„Thriller Live“: Not bad, but …

Die Rockhal lockte am 30. Januar mit der Londoner Erfolgsshow „Thriller Live“ ein großes Publikum an. Eine Vorstellung zwischen Personenkult und Nostalgie.

4,5 Millionen Menschen sollen die Show, laut „Kölner Stadtanzeiger“, bisher in 33 Ländern besucht haben (Stand: 18. Januar 2019). „Thriller Live“ wurde 2009, kurz vor dem Tod des Popstars im August, in London uraufgeführt.
Copyright: Sven Darmer

Es ist eine Lache, die Pop-Geschichte schrieb: die Lache zu Beginn von Michael Jacksons „Thriller“. Mit ihr wurde  der Abend gestern auch eröffnet. Das Publikum, das auf unbequemen Stühlen hockte, antwortete sogleich mit kreischenden „Wuhu“-Rufen, Pfiffen und tosendem Applaus. Was folgte überzeugt, solange man es nicht zu sehr hinterfragt.

Grandiose Imitator*innen

Der Cast aus dem Londoner West-End spielt Jacksons Karriere musikalisch nochmal durch: Von den Jackson Five über den funky Disco-Sound bis hin zum Erfolgsalbum „Thriller“, performen die überragenden Sänger*innen und Tänzer*innen chronologisch einen Welthit nach dem anderen. Sie drehen die Zeit in authentischen Glitzer-Jäckchen, Schlaghosen und anderen Jackson-typischen-Outfits für zweieinhalb Stunden zurück. Jacksons Parts übernehmen gleich mehrere Sänger*innen. Sechs, um genau zu sein – und die könnten unterschiedlicher nicht sein. Ein Dreikäsehoch mit Afro erinnert an Michael als Kinderstar, ein hagerer Typ mit mittellangem Haar an die Jahre danach. Ein dritter Performer trägt Hut und Pferdeschwanz, zwei weitere Sänger*innen decken Jacksons Soul und seine androgyne Erscheinung ab. Bei dem letzten im Bunde wird die Verbindung zu Jackson erst sichtbar, oder besser gesagt hörbar, wenn er singt. Die Stimme ist ähnlich hell und kraftvoll, das Aussehen das genaue Gegenteil von Jackson. Die Sänger*innen sind alle auf ihre ganz eigene Art gut umgesetzte Kopien, die alle Register der Popikone bedienen: den Moonwalk, den Griff in den Schritt, den grellen Aufschrei dazu, die legendären Tanzmoves und nicht zuletzt die unverwechselbare Stimme. Auch, wenn sie trotz aller Bemühungen nicht annähernd an das Original herankommen. Immerhin wurde gestern eine gelungene Imitation geboten, wenn man von der mittelmäßigen bis unterirdisch schlechten Soundqualität der Rockhal absieht.

Nur Jesus fehlte

Bis zu „Man in the Mirror“ fühlt sich die Show des britischen Produzenten Adrian Grant an, wie das gemeinsame Durchstöbern alter Platten, Kassetten und CDs. „Kennst du das noch?“, will man seine Sitznachbar*innen fragen. „Oder das hier? Das war grandios!“ Doch bei dem Song setzt Grant einen drauf, einen zu viel. Zuerst flimmern Fotos von Martin Luther King, John F. Kennedy, Nelson Mandela und Mutter Theresa über die Leinwände. Im Anschluss leuchtet ein großes Porträt von Jackson auf. Im Hintergrund trällern die vier Hauptsänger*innen: „Make that change.“ Die suggerierte Gleichstellung der einzelnen Figuren schießt weit über das Ziel, das Lebenswerk des Musikers zu würdigen, hinaus. Die Show klammert sich an ein idealisiertes Bild des Künstlers. Sie ist eine Verherrlichung und die ist selten unproblematisch, weil es ihr an jeglicher Differenziertheit mangelt. Die Show unterscheidet weder zwischen den Verdiensten der Künstlerfigur und denen der Privatperson Jackson noch zwischen politischem Engagement und Charity. Es wäre stimmiger, den „King of Pop“ am Ende einzublenden, ohne seine Person in einen anderen Kontext zu setzen als in den seiner musikalischen Erfolge.

In Erinnerungen schwelgen

Das Programm zielt vor allem auf Nostalgie – und macht damit Geld. Die Qualität des Casts steht dabei außer Frage. Eine Inszenierung, die mehr ist als ein Karaoke-Abend (Nein, es wird kein Text zum Mitsingen eingeblendet. Das passiert von alleine) auf Fünf-Sterne-Niveau, würde ihm eher gerecht. Beispielsweise ein Musical, das die Hintergründe von Jacksons Welterfolg, die Höhen und Tiefen seiner Karriere aufarbeitet: Mit Plot, Neuinterpretationen und epochalen Tanzeinlagen, wie wir sie unter anderem aus dem „Thriller“-Videoclip kennen. So bleibt der international hochgepriesene Showact hingegen nicht mehr als ein unterhaltsamer Abend vom Jackson-Fan Grant für die immer noch riesige Fangemeinschaft.


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