Verbot von Atomwaffen: Unerwartete Wortmeldung

Bei Weitem nicht alle sind Pazifist*innen, aber die Bedrohung eines Nuklearkrieges hat sie zusammengebracht: 56 Ex-Politiker*innen sprechen sich gegen Atomwaffen aus.

Kampagne von ICAN Deutschland

Für eine atomwaffenfreie Welt wurde diese Woche ein wichtiges Signal gesetzt: Am Montag veröffentlichte die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) einen von 56 ehemaligen Staats- und Regierungschefs, Außen- und Verteidigungsminister*innen aus 20 Nato-Staaten sowie aus Japan und Südkorea unterschriebenen Brief. Darin wird eine Kehrtwende in der Atomwaffenpolitik gefordert, weil das Risiko eines Einsatzes solcher Waffen sich derzeit erhöht. Die Verteidigungspolitik solle so gestaltet werden, dass sie nicht mehr auf nuklearer Abschreckung beruhe. Außerdem empfehlen die Unterzeichner*innen ihren Ländern, dem von den Atommächten heftig bekämpften Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten.

Die Namensliste unter dem Brief wird bei vielen Pazifist*innen ein mulmiges Gefühl hervorrufen, umfasst sie doch so manche Persönlichkeiten mit harten Positionen in militärischen Fragen. Insbesondere Javier Solana, Joschka Fischer und Rudolf Scharping gelten als Kriegstreiber. 1999 hatten sie maßgeblichen Anteil an der Bombardierung Rest-Jugoslawiens durch die Nato – ohne UNO-Mandat, was zur Zersetzung der internationalen Rechtsordnung beigetragen und damit die Gefahr eines großen Krieges erhöht hat. Wenig überraschend geht es im Brief denn auch nicht um die Abschaffung der Nato oder um Radikalpazifismus, sondern „nur“ darum, die Katastrophe eines Atomkriegs durch radikales Umdenken zu verhindern.

Der 2017 auf UN-Ebene verabschiedete Atomwaffenverbotsvertrag, für den die ICAN im gleichen Jahr den Friedensnobelpreis erhielt, dürfte bald in Kraft treten, es fehlen noch fünf Länder, die ihn ratifizieren. Er stellt ein ähnliches Verbot dar wie die von fast allen Staaten unterstützten Verträge gegen Landminen oder chemische Waffen. Doch auf Druck der USA haben alle Nato-Länder die Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot boykottiert und bisher auch die Unterschrift verweigert. Durch dieses Verhalten, so heißt es im Brief, „verstetigen [wir] nukleare Gefahren – alles aus der Angst heraus, unsere Verbündeten, die an diesen Massenvernichtungswaffen festhalten, zu kränken“. Das sei falsch, man müsse „die Stimme erheben, wenn Freunde rücksichtsloses Verhalten an den Tag legen, das unsere und ihre eigenen Leben gefährdet“.

Und in Luxemburg?

Der Brief räumt auch mit einer Idee auf, die oft als Argument gegen einen Beitritt vorgebracht wird. Ein Land kann dem Vertrag beitreten, obwohl es, wie die 22 Herkunftsländer der Unterzeichner*innen, mit den USA verbündet ist: „Als Vertragsstaaten können wir in Allianzen mit nuklear bewaffneten Staaten verbleiben.“ Allerdings schließt der Vertrag die Zusammenarbeit hinsichtlich des Einsatzes oder der Verwahrung von Atomwaffen aus. Das betrifft insbesondere die „nukleare Teilhabe“, die einige Nato-Staaten praktizieren, zum Beispiel Deutschland auf dem Eifeler Stützpunkt Büchel (woxx 1530: Atombomben ganz nah!).

Und Luxemburg? Laut woxx-Informationen wurden auch mehrere hiesige Persönlichkeiten, die nicht mehr politisch aktiv sind, von ICAN angeschrieben, um den Brief zu unterzeichnen. Doch obwohl das Großherzogtum im Rahmen der Nato nichts mit Atomwaffen zu tun hat, scheint sich niemand bereitgefunden zu haben, den Appell zu unterzeichnen. Ermutigender ist die Reaktion der Gemeinden auf einen Appell der Friedensplattform (FSPL), zum Beitritt zum Vertrag aufzurufen. Im Rahmen des Gedenkens an Hiroshima und Nagasaki im August waren die 56 „Mayors for Peace“-Gemeinden angeschrieben worden, 13 haben bisher positiv geantwortet. In den kommenden Monaten soll die weltweite Initiative von Bürgermeister*innen gegen Atomwaffen in Luxemburg dynamisiert werden – dabei dürfte der Brief der 56 Persönlichkeiten eine gute Argumentationshilfe bieten.

Mehr über die 75-jährige Geschichte der Atomwaffen in unserer Hiroshima-Serie: woxx.eu/hiro75

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