corporate Social Responsability“ geht, so steht das Kürzel hier doch für „Corporate Sustainability Reporting“ – eine EU-weit einheitliche Berichterstattung zur Nachhaltigkeit, zu der Unternehmen künftig verpflichtet sind. Die derzeit meist freiwillige und oft oberflächliche Praxis der Nachhaltigkeitsberichte soll durch eine Verpflichtung zu umfassenden Berichten nach klaren Regeln ersetzt werden – auch für Luxemburg eine bedeutsame Veränderung. Nachdem die Direktive im Dezember 2022 veröffentlicht wurde, muss sie bis Juli diesen Jahres in nationales Recht umgesetzt werden, wobei die ersten Berichte für das Jahr 2024 rückblickend zu erstellen sind.

Mein CO2 ist nur Scope 3

Als erster Mitgliedstaat hat Frankreich die CSRD im Dezember 2023 umgesetzt, anderswo scheint man weniger pressiert zu sein. Das ist kein Zufall, hat doch Frankreich in diesem Politikbereich eine Pionierrolle gespielt, wie ein dieser Tage erschienener Artikel der Zeitschrift Alternatives économiques erläutert. Unter dem Titel „Quand les comptes des entreprises virent au vert“ erinnert der Klimaexperte Antoine de Ravignan an die „Déclaration de performance extra-financière“, zu der französische Unternehmen bereits 2010 im Rahmen der Grenelle-Gesetze verpflichtet wurden. Auf EU-Ebene wurde daraus 2017 die „Non-Financial Reporting Directive“ (NFRD), die Vorgängerin der CSRD. Diese neue Direktive reiht sich in den Versuch der Von-der-Leyen-Kommission ein, die EU mit dem Green Deal zur Vorreiterin in Sachen Nachhaltigkeit zu machen, zum Wohle des Planeten … und in der Hoffnung auf Wettbewerbsvorteile. In diesem Sinne sind auch Wirtschaftskreise daran interessiert, einen wenig glaubwürdigen Bericht-Wildwuchs durch ein einheitliches Reporting zu ersetzen – wirken aber zugleich darauf hin, dass die einheitlichen Regeln möglichst wenig streng ausfallen.

Wie schon bei ihrer Vorgängerin steht auch bei der CSRD der Klimawandel im Mittelpunkt. Der Nachhaltigkeitsbericht muss Angaben zu den durch das Unternehmen verursachten CO2-Emissionen machen. Dabei unterscheidet man mehrere Ebenen, wie Alternatives économiques erklärt. Scope 1 sind die direkten Emissionen innerhalb des Unternehmens, zum Beispiel bei der Beheizung von Büros. Scope 2 betrifft indirekte Emissionen durch den Energieverbrauch, zum Beispiel das im Strom „enthaltene“ CO2. Scope 3 schließlich umfasst weitere indirekten Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Unternehmens. Erstmalig wird mit der CSRD auch die Berichterstattung über Scope-3-Emissionen obligatorisch.

Eine weitere wichtige Bestimmung versteckt sich hinter dem Begriff der „double materiality“. Von Unternehmensberichten wird erwartet, dass sie alle wesentlichen („material“) Informationen offenlegen, die für eine Bewertung des Zustandes und der Entwicklung des Unternehmens wichtig sind. Hierfür interessieren sich naturgemäß die Investor*innen, wobei im Zuge der Klimakrise nicht nur auf die wirtschaftliche, sondern auch auf die ökologische Nachhaltigkeit geschaut wird: Ein Unternehmen, dessen Kapital auf fossilen Energien, zum Beispiel Schürfrechten für Erdöl beruht, kann als potenziell bankrott angesehen werden („stranded assets“). Die „double materiality“ in der Berichterstattung umfasst zusätzlich zu den Auswirkungen auf das Unternehmenswohl auch die Auswirkungen auf das Gemeinwohl, im Klimabereich und darüber hinaus.

Gut vorbereitete Lobbys

Für Luxemburg als Fonds-Standort ist das wichtig, weil die grünen Labels sich künftig auf die CSRD-Berichte beziehen können und müssen – derzeit kann man Greenwashing betreiben und sich dabei hinter den unzureichenden Daten verstecken. Kein Wunder, dass mehrere Antworten auf Questions parlementaires die CSRD erwähnen; durch die Direktive könnten sich die Diskussionen über die Investitionspolitik des Fonds de compensation ebenfalls klären (woxx 1768). Kein Wunder auch, dass vergangenes Jahr die Chambre de Commerce im Mai eine Konferenz zur CSRD organisierte und die Fedil im September ein Positionspapier zu ihrer Umsetzung vorlegte. Seitens der Zivilgesellschaft gibt es bisher keine vergleichbaren Advocacy-Aktivitäten zu diesem hochtechnischen Thema.

Ist die EU damit Tugendbold in Sachen Transparenz für ethische Investitionen, fragt Antoine de Ravignan. Und zählt im Alternatives-économiques-Artikel die Schwächen der CSRD auf. So lässt ihre stufenweise Einführung viel Zeit für Lobbying und Relativierung der ursprünglichen Ziele. 2024 werden nur die bereits von der NFRD erfassten Unternehmen berichten müssen, ab 2025 dann alle größeren Firmen. Mittlere und kleine Unternehmen werden sowieso nur betroffen sein, wenn sie als „Public Interest Entity“ eingestuft werden. Für sie beginnt das große Berichten frühestens 2026. Dafür soll ab 2028 die Berichtspflicht auch für größere Firmen aus Drittstaaten mit substanzieller Aktivität in der EU gelten – was auf starken Widerstand von US-Lobbys stößt.

Was dieses Lobbying bewirken kann, zeigt sich an der Endfassung der für alle Unternehmen gültigen Normen, die im Juli 2023 festgelegt wurden: Sie sind noch „flexibler“ als das, was die EU-Beratungsgruppe Efrag empfohlen hatte. Dies dürfte eine Folge der Kritik aus Wirtschaftskreisen sein – und ein Ausblick auf kommende Verwässerungen. Ursula von der Leyen hat sich in diesem Sinne mehrfach für die sogenannte administrative Entlastung der europäischen Unternehmen ausgesprochen – ein Trend, für den auch Premierminister Luc Frieden steht.

Problematisch ist auch, dass nach der Festlegung der allgemeinen Normen die der sektoriellen auf Eis liegt. Dabei können detaillierte Vorgaben den Unterschied zwischen Greenwashing und ernsthafter Nachhaltigkeits-Berichterstattung machen, wie de Ravignan am Beispiel von Total zeigt: Der Konzern hatte in seinem Bericht, anders als die Konkurrenz, seine Erdöl-Trading-Aktivitäten nicht unter Scope 3 aufgeführt, sondern einfach weggelassen. Greenpeace bemängelte diesen Trick, der zu nicht vergleichbaren Zahlen führt – und wurde dafür von Total vor Gericht gezerrt. Bis die CSRD wirklich funktioniert und in solchen Fällen Klarheit schafft, dürfte das totgesagte Greenwashing noch viele Jahre fröhlich weiterleben.


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