Programm und Zusammensetzung der Regierung sind bekannt – was bedeutet das für den Klimaschutz? Analyse im Vorfeld der COP28 und im Kontext der europäischen Entscheidungen.
Serge Wilmes ist Minister für Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit. Mit Umweltthemen hat er sich bereits als hauptstädtischer Schöffe befasst, in seiner Kampagne für die Gemeindewahlen im Juni hat er auf grüne Ideen gesetzt. Die durchwachsene gemeindepolitische Bilanz in Sachen Nachhaltigkeit mag daran liegen, dass die CSV Juniorpartnerin der DP unter Lydie Polfer war. In der Regierung ist die CSV Seniorpartnerin und der 41-Jährige wird sich beweisen müssen. Aber: Serge Wilmes ist nicht Energieminister. Er ist auch nicht Mobilitätsminister. Vier Fünftel der CO2-Emissionen fallen aber in diesen beiden Politikbereichen an (die vom EU-Emissionshandel abgedeckten nicht eingeschlossen). Die Landesplanung, entscheidend für die längerfristige Senkung des Ressourcenverbrauchs, ist in einem weiteren Ministerium angesiedelt. Zwar klingen viele der Aussagen zu diesen drei Bereichen im Koalitionsabkommen gut, doch Wilmes wird Schwierigkeiten haben, sie einzufordern.
Für die Energie ist Wirtschaftsminister Lex Delles zuständig, für die Mobilität die Armee-, Gleichstellungs- und Infrastrukturministerin Yuriko Backes, für die Landesplanung Schul- und Wohnungsbauminister Claude Meisch. Alle drei gehören der DP an, alle drei dürften ein offenes Ohr für die Besorgnis der Wirtschaft über zu viel Klimaschutz haben. Und von der eigenen, ebenfalls wirtschaftsfreundlichen Partei und dem wenig klimabewussten Premier kann Wilmes nicht viel Unterstützung erwarten, sollte er versuchen wollen, eine ehrgeizige energetische und soziale Transition in die Wege zu leiten (woxx 1760).
Blinde Flecken
Was wird der Klimaminister im Gepäck haben, wenn er, wie zu erwarten, zur Klimakonferenz COP28 fliegt, die ab dem 30. November in Dubai stattfindet? Das Bewusstsein, dass die Klimakrise „eine Herausforderung ohnegleichen für die gesamte Menschheit“ darstellt, wie es im Koalitionsabkommen heißt. Ein Abkommen, das aber weder den besonders großen CO2-Fußabdruck und die besondere Verantwortung Luxemburgs erwähnt noch auf die Notwendigkeit neuer Finanzhilfen für den globalen Süden eingeht (siehe Kasten unten). Auch der Nachhaltigkeitsrat, der sich mit diesen Aspekten befasst, wurde zwar von den Koalitionspartnerinnen CSV und DP angehört, wird aber im neuen Koalitionsabkommen, anders als in dem von 2018, nicht erwähnt.
Der Klimaschutz soll mehr durch Anregungen (Finanzhilfen) als durch Verbote erreicht werden – das Koalitionsabkommen beruft sich dabei auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Sonder Zweifel erfordert die Einführung neuer Verpflichtungen Fingerspitzengefühl, doch besagtes Prinzip könnte ebenso gut als Freibrief benutzt werden, um den Klimaschutz nicht an den Erfordernissen, sondern an einer willkürlich definierten „Zumutbarkeit“ auszurichten. Neben den Finanzhilfen sollen vor allem technische Lösungen weiterhelfen: Smart Grid, Elektroautos, Wasserstoff und Carbon capture and storage (CCS). Wie bereits im Rahmen von Luc Friedens Wahlkampagne versprochen, sollen auch die erneuerbaren Energien umfassend ausgebaut werden. Das stellt einen wichtigen Beitrag zur notwendigen Transition dar, ersetzt aber nicht zusätzliche Anstrengungen im Bereich der Emissionsminderungen. Doch hier geht die neue Koalition nicht über das hinaus, was die alte schon vorhatte: Die von der EU vorgegebenen Klimaziele sollen eingehalten, nicht aber hochgeschraubt werden.
Doch gerade das fordern viele Wissenschaftler*innen und NGOs. Für das europäische Climate Action Network (CAN) würde eine angemessene und faire CO2-Reduktion bedeuten, diese Emissionen bis 2030 um 76 Prozent netto zu senken (gegenüber 1990). Derzeit liegt das EU-Ziel bei -55 Prozent (netto), was, zusammen mit den Verpflichtungen der restlichen Staatengemeinschaft, zu einer wahrscheinlichen Erwärmung von fast 3 statt der erstrebenswerten 1,5 Grad führen würde. Im Vorfeld der COP28 wurde ein Global Stocktake erstellt, ein Inventar der bestehenden Verpflichtungen, aufgrund dessen eigentlich alle Staaten ihre Klimaziele hochschrauben müssten.
Zaudernde EU
Am 16. Oktober haben sich die EU-Umweltminister*innen auf eine Verhandlungsposition für die Klimakonferenz geeinigt. Dabei haben sie bis 2030 eine weitgehende Entkarbonisierung der Stromerzeugung, eine Verdopplung der Energieeffizienz und eine Verdreifachung der Leistung der erneuerbaren Energien beschlossen. Eigentlich sollte auch das Emissionsziel um zwei Prozentpunkte heraufgesetzt werden – doch selbst für eine so bescheidene Anhebung gab es keine Einstimmigkeit. Das Problem bei diesem Ergebnis: Zwar ist die Zahl der isolierten Häuser oder die der Windräder wichtig für eine gelungene Transition, doch die Erderwärmung wird letztlich vom CO2-Ausstoß determiniert. Die 55-Prozent-EU wird damit in den Augen der Klimabewegung und des globalen Südens bei der COP als Verweigerin dastehen, umso mehr als auch ihre Aussagen zur Nord-Süd-Klimafinanz unverbindlich und unzureichend sind. Dass die EU in vielen Bereichen, wie Luxemburgs neue Regierung, auf technologische Lösungen setzt, könnte das Misstrauen noch erhöhen. Auf die Risiken und Nebenwirkungen dieser Technologien geht die woxx nächste Woche ein.
… und hundert – zufrieden?
(lm) – Bis 2020 wollten die Industrieländer 100 Milliarden Dollar im Green Climate Fund (GCF) sammeln – und zwar jährlich –, um den Klimaschutz im globalen Süden zu finanzieren. Das Ziel war 2009 festgelegt worden und galt bis vor Kurzem als eines der vielen unerfüllten Versprechen der reichen Staaten. Wie der Guardian meldete, veröffentlichte vor einer Woche die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) ihre jüngsten Zahlen, die darauf hindeuten, dass das Ziel wohl doch bereits 2022 erreicht wurde. Ist damit das Thema Nord-Süd-Finanz abgehakt? Keineswegs. Zu bemängeln ist, dass die GCF-Gelder vor allem in Maßnahmen zur Emissionsminderung fließen, kaum aber in solche zur Anpassung an die im globalen Süden oft schon dramatischen Folgen des Klimawandels (woxx 1760). Welche Finanzflüsse wie eingerechnet werden können, ist ebenfalls umstritten. Und schließlich ist klar geworden, dass der Finanzierungsbedarf die Schätzung von 2009 um ein Vielfaches übersteigt – auch, weil die CO2-Emissionen danach 15 Jahre lang gestiegen sind, statt zu sinken. Die Länder des Südens fordern aber nicht nur finanzielle Hilfe beim Klimaschutz, sondern auch Reparaturzahlungen für die entstehenden Schäden. Bei diesem „Loss and Damage“ genannten Thema hat die EU Diskussionsbereitschaft signalisiert, doch die Erwartungen sind aufgrund der vagen Engagements gedämpft, umso mehr als die USA solche Zahlungen grundsätzlich ablehnen. „Loss and Damage“ steht auf der COP28-Tagesordnung, ebenso die Idee, globale Steuern als Finanzierungsquelle einzuführen, zum Beispiel auf dem Flugverkehr, auf der Produktion von fossilen Brennstoffen, auf hohen Vermögen oder auf Finanztransaktionen. Man darf gespannt sein, wie sich Luxemburg insbesondere bei letzteren Vorschlägen positionieren wird.