Homofeindlichkeit: Echt jetzt?

Eine Rechenaufgabe in einem für Luxemburg zusammengestellten Mathebuch unterstützt homofeindliche Klischees. Die Protagonisten: Xavier und Etienne.

In Luxemburg wird seit geraumer Zeit kontrovers über die fächerübergreifende Diversifizierung von Lerninhalten diskutiert. Sei es, wenn es um die verstärkte Einbindung von Autor*innen und positiv besetzter Frauenfiguren im Literaturunterricht geht, sei es wenn sich der ADR-Abgeordnete Fernand Kartheiser über ein Theaterstück für Schulklassen entrüstet, in dem ein schwules Känguru die Hauptrolle spielt. Damals sprach sich Bildungsminister Claude Meisch deutlich gegen Homofeindlichkeit aus. Wie Vielfalt auf dem Lehrplan eindeutig nicht geht, das zeigt ein Beispiel aus dem Mathebuch „Clic & Maths 3e“, das für luxemburgische Schulklassen konzipiert wurde. Das Buch gehört zum Pflichtmaterial der Schulklassen der 3e des „enseignement secondaire classique“ (unter anderem die Sektionen E, F und G).

Daraus zitiert der LSAP-Abgeordnete Franz Fayot in einer parlamentarischen Anfrage an das Bildungsministerium eine Rechenaufgabe mit dem Titel „La chambre rose“: „Afin de décorer sa chambre en rose, Xavier doit mélanger du blanc et du rouge. Pour trois mesures de peinture blanche il met une mesure de peinture rouge. Combien de litres de peinture blanche doit-il mélanger à 2 litres de peinture rouge ? À x litres de peinture rouge ? Combien de peinture rouge doit-il ajouter à 5,1 litres de peinture blanche ? À y litres de peinture blanche? S’il lui faut au total 12 litres de peinture pour couvrir les murs de sa chambre, quel mélange doit-il réaliser ?“ Eine Zeile weiter, will auch ein gewisser Etienne sein Zimmer rosa streichen. Nur bitte weniger stark. Wer nicht so gut im Kopfrechnen ist: Xavier braucht neun Liter weiße und drei Liter rote Farbe, um sein Zimmer zu streichen – das nur am Rande. Aber viel wichtiger: Etienne, Xavier und rosa Zimmerwände – wirklich?

Dass Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel und einer seiner Vizen Etienne Schneider heißt, dürften die meisten Menschen hierzulande wissen. Auch Schüler*innen der 3e. Bekannt ist auch, dass beide in einer Beziehung mit einem Mann leben. Die beiden Vornamen sind im luxemburgischen öffentlichen Diskurs fest mit den beiden Politikern und ihrer Vita verankert – und deshalb empört sich Fayot in seinem Schreiben völlig zu Recht, dass eine solche Aufgabenstellung es hierzulande in ein Schulbuch schafft. Im nationalen Kontext zementiert sie homofeindliche Stereotypen. Damit wird Etienne Schneider schon zum zweiten Mal eine Vorliebe zur Farbe rosa unterstellt: Erst letztes Jahr übte der CSV-Politiker Marc Spautz auf einem Kongress der CSV Süden Kritik am damaligen Polizeiminister Schneider und warf spöttisch die Frage auf, ob neben dem neuen Design der Polizeiautos, auch die Einführung rosafarbener Polizeiuniformen vorgesehen sei. Er nannte es einen Ausrutscher. Die Farbe rosa ist grundsätzlich von geschlechtsspezifischen Klischees geprägt. In einem anderen Land hätte die Aufgabenstellung durchaus einen subtilen, sozial innovativen Charakter, indem sie mit der allgemeinen Ansicht „Rosa ist nur was für Mädchen“ bricht. Hierzulande hat das Zusammenbringen von Etienne, Xavier und rosa Zimmerwänden jedoch eine andere Konnotation und bedient schlichtweg homofeindliche Klischees.

Ein bisschen Feingefühl der Herausgeber*innen Françoise Van Dieren und Pierre Sartiaux oder das kritische Lektorat durch das Bildungsministerium hätten den Faux-Pas verhindern können.

Die offizielle Antwort auf die parlamentarische Anfrage steht derzeit noch aus. Auf Nachfrage des Paperjams hat Bildungsminister Claude Meisch jedoch bereits bekanntgegeben, dass die entsprechenden Exemplare aus dem Umlauf genommen und ersetzt werden sollen. Er bedauere zudem, dass die für Luxemburg adaptierte Version des Buches, die 2015 auf den Markt kam, homofeindliche Ansichten verbreite. Die Minister Bettel und Schneider haben sich noch nicht dazu geäußert.


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