Luxemburgs Armee und die Treibhausgase: Die Klimakrieger

François Bausch möchte die Armee „klimaneutral“ machen. Zunächst investiert die Direktion aber in drei Kompensationsprojekte. Der Armeeminister sieht Luxemburg als Vorreiter, Expert*innen bezweifeln die Wirksamkeit solcher Projekte. Der Vorwurf des Greenwashing liegt nicht fern.

„Wir sind das Land, das sich auf der Welt momentan am meisten darum bemüht, die CO2-Emissionen des Verteidigungssektors herunterzuschrauben.“ Luxemburgs Armeeminister François Bausch (Mitte) mit seinem lettischen Amtskollegen Artis Pabriks (zweiter von links) bei einem Besuch des lettischen Militärflugplatzes Lielvarde im Mai 2022. (Foto: EPA-EFE/Toms Kalnins)

Die Luxemburger Armee ist seit kurzem auch in Peru, dem Kongo und Guatemala präsent. Allerdings hat sie dort weder Truppen stationiert noch ist sie in die Ausbildung der jeweiligen Streitkräfte involviert. Vielmehr engagiert man sich mit Geld. Das wird in den genannten Ländern in verschiedene Projekte gesteckt, um damit die armeeeigenen Treibhausgasemissionen zu kompensieren. Finanziert wird eine nachhaltige und lokale Landwirtschaft, und ganz allgemein die Wiederherstellung und der Schutz von Ländereien und Wäldern.

„Wir sind das Land, das sich auf der Welt momentan am meisten darum bemüht, die CO2-Emissionen des Verteidigungssektors herunterzuschrauben“, so der zuständige Minister François Bausch im Gespräch mit der woxx nicht ohne Stolz. Und tatsächlich: Das Engagement erscheint umso erstaunlicher, als der Militärsektor in den internationalen klimapolitischen Vereinbarungen trotz seiner massiven Emissionen von jeglichen Reduktionsverpflichtungen ausgenommen ist.

Unter Bauschs politischer Verantwortung sollen die Weichen gestellt werden, damit die Luxemburger Armee bis 2050 klimaneutral werden kann. Von einer „Vorreiterrolle“ spricht Bausch immer wieder. Während mehrere europäische Streitkräfte, darunter auch die deutsche Bundeswehr, erste Schritte unternehmen, um ihren massiven CO2-Ausstoß zu reduzieren, geht die hiesige Armeedirektion weiter. Bislang gibt es in Europa neben Luxemburg kein Militär, das in ein internationales Kohlenstoffausgleichsprojekt investiert. Hierzulande jedoch wähnt man sich auf dem Weg zur Klimaneutralität – zumindest auf dem Papier.

Vermeidung künftiger Konflikte?

Argumentiert wird dabei nicht allein mit klimapolitischen Gründen. Auch der „Kampf um fossile Energieträger“, der vielen Kriegen und Konflikten zugrunde liegt, wird von Bausch als Motivation genannt: „Wenn wir Konflikte vermeiden wollen, und das muss ja das Ziel des Militärs sein, dann müssen wir uns auch die Ursachen der Konflikte anschauen, sie analysieren und präventiv gegen sie vorgehen“, so der Armeeminister. Ein reduzierter Verbrauch solcher Brennstoffe gehöre mit dazu.

Weltweit gehört der Militärbereich zu den größten Erzeugern von Treibhausgasen. Weil der Sektor im Gegensatz zu allen anderen Bereichen durch das 1997 unterzeichnete Kyoto-Protokoll wie auch das nachfolgende Pariser Abkommen von jeder Rechenschaftspflicht ausgenommen ist, liegen nur konservative Schätzungen über das tatsächliche Ausmaß des CO2-Ausstoßes durch militärische Fahrzeuge, Flugzeuge, Schiffe und Gebäude vor. Einer von der Fraktion „Die Grünen/Europäische Freie Allianz“ im Europäischen Parlament beauftragten Studie zufolge, betrug 2019 der CO2-Fußabdruck des globalen militärischen Sektors 2,75 Milliarden Tonnen. Umgerechnet entspricht dies 5,5 Prozent des gesamten Ausstoßes weltweit. Ordnete man dies einem Ländervergleich zu, rangierte der Militärbereich vor Russland auf Platz vier der Klimaverschmutzer.

Den Widerspruch, dass mit dem Militär einer der größten Erzeuger sich auch als Lösung für zunehmend klima-
bedingte Konflikte sieht, kommentiert Erin Sikorsky mit dem Hinweis, Armeen seien eben „pragmatische Organisationen“. Der Krieg in der Ukraine habe den Drang nach energetischer Unabhängigkeit und Effizienz nur noch gesteigert, so die Direktorin des „Center for Climate and Security“ und des „International Military Council on Climate and Security“ (IMCSS), die zahlreiche Sicherheitsexpert*innen und ehemalige Militärangehörige zu ihren Mitarbeiter*innen zählen. Um der jüngsten Entwicklung Rechnung zu tragen, werde der Fokus vermehrt auf die Entwicklung innovativer Technologien zur Treibhausgasvermeidung gelegt. Auch die Nato agiert in diesem Sinn: Noch in diesem Jahr soll in Luxemburg ein Standort des „NATO Innovation Fund“ (NIF) entstehen, so Minister Bausch. Eine Milliarde Euro will die Organisation in die Entwicklung neuer Technologien investieren.

Ungeachtet der Diskussion, was man davon halten mag, todbringende Waffensysteme klimaverträglicher zu machen: Es wird noch Jahre dauern, ehe die technologischen Herausforderungen gemeistert sind und etwa CO2-arm angetriebene Kampfjets im Tiefflug über die Landschaft donnern. Das macht Kompensationsprojekte, wie die Luxemburger Armee sie nun mitfinanziert, auch im Militärbereich attraktiv. Die Idee dahinter ist simpel: Für jede Tonne CO2, die produziert wird, kann ein Zertifikat erworben werden, mit dem bescheinigt wird, dass die jeweils finanzierte Maßnahme die entsprechende Menge an CO2 wieder aus der Atmosphäre entfernt. Auch Unternehmen können so die Belastung der Umwelt scheinbar verringern und doch weitermachen wie bisher, indem sie zum Ausgleich für den eigenen CO2-Ausstoß etwa in die Wiederherstellung von Wäldern investieren. Seit dem ersten solchen System, das in den 1990er-Jahren als Teil des Kyoto-Protokolls der Vereinten Nationen eingeführt worden ist, hat sich der Ausgleichsmarkt rasch zu einem milliardenschweren Geschäft entwickelt.

Nur direkte Emissionen kompensiert

Im November 2022 hat das hiesige Armeeministerium eine erste Ausschreibung lanciert. Aus vier Angeboten hat die Direktion dann drei Projekte ausgewählt, darunter zwei, die Teil des von den Vereinten Nationen unterstützten „REDD+“-Programms sind. Dieses richtet sich insbesondere auf den Schutz von Wäldern als Kohlenstoffspeicher. Die vom Ministerium angelegten Kriterien seien „ziemlich streng“, wie François Bausch gegenüber der woxx versichert. Dem stimmt auch Stuart Parkinson zu, zumindest was die Ausschreibung angeht. Der ehemalige Militäringenieur und jetzige stellvertretende Direktor der „Scientists for Global Responsibility“ hat jahrelang zur Funktionsweise solcher Ausgleichsprogramme geforscht. Vom Nationalpark Bahuaja-Sonene im Südosten Perus über die Küste von Izabal in Guatemala bis hin zum tropischen Regenwald in der westlichen Region Mai Ndombe in der Demokratischen Republik Kongo – die Projekte, in die Luxemburgs Armee bislang 400.000 Euro investiert hat, sollen Böden wiederherstellen und eine weitere Abholzung verhindern. Zudem werden die örtlichen Landwirte beim Handel ihrer lokalen Produkte unterstützt.

Das finanzierte Engagement entspricht rechnerisch einer CO2-Bindung von rund 12.500 Tonnen – exakt die Menge, die Ministerialverwaltung und Armee im Jahr 2021 als sogenannte „direkte Emissionen“ ausgestoßen haben. Darunter fällt alles, was unmittelbaren Aktivitäten wie dem Fahren eines Autos entspringt. Hinzu kommen jedoch „indirekte Emissionen“, wie sie allgemein etwa durch Stromverbrauch, bei der Produktion von Dienstleistungen oder bei der Lieferung von Waren entstehen. Die 12.500 Tonnen entsprechen also nur einem Teil der Gesamtemissionen, die der luxemburgische Militärsektor 2021 verursacht hat. Vollständige Daten über direkte und indirekte Emissionen hat das Armeeministerium bislang nur für 2019 veröffentlicht. Im betreffenden Jahr war man mit 19.330 Tonnen CO2 für rund 1,5 Prozent aller Emissionen Luxemburgs verantwortlich.

Vorwürfen, wonach die Investition in solche Projekte kaum mehr als geschickte Werbung für eine an sich fragwürdige Institution sei, tritt François Bausch eher pragmatisch entgegen. „Greenwashing wäre es, wenn wir der Öffentlichkeit etwas vorgaukeln würden, wenn wir also für etwas Geld ausgeben würden, das kein entsprechendes Resultat erzielt“, so der Armeeminister: „Wir sagen ja nicht, wir seien jetzt schon klimaneutral.“ Doch wolle man sich auf diesen Weg begeben. Künftige Ausschreibungen sollen daher Kriterien beinhalten, um die Emissionen in den Lieferketten zu reduzieren, und auf dem Herrenberg in Diekirch ist eine Sanierung der Kasernen bereits im Gang. Dank örtlicher Solaranlagen sollen 67 Prozent des Kasernenstroms selbst produziert und der Energieverbrauch um 60 Prozent gesenkt werden. Man wolle zeigen, was möglich ist, „im Kleinen, aber auch im Großen, um die Situation zu verbessern“, so Bausch.

Bild: NATO, 2021

Fragwürdige Resultate

Gerade bei den großen Projekten entspricht die Wirklichkeit allerdings oft nicht den versprochenen Resultaten, so Stuart Parkinson gegenüber der woxx. Obwohl das „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC), das mit Fragen des Klimawandels betraute wissenschaftliche Gremium der Vereinten Nationen, Ausgleichs-
projekte als Teil der zu ergreifenden Maßnahmen unterstützt, müssen Staaten der unverzüglichen Reduzierung globaler Treibhausgase den Vorrang geben. 2021 errechnete eine Studie der „Science Based Targets Initiative“, dass mindestens 90 Prozent aller Emissionen gestoppt werden müssen und lediglich knapp zehn Prozent ausgeglichen werden dürfen, damit die Erwärmung der Erdatmosphäre wie angestrebt unter 1,5 Grad Celsius bleibt.

Wenn das Luxemburger Armeeministerium daher in einem Umfang in Projekte investiert, der eine Kompensation von 100 Prozent aller direkten Emissionen erlaubt, drohe daraus ein „business-as-usual“ zu werden, so Stuart Parkinson: „Einen wirklichen Wandel im Verhalten erreicht man dadurch nicht.“ Armeeminister Bausch widerspricht. Man müsse beispielsweise berücksichtigen, dass die Gesamtemission durch die Gebäude-
sanierungen schon reduziert worden sei.

Dennoch setzt man weiter auf den Ausgleich: Nach den ersten Erfahrungen mit den genannten Projekten, die als „positiv“ bewertet werden, plant die Direktion, weitere davon zu finanzieren. Sie sollen die Kompensation auch der indirekten Emissionen ermöglichen. Rund 400.000 Euro sind dafür im laufenden Jahr eingeplant, wie dem Verteidigungsbudget zu entnehmen ist. „Mit dem 1,5 Grad-Ziel ist das nicht vereinbar“, so Parkinson.

Fragwürdig sind aber auch die von solchen Projekten versprochenen Kompensierungswerte selbst. Weniger als zehn Prozent der von ihm untersuchten Zertifikate könnten ihr Versprechen eines Ausgleichs einhalten, so Thales Pupo West, der an der Freien Universität Amsterdam zu den „REDD+“-Projekten forscht, gegenüber der woxx. Zudem sei der Emissionsausgleichsmarkt nicht ausreichend geregelt. So würden einzelne Zertifikate nicht selten mehrmals verkauft. Dass all dies im Falle Luxemburgs nicht geschieht, dafür will Bausch in den kommenden Monaten durch eine Auswertung der geförderten Projekte sorgen.

Rüstung treibt CO2-Ausstoß an

Doch selbst wenn die betreffenden Maßnahmen tatsächlich die versprochene Menge an Emissionen binden: Eine Garantie, wie lange sie das tun, ist das noch nicht. So könne ein Waldbrand nicht nur ein gefördertes Projekt zerstören, sondern binnen weniger Minuten viele Tonnen Treibhausgas wieder in die Atmosphäre schleudern. „Man investiert in inhärent unsichere Projekte“, sagt Stuart Parkinson. François Bausch sieht auch dies lieber von der pragmatischen Seite: Unabhängig davon wie viel genau solche Projekte am Ende tatsächlich dazu beitrügen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, „bringen sie doch etwas – und das finde ich positiv“.

Neben Luxemburg, das seine Klimaziele noch nicht offiziell verlautbart hat, haben bislang sieben weitere europäische Armeen eigene Klimaziele angekündigt. Allerdings sind diese „deutlich unzureichend“, wie der Wissenschaftler Parkinson meint. Das liege nicht zuletzt daran, dass man die jeweiligen militärischen Kapazitäten nicht beeinträchtigen will. Luxemburgs Armeeminister pocht hier auf klar definierte, aber auch realistische Ziele: Maßnahmen, die auf einen kompletten Stopp aller Aktivitäten zielen, fordere man ja auch in anderen Bereichen nicht. „Man könnte natürlich auch beschließen, es soll überhaupt kein Panzer mehr fahren“, so Bausch. „Aber dann müsste man ja auch das Auto verbieten und den Flieger, also schon heute alles, was sich mit Hilfe fossiler Energien fortbewegt.“ Dieses Dilemma zeige sich in Konfliktzeiten umso mehr. „In einem Krieg wie ihn die Ukraine führen muss, können solche Ziele nur schwer eingehalten werden.“

Laut Stuart Parkinson steigen die durch Armeen ausgestoßenen CO2-Emissionen auch infolge rekordhafter Rüstungsangaben weiter kontinuierlich an. Zugleich ist eine verpflichtende Reduzierung des Schadstoffausstoßes im Militärbereich in weite Ferne gerückt. Im vergangenen Oktober hatte das EU-Parlament zwar noch über eine entsprechende Änderung der internationalen Abkommen debattiert, wonach bindende Richtlinien zur Messung und Veröffentlichung von Emissionswerten sowie ein sektorübergreifendes Klimaziel auf die Tagesordnung der COP27-Verhandlungen kommen sollten. Doch ohne Erfolg: Seit der russischen Invasion der Ukraine, so Thomas Waitz, grüner Abgeordneter im Europaparlament, sei diese Debatte „endgültig vom Tisch“.


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