Atomwaffen verstehen? (iii) Spiele ohne Gewinner

Hiroshima war furchtbar, die nukleare Kriegsgefahr ist immer noch eine ernste Sache. Dennoch kann „Atomkrieg spielen“ interessante Einblicke in Vergangenheit und Zukunft verschaffen.

Twilight Struggle: Vorsicht mit dem Defcon!

Spiele über Atomwaffen? Schlimm! Eine solche Reaktion ist verständlich, dennoch lohnt sich ein genauer Blick. Wie bei anderen sensiblen Themen (Kolonialismus, Wohnungsbau und -not) ist auch hier die Palette des „Spielbaren“ sehr breit gefächert. Zum Beispiel gibt es die von Generalstäben und Militärakademien organisierten Wargames, die Erkenntnisse über den Ablauf eines Nuklearkriegs liefern sollen – eine sehr ernste Sache. Immerhin haben solche virtuelle Manöver das Bewusstsein für die Risiken und Folgen eines Atomkriegs bei den militärischen und politischen Entscheider*innen geschärft.

Als entgegengesetztes Extrem taucht die Atombombe auch in Gesellschaftsspielen auf. In „Maître du Monde“ kann man neben Geschwadern und Raketen für ein wenig mehr Geld auch Atombomben kaufen, und damit jeweils einen ganzen Kontinent zerstören – am Besten einen, der von einem*er Gegenspieler*in kontrolliert wird. Und in der Sparte Aufbauspiel gibt es „The Manhattan Project“ – hier geht es darum, als erster Spieler eine Atombombe zu bauen. Das Spiel ist eine Art Reenactment des gigantischen und kontroversen Nuklearprojekts der US-Regierung in den 1940ern (siehe unsere Comic-Rezension von „La bombe“).

Civilization, Extermination, the Game

Natürlich kommen Kernwaffen auch in Computerspielen vor, hier allerdings an erster Stelle in First Person Shooters, in denen man mit einer Atom-Bazooka Bösewicht*innen oder Aliens wegpustet. In der „Duke Nukem“-Serie sind die überdimensionierten Waffen als absurder Humor gemeint, in den meisten anderen Spielen liegt der Fokus eher auf Baller-Spaß und Videoeffekten. In vielen Computer-4X-Strategiespielen wie Civilization oder Rise of Nations besteht ebenfalls die Möglichkeit, Kerntechnologie für militärische Zwecke zu nutzen – immerhin steht das vierte X für „Exterminate“.

Wer mehr Realitätsnähe sucht, muss sich den „Conflict Simulations“ (Consim) zuwenden, Brettspiele, die – meist militärische – Konflikte nachbilden (auch Wargames oder Kriegsspiele genannt). Insbesondere in den – für ein Nischenhobby – zahlreichen Consims über einen sowjetischen Angriff während des Kalten Krieges wird oft die Wirkung taktischer Atomwaffen modelliert, die ja auch Teil der Einsatzdoktrin waren (siehe „Von Mine bis MIRV“).

In den Abgrund gewürfelt

Manche Consims zeichnen Konflikte auf strategischer Ebene nach: In „Twilight Struggle“ ringen Ost und West von 1945 bis 1989 mit politischen Mitteln um die Weltherrschaft – wenn nicht vorher der nukleare Alarmlevel Defcon auf 1 fällt und das Spiel vorzeitig „zu Ende“ kommt (siehe unser Feature „Jouer les rouges“).

„MacArthur’s War“ simuliert den Koreakrieg, in dem der namensgebende General vorschlug, Atomwaffen einzusetzen. Die Consim bietet diese Option an – allerdings lernt man auch, warum man besser die Finger davonlässt. Solche Spiele ermöglichen einen Einblick in die historischen Umstände und Denkweisen, den Geschichtsbücher häufig aufgrund ihrer Ex-post-Perspektive nicht vermitteln.

Mehrere Consims konzentrieren sich sogar auf die Umstände eines nuklearen Schlagabtauschs, so zum Beispiel die „Warplan Dropshot“-Serie, mit Szenarien für die 1950er, 1960er und 1970er Jahre. „First Strike“ schließlich modelliert einen Atomkrieg, wie er im November 1983 beinahe „aus Versehen“ stattgefunden hätte (siehe „Frieden dank Star Wars?“ in unserer Serie). Wer solche Consims ausarbeitet, muss erhebliche Recherche betreiben, und das Nachspielen dient eher dem Studium der möglichen Entwicklungen als dem Zweck „zu gewinnen“.

Next War Korea: Würfelglück oder Untergang.

Atompilz-Spielsteine

Nicht nur in Konflikten der Vergangenheit spielten Kernwaffen eine Rolle. Die Consim-Serie „Next War“, die sich mit aktuell möglichen „High Intensity Wars“ befasst, konzentriert sich zwar auf die Modellierung von konventionellen Operationen durch technologisch hochgerüstete Armeen. In den Modulen „Korea“, „India-Pakistan“ und „Poland“ ist der Einsatz taktischer Atomwaffen aber durchaus vorgesehen.

Allerdings gilt hier die „Feuerzeugbenzin-Regel“: Bei jedem Nuklearangriff wird gewürfelt und falls das Ergebnis höher ist als die Zahl der bereits erfolgten Angriffe, ist das Spiel zu Ende. Was manche Freaks ärgert, kann als Warnung verstanden werden: Der Einsatz von Kernwaffen ist heutzutage durchaus möglich – dass sich ein solcher Schlagabtausch auf die taktische Ebene begrenzen lässt, ist dagegen sehr unwahrscheinlich.

 


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