EU-Sondertagung zur Migration: Gipfel der Drohgebärden

Beim Sondergipfel des Europäischen Rats Ende vergangener Woche in Brüssel wurde in Migrationsfragen vor allem rhetorisch aufgerüstet. Doch man möchte den Worten möglichst auch Taten folgen lassen. Kooperationsunwilligen Drittstaaten wird ganz unverhohlen gedroht.

Rund 2.000 Kilometer Sperrzaun und befestigte Grenzanlagen wurden entlang der EU-Außengrenzen bislang aufgerichtet. Doch wenn es nach dem Wunsch der Scharfmacher in der EU geht, gibt es bald noch viel mehr davon. Es war unter anderem Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer, der bei der außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates am 9. Februar in Brüssel dafür warb, neue Zäune hochzuziehen, etwa zwischen Bulgarien und der Türkei, direkt finanziert aus Mitteln der EU. Und es ist wohl vor allem dem deutschen und luxemburgischen Widerstand zu verdanken, dass diese Forderung in den offiziellen Schlussfolgerungen der Sitzung nicht zurückbehalten wurde.

Dennoch war die Art, wie vergangene Woche unter den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten über Migration gesprochen wurde, ganz nach dem Geschmack der Rechten. Deutlich wahrnehmbar war auch der Zungenschlag der liberal-konservativen schwedischen Regierung, die derzeit turnusmäßig den Vorsitz im EU-Rat innehat und zuhause nur dank der Duldung durch die migrationsfeindlichen „Schwedendemokraten“ regiert. Es gelte, „alle verfügbaren Politiken, Werkzeuge und Instrumente, einschließlich Entwicklungshandel und Visa, als Hebel einsetzen, um die Wirksamkeit der EU-Rückkehrpolitik zu erhöhen“, so Schwedens Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard bereits vor der Sondertagung, und ihre Forderung hat es dann auch nahezu im Wortlaut in den Schlusstext geschafft.

Das bedeutet im Klartext, dass man Ländern und Drittstaaten, die sich weigern, von dort stammende beziehungsweise von dort aus in die EU eingereiste abgelehnte Asylsuchende zurückzunehmen, gehörig Druck machen will; auf finanzieller Ebene, etwa bei Handel und Entwicklungshilfe, aber auch durch „restriktive Visamaßnahmen“, sofern die betreffenden Länder „bei der Rückkehr nicht kooperieren“. Entsprechende Maßnahmen soll die EU-Kommission auf Geheiß des Rats nun prüfen.

Mit solchen Methoden will man die Zahl der erfolgreichen Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber*innen massiv erhöhen, Die Quote liegt derzeit nämlich bei 22 Prozent, wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Anfang Februar bedauernd konstatierte. Dazu zählt auch der Beschluss, dass die einzelnen Mitgliedstaaten Asylverfahren, die mit einer Ablehnung enden, künftig „gegenseitig anerkennen“ und so den rechtlichen Spielraum der Betroffenen weiter reduzieren.

Rechte in Partylaune

Um zu verhindern, dass Flüchtlinge überhaupt in die Europäische Union gelangen, sollen Drittstaaten noch mehr eingespannt werden als dies bislang schon der Fall ist. Hier ist viel von „vorteilhaften Partnerschaften“ und „angemessenen Ressourcen“ die Rede, tatsächlich aber wohl eine Mischung aus Bestechung und Erpressung gemeint. Angesichts einer solchen Programmatik wird es kaum mehr überraschen, wenn Kooperationen wie jene zwischen Frontex und den als „Küstenwache“ deklarierten libyschen Banden künftig weiter Schule machen (siehe den Artikel „Bündnis mit den Banden“ in woxx 1685).

Kein Wunder auch, dass sich die europäische Rechte angesichts solcher Töne in Partylaune zeigt. Alle migrationspolitischen Forderungen seiner politischen Gruppe fänden sich in der Abschlusserklärung wieder, so Tobias Teuscher, der stellvertretende Geschäftsführer der rechtsextremen Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) im EU-Parlament, bei einer Pressekonferenz.

Bereits vor dem Sondergipfel hatte der Europäische Rat für Flüchtlinge und Exilierte (ECRE) kritisiert, dass auch „EU-Technokraten“ und sogar manche Progressive bei der migrationspolitischen „Panikmache“ der Rechten mitspielten. Grund dafür ist der Organisation zufolge „der Trugschluss, dass es in der EU eine Krise geben muss, ehe etwas in Bewegung kommt“. Zugleich erinnerte der ECRE daran, dass der von der EU-Kommission als dramatisch hoch präsentierten Zahl von 924.000 Asylgesuchen im Jahr 2022 (eine Erhöhung um 46 Prozent gegenüber dem noch durch die Pandemierestriktionen geprägten Vorjahr) die acht Millionen in der EU untergekommenen Flüchtlinge aus der Ukraine gegenüberstünden: „Das war zwar eine große Herausforderung, aber die EU reagierte darauf weitgehend ohne Panik.“


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