Rechte von intersex Kindern: Definieren Sie Priorität …

Im aktuellen Koalitionsvertrag ist ein Verbot von Genitalverstümmlungen bei intersex Kindern vorgesehen. Was vor Kurzem noch als Priorität galt, wird jetzt neu verhandelt.

Gruppenfoto von der Intersex Awareness Konferenz von Ilga aus dem Jahr 2018: Der Aufruf, intersex Kinder zu schützen, scheint hierzulande nur bedingt anzukommen. (Sparrow, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

2022 nannte Corinne Cahen (DP) das Verbot von Genitalverstümmlungen bei intersex Kindern gegenüber der woxx eine Priorität. Damals war sie noch Familienministerin und Koordinatorin der Politik zur Förderung der Rechte von LGBTI Personen. Auf die Frage, ob noch bis zum nahenden Ende der Legislaturperiode mit einem Gesetz zu rechnen sei, entgegnete sie: „Die Regierung arbeitet noch auf Hochtouren.“ Inzwischen schlägt letztere andere Töne an, wenn es um das Verbot nicht lebensnotwendiger Eingriffe an den Genitalien von intersex Kindern geht.

Aus einer parlamentarischen Anfrage zum Thema von Octavie Modert (CSV) an das Gesundheits-, das Justiz- und das Familienministerium geht nämlich hervor: Die Entscheidung über ein entsprechendes Gesetz wird vertagt. Modert verweist in ihrer Anfrage auf Aussagen der Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng), nach denen seit letztem Jahr an einem Gesetzesprojekt gearbeitet werde. Eine Information, die Cahen der woxx bestätigte. Jetzt heißt es in einer gemeinsamen Antwort der Minister*innen: „Es wird die Aufgabe der nächsten Regierung sein, einen Gesetzestext auszuarbeiten und auf den Instanzenweg zu bringen.“ Es ist ja nicht so, als hätten die Ministerien fünf Jahre Zeit gehabt, sich der Sache anzunehmen. So leicht geht Politik!

Und schlimmer noch: Ist im Koalitionsvertrag die Rede von einem Verbot, scheint sich die Arbeitsgruppe nun uneins. Ein pauschales Verbot auszusprechen, habe sich als schwierig erwiesen. Es seien Expert*innen, darunter Vertreter*innen von Intersex & Transgender Luxembourg sowie Ärzt*innen, die entsprechende Genitalverstümmlungen vorgenommen haben, zu Rate gezogen worden. Im Raum stehe neben dem Verbot derzeit auch die Einberufung eines Gremiums, das Eingriffe – sofern von den Eltern des Kindes erwünscht – legitimieren oder ablehnen könnte. „Das könnte eine pragmatische Lösung sein“, so die Minister*innen.

An diesem Beispiel wird deutlich, wie nachlässig selbst in einem vermeintlich progressiven Land mit den Rechten marginalisierter Menschen umgegangen wird.

Damit untergräbt die scheidende Regierung ihr eigenes Vorhaben und widersetzt sich noch dazu internationalen Anweisungen. Bereits 2017 empfahl die Commission européenne contre le racisme et l’intolérance Luxemburg eine Debatte über Genitalverstümmlungen bei intersex Kindern; 2018 forderte das Comité pour l’élimination de la discrimination à l’égard des femmes des Nations Unies ein explizites Verbot der Eingriffe, genauso wie die Vereinten Nationen im Jahr 2022. Die Organisation Ilga Europe, die im April zur europaweiten Kriminalisierung von Genitalverstümmlungen an intersex Kindern aufrief, monierte das ausbleibende Verbot in Luxemburg zuletzt in ihrem Rainbow Index. Nationale Akteur*innen wie Rosa Lëtzebuerg, die Menschenrechtskommission oder das Ombudskomitee für die Rechte von Kindern schließen sich den Forderungen an.

Dieser Druck lässt die verbleibenden Regierungsmitglieder scheinbar unberührt. An diesem Beispiel wird deutlich, wie nachlässig selbst in einem vermeintlich progressiven Land mit den Rechten marginalisierter Menschen umgegangen wird. Das ist vor allem deshalb blamabel, weil Luxemburg seit 2018 einen LGBTI-Aktionsplan mit 93 Forderungen hat. Wie viele davon umgesetzt wurden? Keine Ahnung, denn eine für Frühjahr 2023 angekündigte Evaluierung des Plans blieb bisher aus. Aber alles halb so wild – die kommende Regierung wird bestimmt die Muße haben, sich darum zu kümmern.


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