„Entlastungen“: Mehr ist weniger

Die üblichen Steuergeschenke vor den Wahlen sind unangebracht, noch weitergehende Forderungen völlig fehl am Platz. Politisches Handeln braucht angemessene Mittel, gerade jetzt.

Große Geschenke erhalten die Wählerschaft. (Foto: pixabay.com; motaztawfik)

Gibt es für die Parteien Wichtigeres zu tun, als „die Menschen zu entlasten“? In Vorwahlzeiten sicher nicht. Das zeigt sich an der Forderung der Opposition, den vorgesehenen Steuerkredit möglichst schnell durch Staatsrat und Chamber zu bringen. Zwar hat die Regierung ein entsprechendes Projet de loi deponiert, es werde aber nicht mit dem nötigen Eifer vorangetrieben, so Christlich-Soziale und Piraten gegenüber RTL. „Gerade jetzt“ müssten die Menschen entlastet werden, sagt CSV-Fraktionschef Gilles Roth, angesichts steigender Preise und Kreditzinsen.

Die beiden Oppositionsparteien kritisieren, dass über so viele Jahre die Steuerlast gestiegen ist, weil die Sätze nicht an die Inflation angepasst wurden (barème fiscal). Der Steuerkredit ist ein Ergebnis der Tripartiteverhandlungen im März und soll dieses Jahr die steuerliche Auswirkung von zwei Index-Tranchen ausgleichen – seit 2017 sind deren sieben angefallen. Anfang 2024 wird die Steuertabelle dann um zweieinhalb Tranchen angepasst. Diese Maßnahmen stellen einen empfindlicher Einnahmeverlust für die öffentliche Hand dar, über den Finanzministerin Yuriko Backes nicht hinausgehen will. Damit hat die Opposition leichtes Spiel, im Einklang mit den Gewerkschaften eine Anpassung der Steuersätze um acht Tranchen (bis Ende 2023) einzufordern und die Versäumnisse der Haushaltspolitik der vergangenen Jahre anzuprangern. Der Druck für Steuergeschenke kurz vor den Wahlen steigt.

Gewiss, die „kalte Progression“ gewähren zu lassen, um zusätzliche Steuereinnahmen zu generieren, stellt alles andere als eine zielgerichtete Sozialpolitik dar. Doch die Anpassung integral als isolierte Maßnahme nachzuholen, würde zwar Geld in die Taschen der Bevölkerung schwemmen, wäre aber sozialer und politischer Irrsinn. Um die Probleme der Menschen angesichts der vielfältigen Krisen zu lösen, braucht es gerade nicht den Verzicht der öffentlichen Hand auf Steuern, sondern ausreichende Haushaltsmittel, um gezielte staatliche Eingriffe und Zukunftsprojekte finanzieren zu können.

Zwei, vier, nein, acht Tranchen! Welche Partei verspricht den höchsten Steuerkredit?
(Pixabay; Mahiro Momo)

Die Steuerlast von heute trägt zur Entschärfung der Zukunftsprobleme bei und stellt eine Entlastung künftiger Generationen dar.

Zwar stellen die Kreditzinsen für viele Familien mit Eigenheim ein Problem dar, doch um das viel größere Problem der Wohnungsknappheit zu lösen, muss der Staat kurz- wie mittelfristig viel Geld in Neubau-Projekte investieren. Pauschale Steuergeschenke sind in Wahrheit eine Belastung für diese Politik, wie für die Sozialpolitik im Allgemeinen. Insbesondere ist eine sozial ausgerichtete Steuerreform nur möglich, wenn die Einnahmen Spielräume für gezielte Steuersenkungen lassen. Hinzu kommt, dass eine Ökologisierung des Steuersystems fällig ist – auch hier braucht man Reserven, um Übergangsmaßnahmen und Kompensationen finanzieren zu können. Denn die Neueinnahmen durch Ökoabgaben sollen auch helfen, für die ökologische und energetische Transition zu bezahlen.

Fasst man den Begriff der Nachhaltigkeit weiter, dann ergibt sich zusätzlicher Finanzierungsbedarf. Dazu gehört die Modernisierung der Infrastrukturen im Kontext der Rolle Luxemburgs als Metropole der Großregion, aber auch die notwendigen Finanztransfers in die Nachbarregionen. Nicht zuletzt ist, angesichts der Weltlage, eine deutliche Erhöhung des Haushalts für Entwicklungspolitik überfällig. Das reiche Luxemburg mit seinem riesigen Pro-Kopf-Fußabdruck kann und muss seinen Beitrag zur Entwicklung und klimapolitischen Anpassung des globalen Südens leisten. Die Steuerlast von heute kann so zur Entschärfung der Zukunftsprobleme beitragen und stellt eine Entlastung künftiger Generationen dar, weltweit und damit auch in Luxemburg.


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