Abschiebung oder Beistand?

Eine Frau meldet ihren Missbrauch der Polizei – mit fatalen Folgen: Aufgrund fehlender Aufenthaltsgenehmigung droht ihr jetzt die Abschiebung. Mehrere feministische und soziale Organisationen nennen das ein Vorgehen, das Menschenhandel unterstützt.

„Tu peux aller à la police, les conséquences seront plus grandes pour toi que pour moi“, sagte ein Vorgesetzer seiner Angestellten. Er soll sie sexuell belästigt, physich und verbal angegriffen haben. Noch dazu sollen die Arbeitskonditionen allgemein dem Code du travail widersprechen. Die Arbeitnehmerin, eine Brasilianerin, ließ sich nicht von ihrem Chef einschüchtern. Sie suchte Zuflucht beim Guichet Info-Migrants der Asti und wandte sich an die Polizei. Ein mutiger Schritt, den nicht alle Opfer wagen. Doch ihr Vorgesetzter sollte Recht behalten: Jetzt droht ihr die Abschiebung, denn sie hat keine Aufenthaltsgenehmigung. Mehrere luxemburgische Organisationen (Asti, das CID Fraen an Gender, der Clae sowie Finkapé – Reseau Afro-Descendants und Time For Equality) machen sich heute in einem offenen Brief für sie und andere Opfer stark.

Jessica Lopes, Sozialarbeiterin bei der Asti, hat die Frau zum Revier begleitet. Im Gespräch mit der woxx berichtet sie von einer fünfstündigen Vernehmung, bei der dem Opfer die Ausweispapiere entnommen wurden. In 30 Tagen soll die Frau Luxemburg freiwillig verlassen. Am 1. Juli muss sie hierfür bei der Direction de l’immigration vorstellig werden. „Solch ein Vorgehen untersützt Menschenhandel“, sagt Lopes der woxx.

In ihrem Arbeitsalltag begegnet Lopes oft Missbrauchs- und Gewaltopfern, die sich aufgrund ihrer Lebensituation und wegen Abhängigkeitsverhältnissen nicht an die Polizei wenden. Die Angst der Opfer das Land verlassen zu müssen, sei zu groß. Die Täter*innen kommen ungestraft davon – und das nutzen sie aus.

Ähnliches berichteten der woxx auch Aupairs, die in Luxemburg von ihren Gastfamilien ausgebeutet wurden. Da ihr Aufenthalt in Luxemburg an die Konvention mit den Gastfamilien gebunden war, wagten sie es in den meisten Fällen nicht aktiv gegen die Verstöße vorzugehen. Sei es, weil sie eingeschüchtert wurden, sich selbst keine Blöße geben wollten oder ihnen Perspektiven fehlten. Beim zuständigen Service national de la jeunesse stießen sie mit ihren Beschwerden und Nachfragen eigenen Aussagen nach auf taube Ohren.

Die Organisationen, die den offenen Brief unterzeichnet haben, sind sich einig: „Il est inacceptable de décourager des victimes d’exploitation et d’agression de porter plainte à la Police surtout si elles sont sans titre de séjour.“ Sie haben gleich mehrere Minister*innen kontaktiert und zum Handeln aufgerufen: Taina Bofferding (Ministerin für die Gleichsstellung von Frauen und Männern), Jean Asselborn (Minister für Immigration) und Henri Kox (Minister für Innere Sicherheit). Ihr Forderung? Opfer ohne Aufenthaltsgenehmigung sollen geschützt und ihre Klagen gegen „des employeurs sans scrupules“ ernstgenommen werden.

Auf die Nachfrage der Asti, was dem eingangs erwähnten Arbeitgeber bevorstehe, hieß es vonseiten der Polzei übrigens wohl lapidar: „Il sera (…) convoqué pour donner sa version des faits.“ Wie die Version ausfällt, kann man sich ausmalen.

An. d. R. : Die woxx wird in den kommenden Wochen in der Print-Ausgabe ausführlicher über das Thema berichten.


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