Affaire du siècle – ein Sieg für das Klima

In Frankreich hat die Umweltbewegung vor Gericht durchgesetzt, dass eine unzureichende Klimapolitik als illegal erklärt wird. Vorgeschichte, Details und Ausblick.

Nein, die „Affaire du siècle“, die Jahrhundertaffäre ist kein Justiz-Skandal und keine Bestechungsaffäre, auch wenn sie vor den Gerichten ausgefochten wird. Vielleicht sollte man die Initiative, die Anfang Februar in Frankreich für Schlagzeilen sorgte, eher mit „die große Sache des Jahrhunderts“ übersetzen – es geht um den Klimawandel und die Verantwortung staatlicher Instanzen, diesen zu stoppen.

Ende 2018 hatten drei Umwelt-NGOs (Fondation Nicolas Hulot, Greenpeace und Oxfam) der französischen Regierung einen Antrag auf Wiedergutmachung unterbreitet, weil diese ihren Verpflichtungen zum Kampf gegen den Klimawandel nicht ausreichend nachgekommen sei. Nachdem die Regierung ablehnend geantwortet hatte, zogen sie als Kollektiv „Notre affaire à tous“ vor das Verwaltungsgericht – der erste große Klimaprozess in Frankreich. Angeregt hatte diese Vorgehensweise unter anderem der Erfolg einer Klage in den Niederlanden (Urgenda-Prozesse), wo 2018 die Justiz in letzter Instanz das nationale 2020er-CO2-Reduktionsziel von 20 auf 25 Prozent erhöht hatte. Eine noch im Dezember lancierte Unterstützungs-Petition hatte binnen kürzester Zeit über zwei Millionen Unterschriften gesammelt.

Der Staat muss Klimaschutz leisten

Dass das Verwaltungsgericht in Paris den Klagenden nun teilweise recht gegeben hat, wurde von der Umweltbewegung als „historischer Sieg“ gefeiert. Wie das Magazin „Alternatives économiques“ schreibt, hat das Gericht die Forderung nach Wiedergutmachung zurückgewiesen, dafür aber bestätigt, dass der französische Staat die juristische Verantwortung hat, seinen klimapolitischen Verpflichtungen nachzukommen. Auch der Tatbestand eines Umweltschadens, den es bisher nur im Zivilrecht gab, wurde vom Verwaltungsgericht anerkannt.

Das Gericht hat weitgehend die Argumentation der Juristin Amélie Fort-Besnard übernommen. Diese hatte in ihrer Rolle als „rapporteure publique“, vergleichbar den Generalanwält*innen am Europäischen Gerichtshof, die Verantwortlichkeit des Staates aus seiner Rolle bei der Lenkung wirtschaftlicher und andere Aktivitäten abgeleitet. Die Tatsache, dass andere Staaten ebenfalls für den globalen Klimawandel verantwortlich seien, könne Frankreich nicht von seinen Verpflichtungen befreien, so die „rapporteure publique“. Für das Prinzip der Wiedergutmachung von Umweltschäden hatte sie sich nicht ausgesprochen, da eine Nachbesserung der CO2-Reduktionsziele diesen Schäden entgegenwirken könne.

Alternatives économiques“ spricht von einer gewonnenen ersten Runde: Das Gericht hat eine Nachuntersuchung veranlasst. Diese soll klären, ob die Justiz den Staat – wie in den Niederlanden – Maßnahmen vorgeben solle, um den Umweltschäden ein Ende zu setzen. Außerdem ist die Klage der Küstengemeinde Grande-Synthe anhängig, die durch den Klimawandel in ihrer Existenz gefährdet ist.


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