Organisation der Armee: Zu den Fahnen!

Um die Attraktivität der Armee zu erhöhen, sollen besser Ausgebildete angeheuert sowie die Dienstzeit der Freiwilligen verlängert werden. Dabei geht es um die weltweite Verteidigung „unserer“ Werte – und um mehr Fun beim Training.

Armeeminister François Bausch und General Steve Thull bei der Vorstellung des „avant-projet de loi sur l’organisation de l’armée luxembourgeoise“. (© EMA)

Seit 2008 wird die Luxemburger Armee nicht mehr von einem einfachen Colonel, sondern von einem General befehligt. Demnächst wird dieser statt eines abgespeckten Bataillons drei Divisionen anführen – die Gesamtstärke liegt allerdings weiterhin bei etwa 1.000 Soldat*innen. Die Erklärung: Die Divisionen sind nicht etwa „gemischte Großverbände“, sondern verwaltungstechnische Unterabteilungen des Generalstabs mit so aufregenden Namen wie „Administration et acquisitions“. Neben dem Generalstab gibt es natürlich weiterhin die „kämpfende Truppe“ – und die Militärmusik, wie man bei der Präsentation am 23. Juli erfahren konnte.

Drei Divisionen für die Werte

Bei der Pressekonferenz ging es um ein neues Gesetz zur Organisation der Luxemburger Armee. Vieles habe sich seit der letzten Reform 2007 verändert, insbesondere was die geo- und sicherheitspolitische Lage angeht, so die Begründung für den Avant-projet de loi. Was sich auch geändert hat, aber nicht erwähnt wurde: Ab 2013 wurde das Armeeministerium von Politikern übernommen, die voluntaristischer an das Ressort herangingen. Étienne Schneider wollte aus der Militärpolitik ein Win-win-Spiel für Armee und Wirtschaft machen. Sein Nachfolger François Bausch versucht seit 2018, aus der Armee die Speerspitze der grünen Kämpfe für Klimaschutz, Geschlechtergleichstellung und Menschenrechte zu machen.

Wie die Rolle der Armee auf der Pressekonferenz definiert wurde, war für Bauschs Haltung bezeichnend. Natürlich wurde als erstes die Landesverteidigung angeführt, außerdem die Einsetzbarkeit der Armee bei Katastrophen wie dem jüngsten Hochwasser. Aber seine Aufgabe als Verteidigungsminister, wie sein offizieller Titel lautet, liegt laut Bausch auch in der Verteidigung von Werten: die rechtsstaatlichen Institutionen, die Menschenrechte, der Lebensstil müssten verteidigt werden, und zwar national und international. Weltweit Werte verteidigen – war das nicht das Motto der amerikanischen Neocons, die der Welt so erfolgreiche „Friedensmissionen“ beschert haben wie die Intervention in Afghanistan 2001 oder die Invasion des Irak 2003? Und historisch betrachtet dürfte für die meisten Angriffskriege gelten, dass sie im Namen der Verteidigung von Werten geführt wurden.

Im neuen Gesetz geht es aber weniger um Werte als um die Aufwertung der Armee als Arbeitgeberin. An erster Stelle soll, so Bausch, die Lücke zwischen Offiziers- und anderen Karrieren überbrückt werden – die einen werden mit Bac+5 eingestellt, die anderen mit 11e/3e oder weniger. Dafür werden, in Anlehnung an die restliche Fonction publique, die möglichen Militärkarrieren um B1 (Bac) und A2 (Bachelor) ergänzt. Zusätzlich wird die Einstellung zivilen Personals innerhalb der Armee vereinfacht. Durch all dies erhofft man sich auch, den Frauenanteil in der Armee zu erhöhen, weil, wie es in der Präsentation hieß, „die Anwerbung bei einer Hälfte der Population fast nicht greift“. Ob diese Feminisierung „von oben“ wirklich in eine Gleichstellung mündet, wird sich zeigen müssen. Ob sie feministischen Prinzipien entspricht, ist noch eine andere Frage – die These, Krieg sei eine Erfindung der Männer und solle zusammen mit dem Patriarchat überwunden werden, hat einiges für sich.

Qualität und Quantität

Die Attraktivität der Armee erhöhen, mit dieser Aufgabe schlagen sich die zuständigen Minister herum, seit die Ansprüche an das Personal gewachsen sind, sowohl was die Einsatzbereitschaft als auch die technischen Fähigkeiten angeht. Durch das neue Gesetz soll eine Aufwärtsspirale („cercle vertueux“) in Gang gesetzt werden, bei der mehr Kandidat*innen und Spezialist*innen eingestellt und durch diese Professionalisierung das Image und die Attraktivität der Armee weiter verbessert werden.

Die zweite große Veränderung betrifft die Dienstzeit der Freiwilligen („volontaires“). Bisher liegt sie bei drei Jahren, einmalig erneuerbar um drei weitere Jahre (mit anschließender Wiedereingliederung ins zivile Leben). Künftig soll sie bei vier Jahren liegen, und auf bis zu neun Jahre verlängert werden können. Auf der Pressekonferenz sprach General Steve Thull von einem „großen Paradigmenwechsel“: „Statt dass der Soldat nur im Durchgehen bei der Armee ist, und danach ins Zivilleben zurückkehrt, soll er sich an sie binden können.“

Das ist in der Tat ein Paradigmenwechsel, denn bisher standen beim Thema Attraktivität eher die Anzahl der Rekrut*innen als ihre Fähigkeiten im Vordergrund. Häufig wurde die Armee als eine Art „école de la deuxième chance“ angesehen für Jugendliche, die im „normalen“ Schulsystem scheitern. Sie könnten dann in der Armee auf ein „ordentliches“ Leben und einen Beruf vorbereitet werden, so die Vorstellung – unter anderem durch die speziellen Möglichkeiten, sich für den Polizei- und Gefängnisdienst zu bewerben. Diese Funktion der Armee soll zwar nicht abgeschafft werden, betonten Minister und General. Die wichtigste Funktion sei aber, dass sie ihre Aufträge auf professionelle Art ausführen könne.

Neben der Vorbereitung auf eine eventuelle Karriere als Berufssoldat*in soll die längere Dienstzeit auch die Personalprobleme der Armee entschärfen. „Die Ausbildung dauert länger, die Zahl der internationalen Einsätze wächst“, so Thull. Ungefähr 29 von 36 Monaten der Dienstzeit seien die Soldat*innen dafür eingespannt. Da bleibe wenig für nationale Missionen – „sehr unrentabel“, befand der General. Manche internationalen Verpflichtungen, wie der Bereitschaftsdienst für die Nato-Eingreiftruppe „Very High Readiness Joint Task Force“, dauerten für sich genommen schon drei Jahre. Und nicht zuletzt biete die Verlängerung der Basisdienstzeit auf vier Jahre die Möglichkeit, neben mehr Inlandseinsätzen auch „interessantere“ Aktivitäten als die Grundausbildung anzubieten, führte Thull aus. Man könne zum Beispiel das „sehr beliebte“ Fallschirmtraining wieder aufnehmen – auch ein Beitrag zur Attraktivität der Armee.

Ein doppelbödiger Kommentar zu diesem Thema: Luxemburg-China 1:0.

 


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